„WALDHEIMS WALZER“ von Ruth Beckermann (B + Produktion + R; Ö 2017; Montage: Dieter Pichler; Bildbearbeitung: Kurt Hennrich; 94 Minuten; deutscher Kino-Start: 04.10.2018); ist ein Dokumentarfilm, der wie die berühmte Faust aufs Auge zeitgenössisch aber so etwas von „passt“.
„Man kann alle Leute eine Zeit lang an der Nase herumführen und einige Leute die ganze Zeit, aber nicht alle Leute die ganze Zeit“ (Abraham Lincoln), wird eingangs zitiert.
1986. Auf den Straßen Wiens. „Waldheim nein, Waldheim nein!“ skandiert eine Menschenmenge. Die österreichische Filmemacherin RUTH BECKERMANN, Jahrgang 1952, ist eine der Aktivistinnen. Mit Kamera und Mikrofon ist sie mit-dabei, um die Wahl von Kurt Waldheim, der vom 22. Dezember 1971 bis Dezember 1981 Generalsekretär der UNO war, zum nächsten Bundespräsidenten zu verhindern. Was nicht gelang; Waldheim wurde von 1986 bis 1992 zum politischen Oberhaupt Österreichs gewählt. Dabei war inzwischen durch investigative internationale Journalisten, darunter Rechercheure des „Spiegel“, und über Ermittlungen des Jüdischen Weltkongresses in New York nachgewiesen worden, dass der als Weltbürger, Gutmensch und Familienvater auftretende Kurt Waldheim (1918 – 2007) von 1942 bis 1944 Offizier der Wehrmacht und Mitglied der SA war und von Folter, Deportierungen und anderen Kriegsverbrechen wusste. Dies aber stets verschwiegen hatte und nach Offenlegen der Archiv-Unterlagen als Beweismittel trotzdem vehement leugnete.
Ruth Beckermann hatte die ersten Bilder ihres Films bereits 2016 bei der „Diagonale“ in Graz vorgestellt, damals wollte sie den Film noch „Waldheim oder The Art of Forgetting“ nennen. Damals sagte sie: „Als Figur ist Waldheim ziemlich uninteressant… Weder war er ein wirklicher Nazi, noch war er ein Kriegsverbrecher, mehr so ein Prototyp des feigen österreichischen Beamten“.
Heute MUSSTE sie diesen Film, der bei der diesjährigen Berlinale innerhalb der Sektion „Forum“ erstmals vorgestellt wurde, fertigstellen. Ihre Motivation: „Als ich das Material, das ich vor 30 Jahren bei Demonstrationen gegen Waldheim gedreht hatte, wieder sah, war ich schockiert. Hatte ich vergessen, wie leicht Emotionen gegen andere geschürt und von populistischen Politikern benutzt werden können? In meinem Film versuche ich zu analysieren, was damals los war. UND WAS UNS HEUTE LEIDER BEKANNT VORKOMMT, WENN WIR AN TRUMP, KURZ/STRACHE UND ANDERE MEISTER DER „ALTERNATIVEN FAKTEN“ UND DES POPULISMUS DENKEN“. (Sebastian Kurz/ÖVP/Bundeskanzler der Republik Österreich/Heinz-Christian Strache/FPÖ/Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport in Österreich).
Österreich und seine langsame, späte „braune“ Aufarbeitung in Sachen Gesellschaft, Historie und Politik. Ruth Beckermann, die die Bilder zeitweise kommentiert, lässt den „geschickten Diplomaten“ Waldheim ausführlich und damit demaskierend oft zu Wort kommen; wie er sich verbiegt, wie er lügt, aufgebracht zurück-attackiert und dabei so eklig-schleimig verbal „tänzelt“, ebenso wie seine treuen gläubigen und durch nichts zu erschütternden Anhänger und Begleiter, also Wähler: „Der ist kein Teufel. Der ist katholisch“.
Ein bedeutsames, ein aufschlussreiches, ein spannendes dokumentarisches Informationswerk, das – derzeit auch bei und für uns – hochaktuell ist und unbedingt im hiesigen „Kino für Schulen“-Programm Aufnahme finden sollte (= 4 1/2 PÖNIs).