„WELCOME TO KARASTAN“ von Ben Hopkins (Co-B + R; D/GB/Georgien 2014; Co-B: Pawel Pawlikowski; K: Jörg Gruber; M: Andreas Lucas; 96 Minuten; Start D: 21.05.2015); der interessante Typ besitzt einen spannenden Lebenslauf – BEN HOPKINS: 1969 geboren in Hongkong, aufgewachsenen in London, Studium in Oxford (Germanistik + Italianistik), Filmregie-Studium in London. Kurzfilme. 1999 wird auf der Berlinale sein erster Langfilm „Die neun Leben des Tomas Katz“ vorgestellt, für den er später den Preis für die „Vielversprechendste Nachwuchsleistung“ erhält („Evening Standard British Film Award“). Nach dem Dokumentarfilm „Footprints“ (2003) über die Auswirkungen der Landminen in Afghanistan, schuf er „37 Arten ein Schaf zu nutzen“, ebenfalls ein Dokumentarfilm, der u.a. mit dem „Caligari Filmpreis“ im Forum der Berlinale 2006 prämiert und für den „Europäischen Filmpreis“ nominiert wurde. Die Tragikomödie Pazar – Der Markt“ entstand 2007 in der Ost-Türkei und wurde auf verschiedenen internationalen Festivals prämiert. BEN HOPKINS lebt in Berlin und Istanbul und spricht fünf Sprachen: Englisch, Deutsch, Italienisch, Türkisch und Französisch.
Ein aktiver Bummler zwischen den Welten. Dessen neuester (dritter) Spielfilm überwiegend in Georgien entstand. Das Drehbuch schrieb Ben Hopkins zusammen mit PAWEL PAWLIKOWSKI, dessen eigener Film „Ida“ in diesem Frühjahr mit dem Auslands-„Oscar“ bedacht wurde. Thema: Der Abgesang. Des Kinos. Und eines seiner Vertreter. Er heißt Emil Forester (MATTHEW MacFAYDEN), ist ein Londoner Filmregisseur und hat mal einen Kurzfilm-„Oscar“ gewonnen. Seit geraumer Zeit gibt er sich seiner Schreibblockaden-Melancholie hin. Da kommt dieses Angebot aus dem (fiktiven) Kaukasus-Staat Karastan gerade recht. Dieser neue „frische“ Staat, gerade gegründet, setzt auf „Kultur“. Der dortige Diktator, ein gebildeter wie mörderischer britisch-stämmiger Presidente-Tyrann namens Abashiliev (RICHARD VAN WEYDEN), beauftragt den Etwas-Durch-Den-Wind-Intellektuellen, ein grandioses, opulentes National-Epos zu schaffen. Mit einem „Helden der Historie“ in der Hauptrolle. Mit wilden, patriotisch-heroischen Schlachtgemälden, tausenden von Statisten (= in Wirklichkeit werden es vielleicht 35) und einem (versoffenen, paranoiden) Hollywood-Star namens Xan Butler (NOAH TAYLOR) in der Helden-Pose. Geld spielt keine Rolle. Emil kann aus dem Vollen schöpfen. Macht sich ans komplizierte Werk. Ignoriert weitgehend die katastrophalen Zustände hier, die Armut und totalitäre Unterdrückung, den vielen Zerfall sowie die Widerständler in den Bergen. Verknallt sich lieber in diese verführerische Assistentin Chulpan (MYANNA BURING/sieht aus wie eine gekaufte Lady aus der Fielmann-Werbung), die aber offensichtlich mit Imperator Presidente verbandelt ist. Ein emotionales wie verstörtes Kuddelmuddel, von dem sich der naive Engländer immer wieder etwas erholt, wenn er mit seiner griechischen Zugehfrau Zuhause telefoniert, die sich um seine Wohnung und (vor allem) um den geliebten Hund kümmert. Irgendwann explodiert das Geschehen, das Kino wird zur Realität.
„Lost in Karastan“, so der Originaltitel, lebt von parodistischem Quatsch. Ein grundgütiger, aber ziemlich „kirre“ auftretender West-Europäer und Filmemacher in der Krise möchte unbedingt und endlich wieder arbeiten. Können. Akzeptiert widrige Umstände und politische Mißstände, um sich „überlegen“ ans neue Werk zu machen. Der Künstler benetzt sich nur mit seiner Kunst. Nimmt ländliche Widersprüche wahr, aber nicht auf. Sondern hin. Schert sich kaum um den schlimmen Dreck um ihn herum und will nur wieder in Sachen Film, also Selbstverwirklichung, mitmischen. Wird zum käuflichen Handlanger. Bis die Dinge vollends aus dem Ruder laufen….
„Borat“ war vorgestern. Und weitaus radikaler. „Welcome To Karastan“ blickt softig auf die kaputte „Beziehung“ zwischen Kultur und Politik. In der Region „Am Arsch der Welt“. Ben Hopkins, Erfahrener in Sachen Internationale Festivals, spottet mit absurden Erinnerungen. Über die Mechanismen derartiger grotesker Veranstaltungen. Um sich zugleich mit seinen erbärmlichen osteuropäischen Milieu- und Zustandsbeschreibungen aufs nicht immer schwarzkomische Glatteis zu begeben. In der lächerlich überzogenen Klischee-Beschreibung von „Volk“ und Uniformhülsen. Von kaputten Gegenden, den Ruinen-Häusern, der ständig anwesenden Unterdrückungsangst, der allgemeinen Korruption, den Ausbeutungs-Mechanismen. Den vielen falschen Zungen. Hierbei fehlen ironische Kraft und groteske Wut. Stattdessen läppert das Geschehen „freundlich“ in Richtung zurück. Ins britische Ziel. Wo „El Presidente“ auftaucht und auch schon wieder „regiert“. Mitmischt. Dominiert. In der Oben-Gesellschaft.
„Welcome To Karastan“, der neue Film von Multi-Talent Ben Hopkins, ist ein – sagen wir mal – interessanter Komödien-Bastard (= 2 ½ PÖNIs).