AMERICAN SNIPER

PÖNIs: (2/5)

„AMERICAN SNIPER“ von Clint Eastwood (USA 2014; B: Jason Dean Hall; basierend auf dem Buch „American Sniper: The Autobiography of the Most Lethal Sniper in U.S. Military History” von Chris Kyle, Scott McEwen, Jim DeFelice/Anfang 2012; K: Tom Stern; M: Joseph S. DeBeasi; 132 Minuten; deutscher Kino-Start: 26.02.2015); Michelle Obama, die Ehefrau des amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Barack Obama, und First Lady der USA, lobte den Film und fand, er spiegele “viele Emotionen und Erfahrungen wider, die mir in den vergangenen Jahren von Soldaten-Familien erzählt wurden” („Tagesspiegel“/01.02.2015).

Die hiesige FBW, die Deutsche Film- und Medienbewertung in Wiesbaden, eine Einrichtung mit Behördenstatus, vergab für diesen Film das Prädikat „Besonders wertvoll“. In der Begründung heißt es u.a.: „Bradley Cooper verkörpert Kyle mit intensivem und körperbetontem Spiel, aber nie als überspannten Actionhelden, sondern als in sich gekehrte Figur, die von dem Ziel angetrieben scheint, auf andere aufzupassen. […] Und obwohl Eastwood die Kriegsanstrengungen selbst nicht hinterfragt, zeigt er auf, wie der Krieg die Menschen verändert und wie schwierig es ist, nach Hause zu kommen. Denn den Krieg nimmt jeder Soldat in seinem Kopf mit“.

In der Fachzeitschrift „Variety“ urteilte der Veteran und Filmproduzent Paul Rieckhoff: „Die meisten in Amerika haben genug vom Irak. Aber jetzt lassen sie sich immerhin davon unterhalten“. In der „Washington Post“ war zu lesen: „Es mag der erste – und letzte – Film sein, der auf Twitter sowohl von Sarah Palin als auch von Jane Fonda gepriesen wird“.

Die USA mal wieder im Kriegs-Fieber. Filmisch gesehen. Mittendrin: „Western“-Veteran Clint Eastwood. Der 84-jährige ist aktiv wie eh und je. Hat für seinen 23. Regie-Film nur ein Budget von 58 Millionen Dollar benötigt; inzwischen hat sein Werk in den USA über 300 Millionen Dollar und bislang weltweit über 100 Millionen Dollar eingespielt. Was bekanntlich sofort die übliche Verdächtigung aufruft: Der Film MUSS gut sein. Wenn er so viel einspielt. Profit macht. Quantität (er-)schlägt Qualität.

IHN hat es wirklich gegeben: den hochdekorierten Texaner CHRIS KYLE (*08. April 1974 – †02. Februar 2013). Der ehemalige Rodeo-Reiter trat 1999 den Navy SEALS bei, einer Spezialeinheit der US-Navy, deren inoffizielles Motto lautet: „The only easy day was yesterday“. Nach seiner Ausbildung wurde er Mitglied beim Seals-Team 3. Während seiner Dienstzeit nahm er – zwischen 2003 und 2009 – an vier Kampfeinsätzen im Irak-Krieg teil. Als Sniper. Scharfschütze. Der „verdeckt“ aus dem Hinterhalt seine Einheit vor Angriffen schützt. Indem er Gegner aus sicherem Versteck erschießt. 160 bestätigte = „beglaubigte“ Abschüsse werden ihm „gutgeschrieben“. Ein amtlicher Tötungsrekord. Eines US-Snipers. (Inoffizielle Zahlen sprechen sogar von 255 Abschüssen.)

Wir begegnen Chris Kyle als Jugendlichem mit dem Vater, der ihm „korrektes Schießen“ beibringt und Philosophie lehrt („Es gibt drei Sorten von Menschen: Schafe, Wölfe und Schäferhunde“); wie er auf Rodeo-Veranstaltungen als Cowboy herumhängt; in einer Bar seine spätere Ehefrau Taya Renae (SIENNA MILLER) kennenlernt und sich schließlich zum Militär verpflichtet. Um seinem Land zu dienen. Gegen „die Bedroher“. Nach extrem harter Ausbildung („Full Metal Jacket“ von Stanley Kubrick lässt grüßen/s. Kino-KRITIK) ist es 2003 endlich soweit: der erste Kriegs-Einsatz.

