Man sollte sich das SO vorstellen – in der Chefetage der deutschen Politik gibt es, sagen wir mal, ziemlich eklige Seilschaften. Unter (An-)Führung des Bundeskanzlers. DER hat zweifelhafte, also nicht den geltenden Regeln entsprechende politische Macht-Handlungen vorgenommen und bemüht sich nun, diese mit seinen Getreuen zu vertuschen. Hinter den Kulissen. Mit ALLEN Mitteln. Natürlich. Ein loyaler langjähriger Mittarbeiter aus dem Geheimdienst kommt dahinter und will nicht unmoralisch „mitspielen“. Besitzt eine Akte, die alles beinhaltet.
„Page Eight“, also „Seite 8“, heißt ein neuer britischer TV-Film mit Kino-Qualität. Produziert vom öffentlich-rechtlichen Sender BBC. In dem es genau um ein SOLCHES Thema geht: „Oben“ wird ganz großer Mist gemacht und vertuscht, doch nicht alle wollen dies gut heißen. Was hierzulande als spannendes Polit-Filmthema sowohl im Fernsehen wie vor allem auch im Kino unmöglich wäre, mit einem Bundeskanzler als ekligem Strippenzieher der Macht, kommt beim europäischen Nachbarn als Spielfilm selbstverständlich daher. Jetzt in
„DIE VERSCHWÖRUNG“ von David Hare (B+R; GB 2011; K: Martin Ruhe; M: Paul Englishby; 103 Minuten; Veröffentlichung: 22.02.2013).
Natürlich – an ein solch brisantes Thema gehören Spitzenprofis ‚ran. DAVID HARE, geboren am 5. Juni 1947 in Sussex, zählt zu den besten britischen Dramatikern. DER seit Anfang der 1970er Jahre Bühnenstücke mit zumeist gesellschaftspolitischem Inhalt schreibt („The Great Exhibition“; „The Judas Kiss“). Zugleich arbeitet er zeitweise auch als Drehbuch-Autor und Filmregisseur. Mit seinem ersten Kinofilm, „Wetherby“, gewann er 1985 auf der BERLINALE den „Goldenen Bären“. Für sein Drehbuch zu „The Hours“ bekam er 2002 eine „Oscar“-Nominierung. Eine weitere Nominierung erhielt er 2008 für die Adaption von Bernhard Schlinks Roman „Der Vorleser“. David Hare stellt hier den altgedienten Geheimdienst-Nachrichtenanalytiker Johnny Worricker (BILL NIGHY) in den Mittelpunkt des verschwörerischen Geschehens.
Worricker, ein langer Schlacks, ist – nach einigen „misslungenen“ Eheversuchen – Solist. Privat wie beruflich. Ein intelligenter Typ, der sich an keinen Stammtisch setzt, in keine Seilschaften eingebunden ist. „Irgendwann musst du dich für eine Seite entscheiden. Mitten auf der Straße kommen die Leute unter die Räder“, rät ihm sein Chef und bester Freund, Generaldirektor des MI5 Benedict Baron (MICHAEL GAMBON). Während er ihm eine Akte zum Überprüfen gibt. Dabei geht es um unkoschere englisch-amerikanische Politbeziehungen. Deren öffentliches Bekanntwerden vor allem den britischen Premierminister in arge Erklärungsnot und Bedrängnis bringen würden. Also gerät mitten einmal der eher unauffällig im Hintergrund agierende Johnny Worricker ins politische Schussfeld. Sein Vorteil: Er wird unterschätzt. Weil er zwar nicht mit den modernen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts „mithalten“ will, von wegen eigene Website, Mail-Kontakte, das ganze technische Programm, aber dennoch ziemlich gut darin ist, „die Dinge“ auf seine eigene professionelle Weise anzugehen. Motto: „Eine unehrenhafte Arbeit, die man ehrenhaft erledigen kann“.
Natürlich, diese geschliffenen Dialoge. Die wie eine raffinierte Waffe stets doppelbödig wirken. Jeder Satz ist eindeutig zweideutig „doppelt“ zu lesen. „Das Wetter schlägt um; man denkt, es geht eine Ära zu Ende“. Solche zwingenden Sätze. Die spannender sind als jede blöde Schießerei. Während eine Galeristin-Freundin weiß: „Und du Johnny windest dich einmal mehr charmant durchs Leben“. Unterschätzt von allen anderen. Unterstützt von einer „umtriebigen“ Nachbarin (RACHEL WEISZ).
Die Besetzung ist KLASSE. Britisches Spitzenpersonal vom feinsten. RALPH FIENNES. 40. „Oscar“-nominiert als KZ-Kommandant Amon Göth in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ und nun, siehe gerade „Skyfall“, der neue James Bond-Vorgesetzte „M“, gibt den britischen Premier mit abgründiger Listigkeit. Als glaubhaften Chef-Verführer. Marke bösartiges Charming. MICHAEL GAMBON, der Schuldirektor Albus Dumbledore aus den Harry Potter-Filmen und kürzlich erst der grantelnde Boß vom musikalischen Seniorenheim in „Quartett“, dem formidablen Regie-Debüt von Dustin Hoffman, mimt wunderbar diskret, mit superben Spannungsanspielungen argumentierenden Chef-Freund und Ratgeber von Johnny. DER bald „abtreten“ muss. „Oscar“-Preisträgerin RACHEL WEISZ („Der ewige Gärtner“) lässt sich als Wohnungsnachbarin von Johnny Worricker nicht so einfach in die emotionalen Karten blicken.
Der Star hier aber ist dieser faszinierende 1,88 Meter-Schlacks BILL NIGHY, 63, zum Beispiel SEHR geschätzt als lakonischer Rock ’n‘ Roller in Prima-Unterhaltungsmovies wie „Tatsächlich…Liebe“ und „Radio Rock Revolution“. DER hier seinen Johnny-Solisten ohne Helden-Schein und Klimbim charakterstark zeichnet. Als gewitzter Schnauzevoll-Typ. Den die üblen Machenschaften „seiner Herrschaften“ anstinken. DER weiterhin an jedem Morgen beinahe noch „sauber“ in den Badspiegel schauen möchte. Nicht als großer Moralist, sondern als halbwegs noch anständiger Kerl. Vor sich selbst. BILL NIGHY auf seinem individuellen Feldzug hier zu begleiten, ist prickelnd spannend-atmosphärisch und durchgängig fesselnd.
Der britische Thriller „Die Verschwörung“ erweist sich als starkes HeimKINO (= 4 PÖNIs).
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