THE WRESTLER

PÖNIs: (4,5/5)

„THE WRESTLER“ von Darren Aronofsky (USA 2008; B: Robert D. Siegel; K: Maryse Alberti; M: Clint Mansell; 109 Minuten; deutscher Kino-Start: 26.02.2009); der am 12. Februar 1969 in Brooklyn/New York City geborene, also gerade 40 Jahre alt gewordene Filmemacher besuchte die Harvard Universität und studierte Anthropologie, Film und Animation. Nach dem erfolgreichen Studien-Abschluss studierte er beim American Film Institute weiter und erwarb 1994 dort den „Master of Fine Arts“ im Fach Regie. 1996 begann er mit der Konzeption für seinen ersten Spielfilm „Pi“, der auf dem Sundance-Festival von 1998 erstaufgeführt wurde und gleich den „Preis für die beste Regie“ bekam. Im Jahr 2000 folgte „Requiem for a Dream“, der mit größerem Budget realisierte 2. Spielfilm von Darren Aronofsky (besetzt mit u.a. Ellen Burstyn, Jared Leto und Jennifer Connelly). Er fand sowohl bei der Filmkritik wie auch in Cineastenkreisen (sehr) viel Beachtung, wurde heiß diskutiert und von 150 Magazinen (darunter „The New York Times“) in die Liste der „besten 10 Filme des Jahres“ gewählt. 2006 folgte das Science-Fiction-Liebes-Drama „The Fountain“ (mit Hugh Jackman + Rachel Weisz). Sein 4. Spielfilm ist wieder eine Independent-Produktion, die im Vorjahr mit einem Budget von rd. 7 Millionen Dollar an 35 Tagen in Philadelphia (und an verschiedenen Orten in New Jersey) realisiert wurde.

Die Welturaufführung fand am 5. September 2008 auf dem 65. Venedig-Festival statt, wo der Film mit dem Hauptreis, dem „GOLDENEN LÖWEN“, ausgezeichnet wurde. Am 11. Januar 2009 wurde Hauptdarsteller Mickey Rourke mit dem „Golden Globe“ als „Bester Hauptdarsteller in einem Drama“ bedacht. Zugleich erhielten Nebendarstellerin Marisa Tomei und Mickey Rourke für ihre darstellerischen Leistungen „Oscar“-Nominierungen. Am vergangenen Sonntag „unterlag“ der favorisierte Rourke in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ „Milk“-Darsteller Sean Penn sicherlich knapp. Nichtsdestotrotz geht der heute 56-jährige MICKEY ROURKE mit diesem Film in die Filmgeschichte ein. Denn selten gab es eine solch wuchtig-überzeugende Identität zwischen Figuren-Fiktion und Schauspieler-Wirklichkeit. Aber der Reihe nach: Wir befinden uns im Catcher-Milieu. Wo wir Randy „The Ram“ Robinson kennenlernen. Der war in den 80ern ein Star im amerikanischen Wrestling-Milieu. Der HERO, faszinierte die Massen, füllte die Hallen. Doch Randy hat ganz offensichtlich DEN ABSPRUNG verpasst. Denn noch immer steigt er Woche für Woche in den Ring, allerdings in jetzt bedeutend-kleineren Hallen, und duelliert sich mit ebenso gealterten Kämpfern von einst. Die vielen Jahre der fortwährenden Medikamenten-„Unterstützung“ haben bei Randy ihre schlimmen Spuren hinterlassen.

