WAS KOSTET DIE WELT

„WAS KOSTET DIE WELT“ von Bettina Borgfeld (B + Konzept + Co-K + R; 2014-2018; Co-K: Marcus Winterbauer, Börres Weiffenbach; M: Daniel Sus, Peter Gabriel Byrne; 91 Minuten; deutscher Kino-Start: 16.05.2019); ein deutscher Dokumentarfilm, der mit einem aktuellen Thema zur rechten Zeit (kurz vor den 9. EU-Wahlen) daherkommt und sich als MUSS-Informations-Beispiel über eine typische Schäbigkeit unseres gegenwärtigen Lebens betrachten und kommentieren lässt. Thema: Der Kapitalismus befindet sich in vollem Kampf-Gange. Wo REICH – wegen der unendlich vielen Kohle – sich alles leisten zu dürfen glaubt. Und, vergleichsweise, ARM sich alles gefallen lassen soll. Sich unterordnen soll. Ohne aufzumucken. Zwar ist die direkte Gewalt dank unserer demokratischen Spielregeln – eigentlich – abgeschafft, aber wie sich hier REICH und Adlaten aufführen, tückische Anwälte inbegriffen, entspricht dies eher – innerhalb eines demokratischen Gemeinwesens – längst vergangen geglaubten Spielregeln; kommt dies heute einem eher feudalistischen, diktatorischen System nahe.

„WAS KOSTET DIE WELT“ macht Staunen, mitunter sprachlos, vor WUT. Betroffenheit. Anteilnahme. Mitteilungsdrang. Der gegenwärtige im politischen (Straßen-)Berlin laut klingende – mehr fiktive – Begriff ENTEIGNEN bekommt nach der Betrachtung dieses Films mehr und mehr fundamentalen Charme.

Sie heißen: David und Frederick Barclay. Sind lt. „Times“-Liste der reichsten Briten die Nummer 40 auf der Welt. Sie sind öffentlichkeitsscheu und von erheblicher offizieller Mitteilungsarmut. Dafür lassen sie umso mehr ihre rechtlichen und privaten Vertreter kommunizieren. Und handeln. Vor Ort. Aber der Reihe nach. Sir David Rowat Barclay und Sir Frederick Hugh Barclay. Zwillinge. Geboren am 27. Oktober 1934. In Hammersmith, Grafschaft London. Sie wurden reich. SEHR reich. Und SEHR-SEHR gierig. Und dabei außer-ordentlich arrogant.

Wir blicken auf das Eiland SARK. Eine kleine Ärmelkanal-Insel. Die weder zu Großbritannien noch zur EU gehört. Sark ist Eigentum der britischen Krone und letzte Erholungsoase Europas. Hier existieren steile Klippen, satte grüne Auen, Schafherden, niedrige Wohnhäuser, umgeben von herrlichen pflanzenbewachsenen Steinmauern. Auf Sark leben etwa 600 Bewohner, die sich weitgehend autonom organisieren. Über ein eigenes Parlament. Man gab sich eigene Regeln und Gesetze, die das gemeinschaftliche friedliche Zusammenleben regeln. RegeltEN. Denn das einstige friedliche Insel-Leben ist dahin. Wurde – und wird – durch die beiden milliardenschweren Brüder Barclay immens gestört. Wie es immer so ist, wenn DIE, die sowieso schon viel (zu viel) haben, NOCH MEHR WOLLEN. Nicht aufhören können, sich noch mehr raffgierig anzueignen. Von wegen MEHR-Wert. HABEN MÜSSEN. Seit 2009 wurden durch gewitzte Rechtsver… äh Anwälte Schlupflöcher im Rechtssystem von Sark auserkoren. Stück für Stück kauften die Barclays die Insel auf, um diese zum „Rückzugsort“ von Finanzmitteln, also unerreichbaren, undurchsichtigen Geldquellen, Transaktionen, zu festigen. Sehr zum Leidwesen der Anwohner, die sich plötzlich Macht-Attacken ausgesetzt sahen. Allerdings – wie sich schon einst die tapferen Gallier um Asterix und Obelix im Jahre 50 v. Chr. den machtbesessenen Römern widersetzten, so begannen auch die Anwohner: sich zu informieren. Zu widersetzen. Schließlich: zu handeln. Und als es sogar zu Wahlen kam, erlitt der örtliche Barclay-Vertreter – trotz vielem Geldwedeln – eine Abfuhr. Was die Brüder Barclay kurz fassungslos werden ließ. Und: empört wie wütend.

Kommentiert wird diese großartig informierende Dokumentation und für das 21. Jahrhundert eigentlich für unmöglich gehaltene Demokratie-Geschichte von der Autorin, Kamera-Frau und Regisseurin BETTINA BORGFELD. Jahrgang 1964, geboren in Bad Homburg vor der Höhe. Seit 1995 ist sie als Kamerafrau tätig (u.a. für die Agentur „Reuters“); seit 2004 ist sie mit eigenen Reportagen und Dokumentationen unterwegs. Ihre lange Reportage „Schußwechsel“, die sie 2004 zusammen mit Sacha Mirzoeff für die WDR-TV-Reihe „die story“ schuf – Thema: israelische und palästinensische Kriegsfotografen in Jerusalem -, wurde mit dem „Deutschen Fernsehpreis“ und dem „Deutschen Menschenrechtspreis“ ausgezeichnet. Ihr Kinodebüt gab Bettina Borgfeld 2011 mit dem Dokumentarfilm „Raising Resistance“, den sie zusammen mit dem Schweizer Filmemacher David Bernet schuf: über die Probleme von Bauern in Entwicklungsländern, wo landwirtschaftliche Großkonzerne aggressiv den Einsatz der Gentechnologie forcieren. „Raising Resistance“ wurde auf internationalen Festivals vielfach ausgezeichnet.

2014 begann Bettina Borgfeld mit den Dreharbeiten zu „WAS KOSTET DIE WELT“. Herausgekommen ist ein beeindruckendes, gar spannendes Dokument über die Machenschaften von Sir-Geldhaien, die glauben, und oft bestätigt bekommen, mit ihrem vielen Kapital alles „herbeiführen“ zu können, was sie sich wünschen. Vorstellen.  „WAS KOSTET DIE WELT“ ist aber keine Happy End-Fröhlichkeit im Sinne von Davids gegen Goliaths geworden, sondern ein mit vielen schlimmen – und auch privat bestürzenden – Ereignissen und erheblich schmerzhaften Folgeschäden versehener Blick bzw. Einblick auf das schäbige Ungleichgewicht in unserer „freien“ Welt. Die solch unmoralisch menschliche Peinlichkeiten wie die Barclays gebiert. Und (allzu) oft machen lässt. Ganz in unserer (Europa-)Nähe (= 5 PÖNIs).

 

 

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