WIR WAREN KÖNIGE

„WIR WAREN KÖNIGE“ von Philipp Leinemann (B + R; D 2013; K: Christian Stangassinger; M: Sebastian Fillenberg; 107 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.11.2014); provozierend notiert: „sichere“, also förderungs-intensive Film-Themen hierzulande sind bekanntlich „Beziehung“, „Historie“ und Furz-Komödien. Dort tendiert „kulturelles“ wie politisches „Risiko“ gleich null.

Der 1979 in Braunschweig geborene und in München lebende Drehbuch-Autor und Regisseur PHILIPP LEINEMANN, der an der Hochschule für Fernsehen und Film in München Regie studierte und 2010 mit seinem Abschlussfilm „Transit“ imponierte („Produktionspreis“ auf dem Filmfest München), geht mit seinem zweiten Spielfilm andere thematische wie gedankliche Wege. Blickt auf „deutsche Wirklichkeit“ in einer namenlosen, aber durchaus identifizierbaren Trabantenstadt irgendwo in Deutschland (sagen wir mal Duisburg) von heute. Wo in einem „Problemviertel“ der Routine-Einsatz eines polizeilichen Sonderkommandos außer Kontrolle gerät. Bei dem Zugriff wird ein Beamter schwer verletzt; der gesuchte Haupttäter kann fliehen.

Dieser elendig schlichte, fade SEK-Raum. Im Polizeigebäude. Mit diesem „komischen“ Zettel an der kahlen Wand: „Wir sind das, was ihr am Computer spielt“. Es herrscht Unruhe im „Team“. Denn nicht nur die stete Zunahme der Brutalität bei dienstlichen Einsätzen nervt zunehmend, auch „von Oben“ kommt immenser Druck. Das Innenministerium will aus Kostengründen mehrere SEK-Einheiten auflösen. „Beobachtung“ ist angesagt. Als im Zuge weiterer Ermittlungen zwei Kollegen erschossen werden und eine Dienstwaffe „abhanden“ kommt, schlagen die internen, emotionalen Wellen hoch. Geraten bisweilen völlig außer Kontrolle.

Währenddessen hat ein 13-jähriger, Nasim (MOHAMED ISSA), die Waffe gefunden und (be-)nutzt sie für seine Zwecke. Der Junge leidet unter mangelnder Anerkennung, wird in dem Viertel, wo sich zwei Jugend-Gangs bekämpfen, ständig herumgeschupst. Schikaniert. Jetzt sieht er seine Chance gekommen, auf sich aufmerksam machen zu können. „Freundschaft“ einfordern zu können. Was fatale Folgen auslöst. Rundum.

Inzwischen existieren kaum noch Unterschiede. Die eine – „gute“ – Seite besitzt eine Dienstmarke, die andere ist bemüht, „plausible“ Gewalt auszuüben. Um eine Art „Herrschaft“ ausrufen zu können. WUT allerorten. Ebenso der völlige Verlust von Moral. Anstand. „Sitte“. Grenzüberschreitungen sind inzwischen längst „normal“. Testosteron dominiert. Die Formationen stehen sich hasserfüllt und brutal gegenüber. Und innerhalb der Polizei stellt sich immer mehr die Frage, wo hört Zusammenarbeit, Miteinander und Freundschaft auf und beginnt Kadavergehorsam. Chorgeist. Der auch Korruption, eigene Machenschaften und illegale Handlungen akzeptiert. Es ist ein Teufelskreis. In dem nun „geeignete Sündenböcke“ gesucht werden. Während Einige ob der Auswüchse verzweifeln.

Philipp Leinemann hat einen erstaunlich packenden, verstörenden Thriller gedreht. Mit aktuellem, authentischem Geschmack. Hier wie dort „überforderte“ Menschen. Typen. Täter, die in eine verheerende Sackgasse geraten. Egal, ob amtlich autorisiert oder als Imponiergehabe innerhalb einer Straßen-Clique. Und mittendrin ein verstörter 13-jähriger mit kindlicher, sau-gefährlicher krimineller Energie.

Das Ensemble funktioniert. Beeindruckend. Mitunter unübersichtlich in der Figuren-Skala, aber mit deutlicher Präsenz und barschem Ton: Recht und Gesetz verwickeln sich immer mehr undemokratisch. Wenn „Ordnung“ hergestellt werden soll. Bekannte Gesichter wie die von RONALD ZEHRFELD („Barbara“), THOMAS THIEME („Das Leben der Anderen“), FREDERICK LAU („Neue Vahr Süd“) oder BERNHARD SCHÜTZ („Das System“) sind die Aushänge“schilder“ in einem erstaunlich konsequenten, sehr dichten und außerordentlich spannend-fiebrigen neuen deutschen Polizei-Thriller (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: