„WHO KILLED MARILYN?“ von Gérald Hustache-Mathieu (Co-B+R; Fr 2011; 102 Minuten; Start D: 02.08.2012); hier ist es definitiv saukalt – in Mouthe, in der französischen Provinz. An der Schweizer Grenze. Für Zugereiste ist er wahrscheinlich der gefühlte kälteste Ort überhaupt. Daran vermag auch der von hier stammende berühmte Käse nicht viel zu ändern. Es schneit also wieder einmal. Hier. Heftig. Die tiefe weiße Landschaft. Prächtig wie atmosphärisch. Anzuschauen. Und ausgerechnet „solch eine Kälte-Szene“ unterlegt der (bei uns unbekannte) Regisseur mit dem soften Sonnen-Song „California Dreamin“, im November 1965 von „The Mama & The Papas“ erstmals veröffentlicht, lt. dem Magazin „Rolling Stone“ die Nr.89 in der Liste der 500 weltbesten Songs aller Zeiten und hier emotional gänsehaut-treibend interpretiert von JOSÉ FELICIANO (war 1968 die B-Seite seiner Hit-Single „Light My Fire“). Das funkt.
David Rousseau (JEAN-PAUL ROUVE) ist ein bekannter Krimi-Autor, der unter einer Schreibblockade leidet. Da ist es ganz gut, dass er „mal ´rauskann“. In die Provinz. Sprich, nach Mouthe. Wo ihn eine Erbschaft seines verstorbenen Onkels erwartet. In Gestalt eines ausgestopften Hundes. David ist frustriert. Und fast schon auf dem Rückweg von diesem trostlosen Ort, als er über Candice Lecoeur (SOPHIE QUINTON) – quasi – stolpert. Candice war hier die voll-blonde Dorfschönheit. Und DER Käse-Werbe-Star. Sowie die Wetterfee beim regionalen TV-Sender. Mit Marilyn Monroe-Appeal. Und ist jetzt tot. Begraben unter dem Schnee. Mit einer Pillendose in der Hand. Suizid. Kein Fremdverschulden, lautet der Befund des Oberpolizisten. Doch David „riecht ´was“. Wittert eine Geschichte. Einen geheimnisvollen Kriminalfall. Bleibt hier, im Hotel „Zur Flocke“, mit seiner lippenroten willigen Jungwirtin, und fängt an zu recherchieren. Was natürlich nicht auf allseitige Freude stößt. Aber David bleibt dran. Begibt sich auf die Spuren dieser jungen blonden Frau, deren Leben nicht nur äußerlich „so ähnlich“ wie das von Marilyn Monroe verlief. Kommt dabei dieser attraktiven Toten „ziemlich nah“. Und ihrer „unordentlichen“ Lebensgeschichte. Mit Pseudonym und örtlichen Machenschaften. Liebschaften. Bis in die hohe Regionalpolitik hinein. Stößt auf Parallelen zwischen dem Leben (und Sterben) des Hollywoodstars und dieser Candice. War Marilyn vielleicht weit mehr als nur ein Vorbild der hiesigen Blondine?
„Poupoupidou“, Originaltitel, ist einer jener kleinen feinen Film-Entdeckungen, auch „Sleeper“ genannt, die immer mal wieder „unangemeldet“ leise auftauchen. Und die einen so wunderbar zu becircen vermögen. Wie hier: Mit seinem dritten Spielfilm hat der 43jährige Drehbuch-Autor und Regisseur Gérald Hustache-Mathieu eine originelle, lakonische wie schwarzwitzige Thriller-Komödie geschaffen. Die lustvoll-cineastisch etwa an den Düster-Jux „Fargo“ der Coen-Brüder oder auch an den mysteriösen „Twin Peaks“-Charme eines David Lynch erinnert. Ernsthaft ironisch von Intrigen, Lügen und Verdächtigungen erzählt, dabei sich stets aber auch in einer Schmunzel-Distanz bewegt. In der die Verstorbene das „komische“ Treiben des angepieksten Krimi-Fachmanns (aus dem Off-Jenseits) süffisant kommentiert: „Ich musste warten bis ich tot bin, bis sich ein anständiger Karl für mich interessiert“.
Marilyn Monroes Todestag jährt sich am 5.August 2012 zum fünfzigsten Mal. Doch Norma Jeane Baker ist – filmisch – einfach nicht „totzukriegen“. Neulich erst, in „My Week with Marilyn“ (s. KRITIK), gab es respektablen Erinnerungsbeifall, jetzt steht die Ikone mit dem Blondinen-Mythos, „unverschuldet“, schon wieder im Blick- und Mittelpunkt eines neuen Films. Von der 35jährigen SOPHIE QUINTON sympathisch unangestrengt in neurotische Pose(n) gebracht. Während JEAN-PAUL ROUVE, bekannt als Gérard Depardieu-Partner in „Zwei ungleiche Freunde“ (2005), den „unauffälligen“ wie hartnäckigen Provinz-„Maigret“ mimt. Ohne Pfeife, dafür mit bärbeißiger Junior-Energie. Wie eine Kaurismäki-Anti-Figur: Als spannender Unheld. Inmitten einem dann auch musikalisch ulkigen „I Wanna Be Loved By You“-Musikmix. „Poupoudidou“ / Who killed Marilyn?“ lässt das Arthouse-Kino prima blühen (= 4 PÖNIs).