BUTENLAND

PÖNIs: (5/5)

„BUTENLAND“ von Marc Pierschel (B; K; R + Schnitt; D 2017-2019; 82 Minuten; deutscher Kino-Start: 06.02.2020); DU DUMME KUH. DU BLÖDE KUH. Kühe haben bei uns einen schlechten Ruf. Deshalb machen wir uns auch kaum Gedanken, wenn wir ihr Fleisch verspeisen. Dieser einzigartige Dokumentarfilm korrigiert nun dieses Allgemeinbild der Rinder. Merke: Kühe sind ebenso verschieden wie Hunde, Katzen UND MENSCHEN. Manche sind behäbig, manche klug. Manche sind zurückhaltend, manche „Abenteurer“. Kühe sind tierische Persönlichkeiten. Intelligent. Mit einem Langzeitgedächtnis ausgestattet. Tierverhaltensforscher haben ermittelt, dass Kühe auf sozial komplexe Weise interagieren. Freundschaften zu entwickeln verstehen und innerhalb ihrer Herden soziale Hierarchien bilden. Kühe verfügen über eine Vielzahl an Emotionen und kommunizieren miteinander über verschiedene Laute und Körperhaltungen. Warum ich das hier erwähne? Weil diese „Belehrungen“ dieser herausragende Dokumentarfilm NICHT kommentiert. So nach dem Motto: Jetzt seht/hört mal zu, wir wissen was. Und wollen dies euch mitteilen. Ganz im Gegenteil. Geht es hier zu.

In diesem KUH-ALTERSHEIM der Tierschutzstiftung Hof Butenland. Zur Gemeinde Butjadingen gehörend, gelegen im nordwestlichen Niedersachsen.“Butenland“ ist norddeutsch und heißt so viel wie Deichvorland. Oder auch: Ausland. Mit dieser Erläuterung beginnt dieser Film, während gleichzeitig die Kamera über diese wunderschöne Deichvorlandschaft blickt. Hier „passiert“ etwas. Einzigartiges. Fast schon Utopisches. Dabei völlig unspektakulär. Ohne großes Geschreie. Hier existiert ein ehemaliger Bauernhof, der zu einem Lebens-Hof wurde. Für den ehemaligen Milchbauern JAN GERDES und für die Tierschutzaktivistin KARIN MÜCK. Die hier eine Idylle geschaffen haben, in der es keine Nutztiere mehr gibt, sondern „nur“ ein Lebens-Miteinander zwischen Mensch und Tier. Fernab jeglicher wirtschaftlicher Interessen. Nichts erinnert dort an das, was wir unter Massentierhaltung kennen. Verstehen. Und akzeptieren. Wo die Tiere für die Hochleistungsproduktion von Milch gehalten werden; wo die Trennung von ihren Kälbern großen Stress und Schmerzen bedeuten. Wo DIE Kühe, die nicht mehr rentabel sind, nach durchschnittlich fünf Lebensjahren getötet werden. Dabei kann ein Rind rund 30 Jahre alt werden. Wie Chaya, eine der Bewohnerinnen hier. Sie sollte 2013 sterben. Doch sie schrie auf dem Schlachthof dermaßen „umfangreich“ um ihr Leben, dass eine Veterinärin sie am Leben ließ. Heute lebt Chaya friedlich und zufrieden im Kuhaltersheim von Butenland. Wo es eine geräumige Scheune gibt, mit reichlich Stroh eingestreut. Keine Boxen, keine Ketten, kein Gestänge, natürlich auch kein Spaltenboden. Wo die Kühe entscheiden, ob und wann sie von den Weiden in den Stall kommen. Haben sie Bock, laufen sie gemächlich über den Kuhdamm, so heißt der Betonweg von den Grünflächen zum Stallgebäude. Wo die beiden großen Bürsten hängen, die routieren, wenn die Kuh gegen sie drückt. Wellness für Kühe. Unglaublich. Aber wahr.

Ich weiß, was sie jetzt fragen – alles „gemacht“? Nur hübsche Fiktion? Denn: WIE finanziert sich „so etwas“? Das müssen sie schon selbst sehen, begreifen, wenn Sie sich diesen unter die Haut gehenden GUTEN FILM anschauen. Der Sie an keiner Stelle belehren oder Ihnen gar ein schlechtes Gewissen vor dem nächsten Mittagsessen machen will, sondern der davon erzählt, wie es machbar und möglich ist, dieses „andere“ Miteinander zwischen Mensch UND Tieren zu leben. Hier erhebt sich kein moralischer Zeigefinger, hier wird nicht mit dem anklägerischen Ausrufungszeichen gedroht, hier werden keine bedrohlichen Statistiken und schlimme Prognosen bemüht, hier wird kein rührender Kitsch verbraten, sondern einfühlsam und mit großem Respekt die anderen Möglichkeiten des humanen Zusammenlebens zwischen Tieren UND Menschen bebildert. Filmemacher MARC PIERSCHEL hat das Geschehen hier auf Hof Butenland, wo inzwischen rund hundert Tiere unterschiedlicher Spezies zusammenleben und der Pekinesen-Mix Puschek sich als heimlicher Chef begreift, über zwei Jahre lang beobachtet, begleitet, faszinierend festgehalten.

Herausgekommen ist ein – mit leisen Tönen und ruhigen Bildern versehenes dokumentarisches Meisterwerk des Herzens und des Verstandes. Gerne auch umgekehrt. Jedenfalls ist es nur verständlich, wenn schließlich im Abspann die Kühe namentlich als tolle Mitwirkende aufgelistet werden (= 5 PÖNIs).

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