Cairo Time Kritik

CAIRO TIME“ von Ruba Nadda (B+R; Kanada/Irl/Ägypten 2009; 88 Minuten; Start D: 01.09.2011); die am 6. Dezember 1972 in Montreal als Tochter eines Syrers und einer Palästinenserin geborene Drehbuch-Autorin, Regisseurin und Produzentin studierte in New York Filmproduktion. Schuf zahlreiche Kurzfilme, von denen mehrere preisgekrönt wurden. Im Jahr 2000 begann sie Langfilme zu drehen. „Cairo Time“ ist ihr insgesamt vierter Spielfilm (davor zuletzt „Sabah“/2005), der auf dem Festival von Toronto als „bester einheimischer Film“ ausgezeichnet wurde. Vor allem auch, weil SIE in der Hauptrolle glänzt: Es wird höchste Zeit, die wunderbare Südstaaten-Schönheit PATRICIA CLARKSON zu würdigen. Wir kennen ihr Gesicht aus vielen Filmen, wo sie exzellent „im Hintergrund“ auftrat, wie in „Shutter Island“ von Martin Scorsese, in „Vicky Cristina Barcelona“ von Woody Allen oder in „Good Night, and Good Luck“ von George Clooney. Nun betritt die (zur Drehzeit) 49jährige aus New Orleans/Louisiana ENDLICH ihren Olymp und darf – wie gewohnt – leise dominieren. Und: Wir blicken auf keine Frau der modernen Ära Fratzenkultur, mit ekligem „Botox-Charme“ und falschem Dauergrinsen, sondern auf eine hochinteressante, hellhäutige, blonde schöne Frau “in den besten Jahren“.

Patricia Clarkson spielt die amerikanische Modejournalistin Juliette. Mutter zweier erwachsener Kinder. Deren Ehemann Mark arbeitet seit Wochen für das UN-Flüchtlingswerk im Krisengebiet von Gaza. Als sich seine Dienstzeit dem Ende nähert, reist sie ihm allein nach Kairo nach. Um mit ihm dort einige Urlaubstage zu verbringen. Doch Mark kommt nicht weg. Also beginnt Juliette, sich „mit Kairo“, dieser jetzt, im Sommer, so heißen wie chaotischen 17 Millionen-Metropole, neugierig „zu befassen“. Doch auch für eine selbstbewusste wie emanzipierte Frau ist es nicht einfach, die ägyptische Hauptstadt solo zu erkunden. Ohne Begleitung. Männliche Begleitung. Also sucht sie den Begleiter-Kontakt zum charismatischen Tareq (ALEXANDER SIDDIG), einem ehemaligen Mitarbeiter ihres Mannes und geschätzten einheimischen Freund. Gemeinsam begeben sie sich auf eine kulturelle wie zutiefst individuelle Sightseeing-Tour durch die pulsierende faszinierende Großstadt. Erleben die antike Schönheit und den orientalischen Zauber dieser magischen Region. Und natürlich: Zwischen diesen beiden zurückhaltenden Menschen beginnt es langsam „zu funken“. Kleine behutsame Gesten, respektvolle Blicke, das kluge Wie im Umgang. Dabei sind beide in ihren Lebenswegen tief verwurzelt. Befinden sich in einem Alter, wo „Backfischdenken“ und „Wechselgefühle“ eigentlich passé sind. Eigentlich.

Man muss diese zarte, spröde, elegante wie jugendliche Um-die-50-Frau Juliette alias PATRICIA CLARKSON einfach erleben. Anschauen. Genießen. Diese zierliche, bisweilen gebrechlich wirkende Schönheit beobachten. Ein Ereignis wie ein Vergnügen. Beziehungsweise umgekehrt. Es sind diese kaum vorschreibbaren Momente von melancholischer Regung, von Sehen, Sprechen, Bewegen. Diese feine Körpersprache. Mit der alles gezeigt, gesagt, beschrieben, ausgedrückt wird. Unauffällig. Unverkrampft. Zärtlich. Simpel. Wunderschön. Patricia Clarkson ist eine brillante intime Ansage. Und hat mit dem 44jährigen sudanesisch-britischen Kollegen ALEXANDER SIDDIG, dessen bislang auffallendste Rolle die des Dr. Julian Bashir in der US-Fiction-TV-Serie „Deep Space Nine“ (1993-1999) war, einen adäquaten Partner. Als Tareq ist er ein ebenso spannender wie „vorsichtiger“ Begleiter. Und ein einfühlsamer Stichwortgeber für seine phantastische „Mitreisende“.

„Cairo Time“ bewegt sich auf der überzeugenden Filmlinie von „Before Sunrise“ von Richard Linklater, wo Julie Delpy und Ethan Hawke Mitte der 90er Jahre einen unvergesslichen Tag in Wien verbringen, oder Sophia Coppolas Meisterwerk „Lost in Translation“ von 2003, wo auf so wundersame Weise die einsamen Seelen von Scarlett Johansson und Bill Murray in Tokio zusammentreffen.
„Cairo Time“ gesellt sich zu ihnen: Ist einer der schönsten Kino-Liebesfilme der letzten Jahre (= 4 PÖNIs).

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