ALLES WAS DU WILLST

PÖNIs: (4,5/5)

„ALLES WAS DU WILLST“ von Franceso Bruni (B + R; Italien 2016; nach dem Roman „Poco Più di Niente“ von Cosimo Calamini/2008; K: Arnaldo Catinari; M: Carlo Virzì; 106 Minuten, Original mit deutschen Untertiteln; deutscher Kino-Start: 21.11.2019); ich weiß nicht wann ich mich das letzte Mal bei einem italienischen Kinofilm so wohl gefühlt habe. Und um gleich die – reizvolle – thematische Schublade aufzuziehen, „Ziemlich beste Freunde“ aus Frankreich zwinkert köstlich, aber ohne Plagiat aus der Ferne.

Der Typ ist das reinste Brechmittel. Alessandro (ANDREA CARPENZANO). Tut nichts, hat nichts, hängt täglich mit seinen ebenfalls großmäuligen Kumpanen lümmelnd im Café ab. Man spinnt von Millionen, die man bestimmt bald besitzt, lästert über Frauen, die man gerne mal … und „Schwuchteln“, denen man … sollte. Mit einfachem Weltbild und sehr niedrigem Macho-Verstand ausgestattet wird man aber „so“ aus dem römischen Stadtteil Trastevere nicht herauskommen. Zudem ist das Verhältnis von Alessandro zu seinem Vater, einem Flohmarkthändler, angespannt. Der Vater ist nur noch wütend über seinen völlig desinteressierten Sohn. Der sich aber dann doch für ein „Engagement“ entscheiden muss, nachdem ihn die Polizei bei einer „Unachtsamkeit“ erwischt hat und sein Erzeuger endgültig darauf besteht und ihn drängt, einen Job anzunehmen. Im Viertel lebt der wohlhabende 85-jährige Poet Giorgio in einer großen Altbauwohnung. Zwei Frauen umsorgen den alten Herrn, der körperlich noch recht fit ist, aber erste Anzeichen von Alzheimer zeigt. Und den jemand täglich bei seinen Spaziergängen – bezahlt – begleiten soll.

Erst skeptisch, dann immer neugieriger lässt sich Alessandro auf „diesen Deal“ ein. Die Begegnung mit dem längst vergessenen Dichter, dem die Krankheit zunehmend die Orientierung, aber nicht die Würde und Eleganz geraubt hat, verändert die Lebens-Sichtweise des jungen, bislang so oberflächlichen Mannes enorm ebenso wie die seiner Freunde. Die sich hier „eingeschaltet“ haben, wobei es nun auch gilt, einen Schatz mit Hilfe von Giorgio aufzustöbern, den US-Soldaten bei Kriegsende in der Toskana versteckt haben sollen. Keine homogene, aber doch eine plötzlich verschworene Gemeinschaft trifft sich mittenmal „auf Augenhöhe“.

Das Abenteuer einer Begegnung. Zwischen Generationen. Nicht verkitscht. Nicht herablassend. Und schon gar nicht cool. Der Autoren-Regisseur Francesco Bruni, ein Römer des Jahrgangs 1961, spürt dieser „Konfrontation“ nicht mit dem Holzhammer nach, sondern mit vergnüglicher Diskretion. Bei der es gilt, aufkommende Übereinkünfte zuzulassen. Ohne Ausraster, sondern mit einem gescheiten Lächeln. Das irgendwann auch den Nachwuchs erreicht.

Zwei triumphale Akteure: ANDREA CARPENZANO als Macho vom Tagesdienst, der unversehens in die Spur gerät, ist ebenso begeisternd wie GIULIANO MONTALDO, einem der großen Altmeister des italienischen Kinos, unvergessen als Regisseur des Politfilm-Klassikers „Sacco und Vanzetti“ von 1971, der seinen Dichter und Denker Giorgio mit viel Herzblut ausfüllt, dessen Wunderlichkeiten eine tiefe Humanität ausstrahlen.

„Tutto quello che vuoi“ oder: Was für eine kostbare Arthaus-Entdeckung! (= 4 1/2 PÖNIs).

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