PÖNIs: (5/5)
„WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN“ von Marcus H. Rosenmüller und Santiago López Jover (Ö/D 2013 – 2020; B: Martin Ambrosch; Produktion: Josef Aichholzer; Ernst Geyer; Schnitt: Philipp Bittner; M: Gerd Baumann; 85 Minuten; Animation; deutscher Kino-Start: 7.7.2022);„Karikatur ohne Bissigkeit, Drastik, Schärfe ergibt für mich keinen Sinn. Man hat mir oft Geschmacklosigkeit und Brutalhumor vorgeworfen. Wer denn, wenn nicht Satiriker, soll die Dinge beim Namen nennen?“ (Manfred Deix). Der Zeichner Manfred Deix provozierte, schockierte und rüttelte an gesellschaftlichen Tabus wie selten zuvor ein österreichischer Künstler. Am 25. Juni 2016 verstarb er nach schwerer Krankheit im Alter von 67 Jahren. Seine Frau Marietta und seine 23 Katzen waren bis zuletzt bei ihm. MANFRED DEIX wurde am 22. Februar 1949 geboren und ist in St. Pölten und in Böheimkirchen aufgewachsen. Er studierte bereits in frühen Jahren das Milieu der Bauern und Arbeiter, die zu den Gästen des Wirtshauses seiner Eltern zählten, und fertigte erste Karikaturen an: „Schon als Zwölfjähriger hatte ich das Privileg, als Schankbursche im elterlichen Gasthaus die Menschen wirklich hautnah erleben zu können. Es waren überwiegend die sogenannten ‚kleinen Leute‘, die bei uns zu Gast waren. Da standen sie also meist im Arbeitsgewand an der Budel und tranken ihre Gspritzten, Seidel oder Viertel, unterhielten sich über alles Mögliche von der Politik über die Arbeit bis zu den Frauen, erzählten sich herbe Männerwitze, lachten oder stritten sich über Belangloses und ahnten natürlich nicht, dass sie vom hellwachen Buben hinter der Theke gnadenlos ausgehorcht und beobachtet wurden. … Aus ihnen habe ich die mittlerweile bekannten ‚Deixfiguren‘ geformt und ihnen zu fragwürdiger Berühmtheit verholfen. Strafe muss sein“ (Manfred Deix).
Marcus H. Rosenmüller, bekannt zum Beispiel mit seinen „besonderen Heimatfilmen“ wie „Wer früher stirbt ist länger tot“ (Deutscher Filmpreis 2006/rd. 1,8 Millionen Besucher) oder „Schwere Jungs“ (2007/s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs), inszenierte zusammen mit Santiago López Jover seinen ersten Animationsfilm. Thema: Vom gepeinigten Leben und kessen Aufwachen eines Jungen in der österreichischen Provinz in den 1960er Jahren, basierend auf dem Figurenkosmos des Karikaturisten, Grafiker und Cartoonisten Manfred Deix. Mit frechem Humor und politischer Brisanz erzählt dieser beeindruckend angriffslustige Film vom speziellen Mut, gesellschaftliche Wertesysteme zu hinterfragen und Träume eines couragierten Bub ins Leben zu beordern. Manfred Deix hat das Drehbuch noch zu Lebzeiten abgenommen und als Art Director am Film mitgewirkt: Ein pfiffiger, aufmüpfig-denkender, durchtrieben-handelnder ROTZBUB. Titel = „WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN“ von MARCUS H. ROSENMÜLLER und SANTIAGO LÓPEZ JOVER (Österreich/D 2013 – 2020; B: Martin Ambrosch; Produktion: Josef Aichholzer; Ernst Geyer; Schnitt: Philipp Bittner; M: Gerd Baumann; 85 Minuten; tiefschwarze ANIMATION; deutscher Kino-Start: 7.7.2022). Motto: Heimatfilm-Courage. Die Örtlichkeit: 1967, in der ultrakonservativen Kleinstadt Siegheilkirchen im Hinterland der jungen Zweiten Republik Österreich. Wo die Ewiggestrigen, die hier hausen, größtenteils fettleibig und eingefleischte Nazis sind. Der Gendarm erledigt seinen Dienst meist besoffen, der Pfarrer ist ein gewalttätiger Tyrann und Friseur Kurz könnte sich durchaus vorstellen, der nächsten Führer zu sein. Mittendrin der „Rotzbub“ (Stimme: Markus Freistätter), der mit der spießigen Enge seiner Heimat so seine „Schwierigkeiten“/Probleme hat. Allerdings – sein außergewöhnliches Zeichentalent verschafft nicht nur seinem eigenen Unmut ein „dolles“ Ventil. Denn damit unterhält er auch seine Mitschüler, verschafft den lächerlichen Obrigkeiten viel schamloses Gelächter und rettet auch seine Angebetete, die schöne Mariolina, vor den bösartigen Nachstellungen einiger üblen Vorgestern-Denker. Natürlich: Hier wird – buchstäblich – viel Dreck, und dann sogar Scheiße hin- und her-befördert. „WILLKOMMEN IN SIEGHEILKIRCHEN“ ist ein mutiger, konsequenter Schmutzfilm (= 5 PÖNIs). P.S.: Gerade wurde der Streifen beim Österreichischen Filmpreis geehrt, und zwar mit dem Preis in der Kategorie „Publikumsstärkster Kinofilm“. Damit wurde jene einheimische Filmproduktion ausgezeichnet, für die die meisten Kinotickets verkauft wurden. Der Beobachtungszeitraum war vom 14.6.2021 bis zum 12.6.2022!