Im aufgedunsenen Gesicht sieht er aus, als wären darüber schon so einige Lastwagen darüber gefahren, und der Körper bedarf immer mehr Salben, Tabletten, Verbände. Ein humpelnder, abgewrackter Ex, dessen blondierte Lang-Haare sein Hörgerät nicht immer verdecken können. Doch auch die mies bezahlten Auftritte hinterlassen Spuren: Randy haust, mehr schlecht als recht, in einem schäbigen Wohnwagen. Allein. (Wenn er denn die Miete zahlen kann.) Also nimmt er Arbeiten als Lagerist in einem Supermarkt an. Die Abende verbringt er häufig in einem Strip-Club, wo er sich mit der Stripperin Cassidy (MARISA TOMEI) etwas angefreundet hat. Nach einem besonders spektakulären Hardcore-Wrestling-Kampf, in dem verschiedene „Waffen“ wie Reißzwecken, Stacheldraht und sogar ein Tacker zum Einsatz kamen, bricht er zusammen. Ein Herzinfarkt, offensichtlich auch durch die jahrelange Einnahme von Steroiden ausgelöst. Der Arzt signalisiert: Feierabend. Keine Kämpfe mehr, es besteht ansonsten Lebensgefahr. Cassidy überredet ihn, Kontakt zu seiner Tochter Stephanie (EVAN RACHEL WOOD) aufzunehmen, die er ewig nicht mehr gesehen hat. Nach anfänglichem Widerstand ist Stephanie bereit, sich mit bzw. auf ihn einzulassen, doch dann „vermasselt“ er auch DAS wieder. Also kehrt er dorthin zurück, wo er letztlich „Zuhause“ ist und „seine Familie“ findet: in den Ring. Zu den Fans. Es wird sein allerletzter Kampf.

Meine Güte, der Arbeiter-Sohn MICKEY ROURKE. Einst D E R aufblühende Jung-Star in Hollywood mit Filmen wie „Diner“; „Rumble Fish“ (von Francis Ford Coppola); „Barfly“ (als Bukowski-Poet, neben Faye Dunaway). Es folgten Hits wie „Im Jahr des Drachen“ von Michael Cimino (1985); der heiße Erotik-Tanz „9 ½ Wochen“ (mit Kim Basinger/1986) und der Thriller „Angel Heart“ (mit Robert De Niro/1987). Danach – der Absturz. Die permanente Selbstzerstörung. Beruflich wie privat. „Ich habe nur noch Scheiße gebaut“, resümiert Rourke heute. Tauchte ab und an in Nebenrollen oder in schlechten Filmen auf und machte sich auch mit 8 Kämpfen als Profi-Boxer von 1991 bis 1995 lächerlich. 2005 gelingt mit einer der Hauptrollen in der Comic-Verfilmung „Sin City“ von Robert Rodriguez das Comeback. Und jetzt hier, der ganz große Proll-Dampf: Mickey Rourke als Randy „The Ram“ sieht fürchterlich aus. Mitgenommen, gezeichnet, abgewrackt und dennoch – voller Ehrlichkeit und Würde. Als Randy „The Ram“ weiß er, wie es um ihn, die Seele, um seinen Körper und überhaupt um „die Dinge“ steht, und er bemüht sich auch noch einmal um Änderung, will Veränderungen. „Ich bin allein und verdiene das auch“, sagt er zu seiner Tochter. Randy macht sich nichts (mehr) vor und ist deshalb auch, wegen seiner offenen Gradlinigkeit und seiner häßlichen Direktkeit, bei den Wrestling-Kollegen anerkannt, respektiert, geschätzt. Doch den Eingang in das soziale Netz der Gesellschaft findet er nicht mehr; und auch die Beziehung zur (auch in die Jahre gekommenen) Stripperin Cassidy bleibt flüchtig. Also geht er wieder dorthin zurück, wo er seine Lebens-Triumphe feierte und Anerkennung fand: in den EWIGEN Ring.

Mickey Rourke spielt nicht nur Randy „The Ram“, Rourke IST auch dieser unansehnlich-faszinierende Typ himself. Man RIECHT ihn förmlich, atmet die schmerzhaften Bewegungen mit, fühlt mit dieser gepeinigten, aufrechten Gestalt, ist ebenso abgestoßen wie fasziniert von diesem einsamen Seelen-Monster. Rourke ist charismatisch, atmosphärisch, schäbig, plausibel, HERZlich; es ist eine geradezu bewundernswerte Performance der Subkultur. Elektrisierend, berührend, mitreißend. Und diese Parallelen zwischen Filmfigur und Ich sind unübersehbar, erwünscht, beeindruckend, packend. Wir erleben quasi einen Leinwand-Part als Therapie; die Gnade der späten Filmrolle, die Wiederbegegnung mit einem ganz und gar außergewöhnlichen, spannenden Charakter-Mimen und Entertainer. Mickey Rourke ist sensationell und absolut sehenswert. „The Wrestler“ zählt allein seinetwegen zu den definitiven Muss-Filmen in der Kino-Geschichte (= 4 ½ PÖNIs).

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