A BOY AND HIS DOG

PÖNIs: (4/5)

Auf dem Tisch liegen diverse Filme, die noch gesehen werden wollen, aber keine Aktualität in Sachen Veröffentlichung besitzen. Immer dann, wenn sich aktuell nichts Empfehlenswertes ergibt, greife ich gerne auf diesen Stapel Filme, um d e n Film zu finden, der es wert ist, aus der Zeit-Versenkung hervorgeholt zu werden. Solch eine reizvolle Entdeckung – aus dem Jahr 1975 – habe ich gerade gefunden: für Fans von „exotischer Science Fiction“; mit schmackhaftem wie politisch unkorrektem Historien-Appeal eine unterhaltsame wie listige Fundgrube. Apropos: Bundesweit ist gerade das inzwischen sehr renommierte „FANTASY FESTIVAL“ zum 29. Mal unterwegs (Berlin: 05.-16. August 2015), und ich könnte mir vorstellen, dieser längst noch nicht „insgesamt“ ausgewertete US-Genre-Streifen würde gut und gern dort ins Demnächst-Programm passen.

Der Vollständigkeit halber, dieser Film war bereits des Öfteren hierzulande unter diversen Titeln im Angebot, lief allerdings nie im hiesigen Kino: im amerikanischen Kino hatte er seine Premiere im März 1976. „2024“ hieß er bei der deutschen Erstveröffentlichung auf Video. Im Fernsehen war er mal bei „Kabel 1“ unter dem Titel „In der Gewalt der Unterirdischen“ aufgetaucht. Als er bei uns am 18.11.2003 auf DVD herauskam, wurde ihm der Titel „Apocalypse 2024“ verpasst. Bei der zweiten DVD-Herausgabe, am 17.04.2008, hieß er dann „Apocalypse 2024 – A Boy And His Dog“. Nun ist dieses Kultgeruchs-Movie erstmals in HD auf Blu-ray und unter seinem Originaltitel bei uns erschienen, leider aber ohne Bonusmaterial:

„A BOY AND HIS DOG“ von L.Q. Jones (Co-Produzent; B + R; nach der gleichnamigen Kurzgeschichte von Harlan Ellison/1969; USA 1975; K: John Arthur Morrill; M: Tim McIntire, der im Original auch „Blood“, den Hund, spricht; 89 Minuten; Heimkino-(Blu-ray-)VERÖFFENTLICHUNG: 09.09.2014).

Der atomare 4. Weltkrieg dauerte 2007 fünf Tage; „die Politiker hatten das Problem der unbewohnbaren Städte endlich gelöst“, heißt es eingangs zynisch. Davor gab es den „Kalten Krieg“ zwischen Ost und West sowie den 3. Weltkrieg von 1950 bis 1983, der mit dem Vatikanischen Friedensvertrag endete. Wir befinden uns im Jahr „2024 nach Christus“, wird hingewiesen. Die Welt ist im Eimer. Kaputt. Überall nur noch Wüste. Endzeitstimmung, wohin man blickt. Die Rest-Lebewesen benehmen sich, nett umschrieben, unzivilisiert, präzise: barbarisch. „Das Starke“ regiert. Der schmutzige Stärkere. Über den „Pöbel“. Vic (DON JOHNSON!!!) hat sich damit längst abgefunden. Für den jungen ungehobelten 18-jährigen besteht der Alltag nur aus Nahrungsbeschaffung und Sex. Essen und vögeln. Dabei sind Frauen „Mangelware“. Also „heiß“ begehrt.

In seiner Begleitung befindet sich „Blood“. Ein struppiger alter Hund. Der aufgrund einer Mutation mit Vic zu kommunizieren versteht. Also mit ihm sprechen kann. Telepathie. So etwas. In DER Art. Und Blood hält nicht hinterm Berg, wenn es darum geht, Vic klarzumachen, was für eine verkommene menschliche Drecksau er ist. Aber man ist aufeinander angewiesen. Der Vierpfotige braucht Vic für das tägliche Futter, Vic dessen Können und Wissen aus seinen „Schnüffeleien“. Von wegen rechtzeitiger Gefahrenabwehr.

„Willst du nun endlich mal Vernunft annehmen?“, mahnt Blood ein ums andere Mal. Doch der Schwanz-gelenkte Vic ist nicht mehr aufzuhalten, als er (die durchaus „willige“) Quilla (SUSANNE BENTON) entdeckt. Doch sie erweist sich letztlich als Lockvogel. Für den geilen Vic, der in ihre unterirdische Welt gelockt wird, wo potente Boys dringend „benötigt“ werden. Also lässt er Blood zurück, um in die Falle zu tapern.

