Ben X Kritik

BEN X“ von Nic Balthazar (B+R; Belgien 2007; 93 Minuten; Start D: 08.05.2008); einem 44jährigen belgischen Kultur-Journalisten, der durch einen Zeitungsbericht – über den Selbstmord eines 17jährigen – zu seinem Spielfilm-Debüt inspiriert wurde.

In dieser Produktion geht es um den jugendlichen Ben. Der leidet am Asperger-Syndrom, einer leichten Form von Autismus. Dadurch fällt es ihm schwer, ist es ihm fast unmöglich, soziale Kontakte zu knüpfen, Gefühle zu verstehen bzw. auszudrücken, sich den allgemeinen Gepflogenheiten innerhalb einer Gemeinschaft, sich den Regeln der Gesellschaft anzupassen. Ben ist seit seiner Kindheit DESHALB ein Außenseiter. Der vor allem in seiner eigenen Welt lebt, die aus dem Online-Spiel “Archlord“ besteht und wo er als “Ben X“ der HELD sein darf und “geschützt“ ist.

Die Ehe von Bens Eltern ist an der Persönlichkeitsstörung des Sohnes zerbrochen, die Mutter schleppt ihren verschlossenen Sohn von einem Psychologen zum nächsten, während die Umwelt von Ben – Pädagogen, Betreuer, Nachbarn – zumeist ratlos auftritt und nicht so recht weiß, wie hier zu denken, zu handeln ist. Das jedoch Allerschlimmste hat Ben in der Schule, innerhalb seiner Klassengemeinschaft, täglich durchzustehen. Zwei Mitschüler treten als gehässige, eklige, aggressive Leitwölfe auf, die den überforderten Jungen ständig quälen. Der Rest der Gemeinschaft teilt sich auf in Mitläufer und Wegseher. Da sie bei ihm “leichtes Spiel“ haben, eskalieren die Ereignisse zwangsläufig in einer Katastrophe. Doch dann gibt es eine überraschende wie überwältigende Schlusspointe; die letzte halbe Stunde erweist/zeigt sich als das dramaturgische wie emotionale Trumpf-As des Films.

Der sich auf mehreren Erzähl-Ebenen bewegt: Zwischen Interviews mit Eltern, Lehrern und Beobachtern ist die Spielhandlung und sind die sarkastisch-metaphernhaften Motive um Bens vielgeliebtes Computer-Spiel ummantelt. Der Film ist berührend, nahegehend, spannend, aufwühlend, aber im Mittelteil der 90 Kino-Minuten auch steckenbleibend. Wenn alles gesagt, gezeigt, berichtet, mitgeteilt, vorgeführt ist, gibt es auch Wiederholungssequenzen, die momentweisen Stillstand bedeuten. Dennoch wirkt er nie überfrachtet, sondern – GANZ WICHTIG – bleibt in seinem Kern JEDERZEIT glaubhaft und nachvollziehbar. Und, natürlich, “irgendwie auch AKTUELL“. Umso mehr überrascht dann, wie gesagt, die letzte halbe Stunde mit einem unglaublichen wie wunderbaren Schluss-Gig. Der aufrüttelt und zugleich “hilft“. Für eine fesselnde Denk- wie Fühl-Klarheit sorgt.

GREG TIMMERMANS heißt der belgische Bruder von “Rain Man“- Dustin Hoffman, und wie er diese gepeinigte Figur würdevoll, dicht und nie überzeichnend nahebringt, ist absolut beeindruckend. Eine darstellerische Meisterleistung. Er balanciert auf dem schwierigen Motiv von behindertem Mensch, der kein Mitleid, sondern Ansprache/Anerkennung/“So“-Akzeptanz benötigt, und führt dies unsentimental-überzeugend vor.

Nach dem deutschen Film “Die Welle“ ein weiterer, insgesamt SEHR kraftvoller Film AUCH und vor allem für die Schule (= 4 PÖNIs).

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