„WOLFSKINDER“ von Rick Ostermann (B + R; D 2012; K: Leah Striker; M: Christoph Kaiser, Julian Maas; 94 Minuten; Start D: 28.08.2014); der Krieg ist vorbei, das Weiterleben verheerend. Von einem bislang weitgehend unbekannt gebliebenen Folge-Ereignis nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt dieser Film, dessen Bewertung sich vor allem emotional, nämlich erschütternd, „ergibt“.
Sommer 1946. Sie gehören zu den schlimmsten Verlierern: Tausende elternlose Kinder kämpfen in den Wäldern Ostpreußens um ihr Überleben. Wie der 14jährige Hans (LEVIN LIAM) und sein kleiner Bruder Fritzchen (PATRICK LORENCZAT), denen die sterbende Mutter die Anweisung gegeben hat, sich nach Litauen durchzuschlagen, wo es Bauern geben soll, die deutsche Kinder bei sich aufnehmen. Hungrig, verängstigt und ratlos machen sich die Kinder auf den beschwerlichen Weg; gejagt durch störrische, unbarmherzige Einheimische sowie durch die sowjetische Besatzungsmacht. Unterwegs begegnen ihnen andere „Wolfskinder“, mit denen sie sich zusammentun. Was folgt, ist eine unvorstellbare Odyssee durch fremdes Gebiet. Als ewiger Kampf gegen Hunger, Wetter und Krankheiten. Und die Dauer-Angst.
Im Presseheft wird erklärt = Der Wolfskinder-Geschichtsverein definiert WOLFSKINDER als „anhanglose deutsche Kinder und Jugendliche, die nach 1945 dem drohenden Hungertod im nördlichen Ostpreußen zu entgehen versuchten, dabei in außerdeutsche Zusammenhänge gerieten und ihre Herkunft durch die Annahme einer neuen Identität zeitweise oder gar dauerhaft verschleiern mussten“. Der Begriff „Wolfskinder“ leitet sich von dem Ausdruck „Wolfsmenschen“ ab, der bereits 1945 in Königsberg auftaucht, um Menschen zu bezeichnen, die aufgrund der widrigen Kriegsumstände nur auf die Nahrungsaufnahme reduziert und „vertiert“ waren. =
Ein Film um Leid. Viel fürchterliches menschliches Leid. Entwickelt in dialogarmen Sequenzen und Motiv-Variationen zwischen Ruhe und Erbarmungslosigkeit. Die alleine für sich sprechen. Wenn die Kinder-Gesichter das Entsetzen, die Qualen einprägsam widerspiegeln. Auf dieser Flucht, auf der Dauer-Suche nach Nahrung, Wärme und Orientierung. Hier bietet das Kino keine Abenteuerstimmung, sondern blickt krass und (sehr) deutlich auf historisch belegte Fakten und schlimme Zustände. Deshalb ist es für mich auch Nebensache, wenn seine „Dramaturgie“ mitunter hakt oder hölzern wirkt:
Die Anteilnahme an diesem bisher unbekannten Stück deutscher Nachkriegsgeschichte sorgt für eine enorm betroffen machende Plausibilität. Als bedeutsame historische Information. Die alles wegzuwischen vermag, was „filmisch“ möglicherweise ungenügend ´rüberkommt. Der (zur Drehzeit) 34jährige Paderborner Drehbuch-Autor und Regisseur RICK OSTERMANN hat mit seinem Langfilm-Debüt einen starken Film geschaffen, dessen Parallelen zu heutigen Kriegswaisen auf der Welt unübersehbar wie unüberhörbar sind. Und die nächsten Nachrichten-Meldungen „anders“ betrachten lassen, wenn es wieder heißt, dass irgendwo Kinder in kriegerischen Regionen alleine umherirren oder irgendwo alleine „bei uns“ auftauchen. Ankommen. „Wolfskinder“ existieren weiterhin. Zuhauf. Gibt der aufwühlende Film deutbar mit.
„Wolfskinder“, der 2013 auf dem Venedig-Filmfestival seine Weltpremiere hatte und im Vorjahr mit dem „Friedenspreis des Deutschen Films – Die Brücke“ in München ausgezeichnet wurde, gehört unbedingt zu d e n Filmen, die nach der Kino-Auswertung im Rahmen des Schulkinos unbedingt angeboten werden sollten. Seine innere geschichtliche Wirkung ist immens (= 4 PÖNIs).