In seinem im Januar 2012 herausgekommenen und mit ca. 900.000 verkauften Exemplaren zum Bestseller mutierten Buch, siehe Credits, das im Oktober 2012 hierzulande unter dem Titel „160 tödliche Treffer – Der beste Scharfschütze des US-Militärs packt aus“ erschien, beschreibt Chris Kyle seine Freude am Töten von feindlichen Kämpfern, die er als „Barbaren“ und „Wilde“ bezeichnet (woraufhin ihn die Journalistin Lindy West von „The Guardian“ als „hasserfüllten Killer“ bezeichnete). „Vielleicht ist Krieg kein Spaß, aber ich genoss ihn“, heißt es im Buch. Der gut trainierte BRADLEY COOPER, 39, der „Hangover“-Star, nahm 18 Kilo zu, um Chris Kyle auszudrücken. Als präzise funktionierende Militär-Maschine. Immer mit der bildlichen Tötungs-Rechtfertigung argumentierend, ja Böse zu vernichten, wird er „super-erfolgreich“. So dass sogar „der Feind“ auf ihn aufmerksam wird und ein Kopfgeld auf ihn ansetzt. Weil aber das ewige Abschießen von „teuflischen Gegnern“ filmisch offenbar nicht ausreicht, erfinden Clint Eastwood und sein Autor Jason Hall ein „ganz besonderes Gegenüber“, einen irakischen Sniper. So dass schließlich „Duell-Stimmung“ aufkommt. Wie in einem fiktiven Western.

„Nebenbei“: die häuslichen Probleme. Wenn die Familie ihre privaten „Ansprüche“ geltend macht. Die Ehefrau und seine zwei Kinder. Während für Chris Kyle „die Kameraden“, „der Krieg“, immer mehr zum wichtigeren Lebensbestandteil werden. Weshalb er immer wieder „gerne“ zurückkehrt, zu seiner „Aufräum“-Arbeit. Als er schließlich an und mit der Front aufhört, ist er traumatisiert. Und muss erst wieder „zivilisiert“ werden.

Als er wieder „fit“ war und ehrenamtlich für psychisch und physisch beeinträchtigte Kriegsveteranen tätig war, erschoss ihn der 25-jährige Veteran Eddie Routh am 2. Februar 2013 an einem „therapeutischen“ Schießstand. Der Prozess gegen Routh läuft gerade in den USA.

Verlogen ist der Film. Zugleich „toll“ gemacht. Der „genüssliche“ Krieg. Detailversessen. Patriotisch. Heldenhaft. „The American War-Dream“. WIR SIND D O C H DIE GUTEN! UND ÜBERLEGENEN! Auf diesem Planeten. Antworten doch nur auf aggressive Erst-Attacken. Clint Eastwood versteht sein Regie- und Denk-Handwerk brillant. Zwischen ideologischer Heldenverehrung und packender vaterländischer Western-Show. Mit einem „richtigen“ und dazu auch noch „wahren Helden“. „American Sniper“ ist ein dicht inszeniertes Propaganda-Movie. Unterhaltsames Alibi für jedwede amerikanische Kriegstreiberei. Krieg ist okay, riecht der Film aus jeder Schmutz-Ecke. Wenn WIR ihn führen. Schließlich gibt es viele Schurken, die es als amerikanische Feinde zu vernichten gilt. Wir wehren uns doch nur, lautet das intensive, kalkulierte Fazit-Motto. Dieses faszinierend kaputten Films. In dem Bradley Cooper als tapferer, erstklassiger Ami-Soldat Chris Kyle (für „den“ er seine dritte „Oscar“-Nominierung“ bekam) die nationale Fight-Flagge stolz und tapfer hochhält.

„American Sniper“ – oder: Was für ein erstklassiger Mist-Film (= 2 PÖNIs).

P.S.: „Mein Onkel wurde im Zweiten Weltkrieg von einem Scharfschützen getötet. Uns wurde beigebracht, dass Scharfschützen Feiglinge sind, die einem in den Rücken schießen. Scharfschützen sind keine Helden“ (Michael Moore/aus „Film-Dienst“ 04/2015).

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