WUNDER

PÖNIs: (4,5/5)

„WUNDER“ von Stephen Chbosky (Co-B + R; USA 2016; Co-B: Steve Conrad, Jack Thorne; nach dem gleichn. Roman von Raquel J. Palacio/2012; K: Don Burgess; M: Marcelo Zarvos; 113 Minuten; deutscher Kino-Start: 25.01.2018); neulich stand die Meldung im Raum, dass Menschen Politiker nach ihrem Aussehen wählen würden. Was für ein offensichtlich realer Nonsens! Passt durchaus in unsere dämliche Zeit, in der „ausstaffierte“ Menschen, oftmals auch „Models“ genannt, für viele bekloppte Bunte Schlagzeilen sorgen. August, genannt Auggie Pullman, kann davon nur träumen: „Ich werde nicht beschreiben, wie ich aussehe. Was immer ihr euch vorstellt – es ist schlimmer“, heißt es auf Seite 10 des Debüt-Romans der New Yorker Schriftstellerin Raquel J. Palacio, der zum weltweiten Bestseller wurde, hierzulande 2017 in der 10. Auflage herausgekommen ist und 2014 mit dem „Deutschen Jugendliteraturpreis“ ausgezeichnet wurde. Und so beginnt: „Ich weiß, dass ich kein normales, zehnjähriges Kind bin. Ich meine, klar, ich mache normale Sachen. Ich esse Eis. Ich fahre Fahrrad. Ich spiele Ball. Ich habe eine Xbox. Solche Sachen machen mich normal. Nehme ich an. Und ich fühle mich normal. Innerlich. Aber ich weiß, dass normale Kinder nicht andere normale Kinder dazu bringen, schreiend vom Spielplatz wegzulaufen. Ich weiß, normale Kinder werden nicht angestarrt, egal, wo sie hingehen“.

Der kleine Typ ist witzig. Clever. Gescheit. Und natürlich hochgradig sensibel. Er hat liebevolle und ebenfalls sehr humorvolle Eltern. Und eine fantastische große Schwester, die ihren kleinen Bruder abgöttisch liebt. Und bei jeder Attacke gegen ihn vehement einschreitet. Doch Auggie sieht nun mal nicht so aus wie andere: Ein Gendefekt hat sein Gesicht entstellt. Auggie hat viele Operationen überstehen müssen. Dann haben ihn seine Eltern erst einmal vor dem „Draußen“ bewahrt. Bisher wurde Auggie, der sich außerhalb der Wohnung am liebsten unter einem Astronautenhelm versteckt, zu Hause unterrichtet. Doch damit ist nun Schluss. Auggie soll nun eine reguläre Schule, eine normale Schulklasse, besuchen. Natürlich hat er Schiss, und wie. Doch nach anfänglicher Skepsis nimmt er all seinen Mut zusammen und beschließt, sich den neuen Herausforderungen zu stellen.

Abenteuer. Aber mehr mit dem Herzen als mit dem Körper. Ein bewunderungswürdiger kleiner-großer Boy (JACOB TREMBLAY) wagt den für ihn riesigen Schritt in die „normale Welt“ und hat vieles auszuhalten. Weiß aber durchaus geschickt und keineswegs tumb Mitleid-heischend mit seinen „Situationen“ umzugehen. Bringt andere dazu, nicht weiterhin dämlich zu sein und aggressiv zu reagieren, sondern nach und nach Verständnis aufzubringen. Für „So-Einen“ wie ihn. Der doch gar nicht so „schlimm“ ist, wie er ausschaut, wie man feststellt, sondern mit dem man durchaus genauso urige, komische Dinge anstellen kann wie mit anderen Gleichaltrigen auch.

Ich warne: „Wunder“ ist ein HERZENS-Film. Mit viel Bauch für den Kopf. Keine verzweifelten Eltern (JULIA ROBERTS/OWEN WILSON), sondern völlig im Gegenteil, verständnisvolle. Sie vergöttern ihren Auggie und zeigen und sagen ihm das ehrlich täglich. Keine genervte große Schwester Via (IZABELA VIDOVIC), die jammert, weil sie und ihre Probleme vergleichsweise „unbeobachtet“ bleiben. Kein Schul-Direktor, der von seinem neuen „Monster-Schüler“ und dessen Schwierigkeiten und mitunter handfesten Reaktionen genervt ist, sondern im Gegenteil, den Jungen liebend gerne unterstützt. „Wunder“, der Film, setzt voll auf die emotionale Spannung, listet dabei „Probleme“ keineswegs auf, deutet aber wunderschön wie beharrlich an, dass durchaus mehr gute Menschen existieren, als uns das Kino meistens vormacht.

Ein riesiger Wohlfühlfilm, in dem die erwachsenen Stars, „Oscar“-Lady Julia Roberts („Erin Brockovich“) und Blondschopf Owen Wilson („Die Hochzeits-Crasher“), ihre Stichwort-Parts akzeptieren, um begeisternd-talentiertem Nachwuchs die Rampe zu überlassen: JACOB TREMBLAY, Jahrgang 2006, lieferte vor zwei Jahren an der Seite von Brie Larson in dem Film „Raum“ (s. Kino-KRITIK) eine beängstigende Glanzpartie ab und war auch im Vorjahr in dem Thriller „The Book of Henry“ (s. Kino-KRITIK) beeindruckend. Hier nun, fast im filmischen Dauereinsatz, ist er überragend-tiefen-gründlich und völlig glaubhaft an Seele, Charakter und mimischer Körper-Bewegung. Was für eine herrlich-gescheite Performance! Und auch seine Filmschwester IZABELA VIDOVIC als Via setzt konzentrierte Akzente und sorgt für eine außerordentliche Anteilnahme.

„Ich finde, es sollte eine Regel geben, dass jeder Mensch auf der Welt wenigstens einmal in seinem Leben Standing Ovations bekommen muss“, sagt Auggie im Buch wie im Film. Für den mitreißenden JACOB TREMBLAY wird dies schon mit (jetzt) 11 Jahren Wahrheit: ganz großer Viel-Applaus für ein faszinierendes Multi-Talent (= 4 1/2 PÖNIs).

 

 

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