Die Wache

Sowjetische Filme stehen derzeit auf der ganzen Cineasten-Welt hoch im Kurs. Und zu Recht, wenn man an so hervorragende Arbeiten wie neulich “Die Fontäne“ oder kürzlich “Freiheit ist ein Paradies“ denkt. Jetzt kommt schon wieder ein sowjetisches Meisterwerk ins Kino: „DIE WACHE“ von Aleksander Rogoschkin (Sowjetunion 1990; 96 Minuten; Start D: 1990). Es war diesjähriger Berlinale-Wettbewerbsbeitrag und erhielt den “Silbernen Bären“.

“Die Wache“ spielt in einem Zug, einem Gefängniszug. Dort hausen zwei ‘Schichten‘ von Menschen. Die hinter den Gittern, in den engen Abteilen, und die davor, die Aufpasser, die Wachmannschaft. Den Film interessiert nicht die Schicksale der Inhaftierten, sondern das Treiben der Uniformierten. Unter ihnen herrscht eine strenge, feindselige Hierarchie. Frust und Aggressionen werden jeweils “nach unten“ weitergegeben. Und wenn es amtsmäßig nicht weiter “runter“ geht, muss der Letzte alles erdulden. Schikane, Prügel, physischen und seelischen Schmutz und Schmerz. Ein Neuer wird mit barbarischer Grausamkeit gequält. Alkohol, Drogen, Prostitution verbreiten sich. Der Oberst flüchtet sich verantwortungslos hin zu Mozart und Tagebuch-Poesie. Als die Quälereien und Erniedrigungen für den Neuen unerträglich werden, kommt es zu einer Verzweiflungstat, die niemand überlebt.

“Die Wache“ ist der bislang härteste und konsequenteste sowjetische ‘Glasnost‘-Film. Eine bitterböse Parabel auf das Land und seine heruntergekommenen Zustände, in dem alle eingesperrt sind und in dem es die Herrschenden am Schlimmsten treiben. Kultur, Zivilisation, Würde und Menschlichkeit sind ausgerottet, es dominieren nur noch Hass, Gleichgültigkeit und die Gewalt des Stärkeren. Regisseur Rogoschkin, Jahrgang 49, führt dies erbarmungslos und bis an die Schmerzgrenze und Erträglichkeit vor. Mit Handkamera und vorzüglichen Mitwirkenden. Dabei sieht sich “Die Wache“ oft wie ein “film noir“-Stück an, das die schlimmen Fiktionen eines George Orwell längst überholt hat. Wieder ein sowjetischer Volltreffer: “Die Wache“ (= 4 ½ PÖNIs).

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