„BRIDGE OF SPIES – DER UNTERHÄNDLER“ von Steven Spielberg (USA 2014; B: Matt Charman sowie Ethan Coen & Joel Coen; K: Janusz Kaminski; M: Thomas Newman; 141 Minuten; Start D: 26.11.2015); das Kinofilm-Jahr 2015 geht in Richtung Ausklang, und was wurde in den bislang über 350 Neu-Filmen nicht alles laut veranstaltet. Will sagen – viel Gebrüll und gigantische Trick-Dynamik waren oft beherrschend. Wie wohltuend ist es nun, gegen Jahresende mit einem neuen Hollywood-Film konfrontiert zu werden, dessen Qualitäten sind: klare, atmosphärische Bilder, scharfe Motive und – weil besetzt mit dem zweifachen „Oscar“-Preisträger TOM HANKS und seinem großartigen Kontrahenten MARK RYLANCE – zwei darstellerische Hochkaräter. Der für ein eher „bescheidenes“ Hollywood-Budget von 40 Millionen Dollar hergestellte exzellente Spannungsstreifen ist ein unterhaltsames Kino-Labsal in diesen unruhigen „Draußen“-Zeiten. Und basiert auf historischen Fakten. Wir befinden uns in den Kalten Kriegsjahren der Fünfziger des vorigen Jahrhunderts. Russen gegen Amis; Amis gegen Sowjets. In den USA ist das politische Klima durch Spitzenfunktionäre wie McCarthy (Senator) und Hoover (FBI-Chef) von Kommunisten-Hass und Propaganda geprägt. 1957 verhaften FBI-Agenten in New York einen russischen Spion: Rudolf Ivanovich Abel (MARK RYLANCE). Die Beweise sind eindeutig und werden auch vom erstaunlich besonnenen Rudolf Abel nicht bestritten. James Donovan war einst Ankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen und ist jetzt als Versicherungsjurist tätig. Die Regierung möchte alles andere als einen „Schauprozess“ gegen Abel veranstalten und bestellt den Gutruf-Juristen Donovan zum Pflichtverteidiger für den „überführten“ Russen-Spion. Donovan erklärt sich bereit, die verfassungsmäßig garantierte Aufgabe zu übernehmen, weil er sich den Prinzipien und dem Schutz menschlicher Grundrechte verpflichtet fühlt. „Jede Person zählt“, lautet sein Motto. Währenddessen US-Behörden und US-Bürger längst den Elektrischen Stuhl für Abel „favorisieren“, gelingt es dem geschickt argumentierenden Anwalt das Gericht davon zu überzeugen, dass die Todesstrafe – wie das Volk es „verlangt“ – unangebracht sei, weil politisch möglicherweise „verwerflich“: Was passiert, sollten einmal die Sowjets einen Amerikaner (sprich = denke: einen amerikanischen Spion) festnehmen? Wäre dann nicht ein lebendiger russischer Spion in amerikanischer Gefangenschaft von eventueller politischer „Wichtigkeit“? Natürlich spionieren beide Lager in jenen Jahren „heftig“, aber das CIA würde dies natürlich niemals offiziell zugeben. 30 Jahre Haft lautet das Urteil gegen Rudolf Abel. Woraufhin der entscheidende Richter und vor allem James Donovan öffentlich angefeindet und er und seine Familie heftig attackiert werden. Am 1. Mai 1960 wird eine amerikanische Lockheed U-2 (genannt: „Dragon Lady“) über sowjetischem Luftraum abgeschossen. Der Pilot des „Aufklärungsflugzeuges“, Francis Gary Powers (AUSTIN STOWELL), kann sich mit dem Fallschirm retten und wird auf russischem Boden verhaftet. In einem Schauprozess wird er zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Hinter den Kulissen, zwischen der Kennedy-Administration und der Kreml-Führung um Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, beginnen emsige Geheimgespräche. James Donovan wird reaktiviert: Man rekrutiert ihn für eine neue nationale Sicherheitsmission, einem möglichen Austausch der beiden Gefangenen Abel und Powers. Dazu fliegt Donovan in die DDR, wo gerade der 13. August 1961 „angebrochen“ ist. Stichwort: Mauerbau. Die Auseinandersetzungen zwischen West und Ost (bzw. umgekehrt) sind auf dem Höhepunkt. In dieser Atmosphäre der Anspannung, der extremen Nervosität auf beiden Seiten und inmitten einer totalen Kälte beginnt der private US-Bürger James Donovan mit seinen diplomatischen Bemühungen. Dabei geht es für den couragierten Anwalt mit den „festen Regeln“ nicht nur, Powers „herauszubekommen“, sondern auch den amerikanischen Studenten Frederic Pryor (WILL ROGERS), der das Pech hatte, zur falschen Zeit am falschen (DDR-)Platz gewesen zu sein und festgenommen / festgesetzt wurde. Obwohl das CIA-Motto „Einen für einen“ lautete, besteht Donovan fortan auf „Einen gegen Zwei“ und setzt die ganze Aktion aufs Austauschspiel. Was natürlich besonders in „seinen Kreisen“ überhaupt nicht gutgeheißen wird. Ein Klasse-Drama mit exzellentem, also präsentem Thriller-Geschmack. Und Personal. Steven Spielberg ist ein Welt-Bürger. Hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten filmisch viel um historische Polit-Themen gekümmert, sei es um den Holocaust („Schindlers Liste“), den amerikanischen Sklavenhandel („Die Farbe Lila“; „Amistad“), den Zweiten Weltkrieg („Der Soldat James Ryan“) oder den internationalen Terrorismus („München“). Zuletzt hatte er den amerikanischen Präsidenten LINCOLN in dem gleichnamigen Film porträtiert (s. Kino-KRITIK), einer auf die Bedeutung und Durchsetzung der amerikanischen Verfassung schwörenden Persönlichkeit. Auch der aus den Geschichtsbüchern wenig bekannte Amerikaner John Donovan ist solch eine bedeutsame Persönlichkeit. Die sich ebenfalls und vorbehaltlos auf die Verfassung, von ihm „Regelbuch“ genannt, bezieht, wenn es darum geht, einen Mandanten zu verteidigen („Jedem steht Verteidigung zu“). „Stammtisch“-Ansichten interessieren ihn wenig („Wir nennen es Verfassung, und genau das macht uns zu Amerikanern“). Steven Spielberg & Tom Hanks blicken dabei gedanken-listig und interpretationsmöglich auch auf das gegenwärtige Amerika, von wegen Guantanamo oder NSA, wenn es darum geht, die verfassungsmäßigen Bürgerrechte von Menschen unrechtmäßig auszuhebeln. Öffentlich äußern sie sich dazu aber (natürlich) nicht. Film ist Business. Steven Spielberg inszeniert großes, atmosphärisches Spannungs-Kino, wenn er anfangs die Identität eines „extrem besonnenen“ Spions gelassen vorführt und „die Jagd“ auf ihn mitunter „komisch“ beäugt. Mit wenig Sprache, mit dem Geräusche-Soundtrack von Straßen, U-Bahn und Musik. Die typische klassische Film-Anfangs-Ansprache. In der sich ein körpersprachlich-intensiver, mimisch faszinierender (Bühnen-Meister) MARK RYLANCE als Spion Abel hinzugesellt, dem vollends die emotionale Sympathie gehört. James Donovan alias TOM HANKS wird sich später auch diesem gelassenen Charme seines gänzlich unaufgeregten Mandanten nicht entziehen können. Apropos: Tom Hanks wirkt stark. Souverän. Angenehm = glaubhaft sensibel. „Lassen Sie doch die Gefühlsduselei“, wird sein Donovan einmal von einem CIA-Furz beschimpft. Tom Hanks ist in jedem Moment porentief an der Rampe. Emotional wie rational. Wenn es dann in der „DDR“ für ihn „handfester“ zugeht, weil Spielberg dort die pure kommerzielle Krimi-Karte aufzieht. Von wegen: Platte Grusel-Figuren in einem Folter-Staat mit halbwegs „unterentwickelten“ Uniformträgern (BURGHART KLAUßNER & Adlaten-Statisten). Während SEBASTIAN KOCH den Ost-Vermittler Wolfgang Vogel wie einen provokanten Zwitter spielt: Staats-treu, aber souverän-frech. Ulkig wie das Spielberg sieht. Betrachtet. Mitteilt. „Bridge of Spies – Der Unterhändler“ ist ein großartig unterhaltsames Spannungsvergnügen, in dem man endlich einmal (gerade nach „Panem 4“) nicht meschugge aus dem Lichtspielhaus wankt, sondern kino-gerecht, also „Hitchcock“-haft aufrecht, also beeindruckt dank erstklassig erlebtem Erzähl-Gefühls-KINO (= 4 PÖNIs). P.S.: Der Film wurde auch „vor Ort“, hier in der Hauptstadt, an der legendären Glienicker Brücke, gedreht, wo am 10. Februar 1962 die beiden Spione Abel & Powers ausgetauscht wurden. Und, politische Geschichtszahlen: Zwischen 1962 und 1986 wurden auf der Glienicker Brücke insgesamt drei Ost-West-Austauschaktionen mit insgesamt 40 Personen durchgeführt. |
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