„Du bist ein Schlemihl, ganz ohne Frage“, meint der weise Hund einmal zu Vic. Der versteht natürlich nur Bahnhof und glaubt an eine Sauerei-Beleidigung seines intelligenteren Begleiters. Schlemihl, aus der ostjüdischen Kultur stammend, steht für den sprichwörtlichen Pechvogel oder Narren. Und solch eine Type ist gewiss dieser Jungspund, der nun „irritiert“ darüber ist, wie man ihn in dieser exotischen Neuauflage von Unter-Welt einzuspannen beabsichtigt. Ein KOMITEE, mit Anführer Lou (der bald darauf zweifache „Oscar“-Preisträger JASON ROBARDS/“Die Unbestechlichen“,1976; „Julia“,1977), hat hier das Sagen und Lenken. Mit Roboter-Helfern. Und bestimmt über Leben und Vernichtung. Während aus den Lautsprechern andauernde Moral-Berieselung tönt, wird Vic in Sachen „Vermehrung“ gewaltsam verpflichtet. Als Samenspender eingesetzt. Kann aber von der liebenden wie berechnenden Quilla befreit werden. Sie möchte fortan mit Vic zusammen sein. Aber da ist ja noch der Hund. Blood. Der treu auf Vic wartet. Und draußen am Verhungern ist. Die verführerische Frau oder der alte Hund, das ist hier die pointierte wie dann eindeutige Schluss-Frage.

Natürlich, es ist d a s „Happy End“ in der ironischen Filmgeschichte. Schon alleine deshalb gilt der Streifen unter coolen Fans als ein Meilenstein in der B-Movie-Filmgeschichte. Und taucht immer wieder unter den subjektiven 10er Besten-Listen aller Fiction-Zeiten auf. Aber, nicht nur wegen der im Gedächtnis haften bleibenden „unanständigen“ End-Rüpelei ist dieser schwarz-komische Radau-Alptraum der näheren Betrachtung und Neu-Bewertung wert:

Es ist eine „Nr. 6“-Welt, die L.Q. Jones hier im Verlaufe der Geschichte entwickelt. Zur Erinnerung: „Nummer 6“ (s. Heimkino-KRITIK) war in den Sechzigern eine überragende britische Serie mit sehr viel George Orwell-Geschmack („1984“). Das Endzeit-Ambiente drum herum soll übrigens den australischen Filmemacher George Miller 1979 für seinen „Mad Max“-Film inspiriert haben. Was hier atmosphärisch anklingt, durchaus nachvollziehbar ist.

DON JOHNSON, Jahrgang 1949, der – als James „Sonny“ Crockett – spätere „Miami Vice“-TV-Serien-Star und zuletzt in „Django Unchained“ von Quentin Tarantino als Ku-Klux-Clan-Anführer in Aktion, ist hier in seiner ersten größeren Rolle zu erleben, für die er 1975 mit dem „Saturn Award“ als „Bester Hauptdarsteller“ von der „Academy of Science Fiction, Fantasy & Horror Films“ ausgezeichnet wurde. Als rotziger Bubi Vic macht er seine Schmutz-Sache prächtig.

Der 2006 mit dem „Grand Master Award“ des US-Science Fiction-Autorenverbandes (SFWA) ausgestattete namhafte amerikanische Schriftsteller, Drehbuch-Autor und Kritiker HARLAN ELLISON, geboren 1934 in Cleveland, Ohio, lieferte mit seiner prämierten Kurzgeschichte aus dem Jahr 1969 die literarische Grundlage.

Drehbuch-Autor und Regisseur L.Q. JONES, Texaner des Jahrgangs 1927, ist ein Schauspieler, der hauptsächlich in TV-Western-Serien (wie „Cheyenne“; „Die Leute von der Shiloh Ranch“) auftrat und zum Stammpersonal in den Spielfilmen von Sam Peckinpah zählte („The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz“; „Abgerechnet wird zum Schluß“; „Pat Garrett jagt Billy the Kid“). Sein erster eigener Spielfilm von 1975 besitzt „Schmackes“ und setzt sich mit aller gebotenen Zeit-Zynik der US-Mitte Siebziger-Ära kritisch mit dem Thema des Zerfalls menschlicher Grundwerte auseinander. Dabei sind Ton und Bild grob, absurd, grotesk. Mit ironischen Brechungen durchsetzt. Und von surrealer Komik begleitet. Zeithistorisch interessant und aus heutiger Sicht – auch politisch – amüsant unkorrekt.

US-Star-Kritiker Roger Ebert bezeichnete den Film in der „Chicago Sun-Times“ vom 30. März 1976 als „weird“, also schräg und „offbeat“, also unkonventionell. Kollege Luke Y. Thompson lobte „A BOY AND HIS DOG“ in „New Times“ für das Konzept und das Ende des Films, das seiner Meinung nach „one of the all-time great movie endings“, also „eine der besten Film-Endsequenzen aller Zeiten“, darstelle.

Und The DOG (>>>lesen Sie das Wort mal von hinten nach vorn<<<), „Blood“: ganz klar, SO SEHEN SIEGER AUS!

B-Bravo: Eine Wucht von HEIMKINO-Entdeckung: „A BOY AND HIS DOG“ (= 4 PÖNIs).

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