DIE VERMESSUNG DER WELT

DIE VERMESSUNG DER WELT“ von Detlev Buck (Co-B+R; D/Ö 2011/2012; Co-B: Daniel Kehlmann + Daniel Nocke; 122 Minuten; Start D: 25.10.2012); da ist das Buch, der gleichnamige Roman – eine einzige Erfolgsbilanz: Im Herbst 2005 erschienen, Autor der 30jährige Münchner DANIEL KEHLMANN, bald Platz 1 der „SPIEGEL“-Bestsellerliste, Übersetzung in über 40 Sprachen, die „New York Times“ listete es an zweiter Stelle der weltweit meistverkauften Bücher 2006. In der Frankfurter Rundschau“ hieß es: „Ein philosophischer Abenteuerroman von seltener Phantasie, Kraft und Brillanz. Ein großes Buch, ein genialer Streich“. Allein in Deutschland wurde das Werk inzwischen über 2 Millionen Mal verkauft. Ist inzwischen Schullektüre wie Abiturthema.

Thema: Zwei große deutsche Denker und Handelnde. ALEXANDER VON HUMBOLDT (14.9.1769 – 6.5.1859), Naturforscher, wissenschaftlicher Entdecker, und CARL FRIEDRICH GAUß (30.4.1777 – 23.2.1855), Mathematik-Genie. „Zwei glorreiche Geisteshalunken“ nennt der „Spiegel“ sie gerade (Ausgabe 43/2012). Während der Adelssprössling Humboldt in die weite Welt (z.B. in das Amazonengebiet) zieht, um zu forschen, findet der Universitätsprofessor und Sternewartdirektor Gauß in Göttingen sein berufliches wie privates (Ehe-)Da-Sein. Sie fiktiv neu zu „beobachten“, zu begleiten, individuelle, persönliche, private Parallelen in und bei diesen außergewöhnlichen „Berufsabenteurern“ Leben zu ziehen, ist das Ansinnen. „Ein Erzähler operiert mit Wirklichkeiten. Aus dem Wunsch heraus, die vorhandene nach seinen Vorstellungen zu korrigieren, erfindet er eine zweite, private…“, beschreibt Daniel Kehlmann sein erzählerisches Selbstverständnis in dem Essay „Wo ist Carlos Montúfar?“

Der Film will also kulturelles Gut aus dem Schriftstellerischen in geeignetes Kino-Gut von heute adaptieren. Umsetzen. Zwei historische Ober-Denker „in der Betrachtung“. Dabei soll man „etwas lernen“, erklärte Detlev Buck in einer der aktuellen TV-Kultursendungen, wo über den Film referiert wurde. Und da haben wir ES wieder – das unmögliche deutsche Lehrer-, Lern-, Botschafts-Kino. Dieses atemvolle und dabei oftmals so leere Aufgepaßt-Kino! Mit diesen Hab-Acht-Motiven und den vielen „pädagogischen“ Ausrufungszeichen! Außen wie innen. Und auch immer wieder mit diesen „theoretischen“ beigegebenen Erklärungen aus dem Off (= hier von CHRISTOPH WALTZ), die gerade DAS mit Worten beschreiben, erklären, deuten, was bildlich – gedanklich, gestalterisch sowie zeitlich NICHT gezeigt wird, werden kann. Als informierender, aber auch belehrender Vermittlungsplausch sozusagen. Eine fürchterliche, weil viel zu trockene Art von Bewegungskino. Hochlangweilig. Ganz staubig. Karg.

Aber das Unheil dieses neuen deutsch-österreichischen Films, der in 31 Drehtagen mit einem Budget von 10,5 Millionen EURO in Berlin, Görlitz und in Ecuador (damals Neu-Granada) gedreht wurde, ist seine definitive Unglaubwürdigkeit. In Sprache und Darstellung. In der Gesamtpräsentation. Anfangs habe ich geglaubt, dies sei Absicht: Regisseur und Co-Autor Buck, der vielfache Film-Komödiant (zuletzt: „Rubbeldiekatz“), der hier gegen Schluss selbst auch als „Wütender Mann“ kurz auftritt, mag, will hier satirisch komisch, doppeldeutig überzogen „sein“, schön absurd kauzig wirken, doch nö, Buck meint das Bauerntheater-Getue völlig ulkig-ernst. Dabei sprechen die Hauptakteure dann wie ständig wie überkandidelte Blödiane. Deppen. In einem lächerlichen eindimensionalen Duktus (der dekadente Herzog von Braunschweig / MICHAEL MAERTENS / als Inzest-Dämelsack mit huschigem Maul, sprich fauligen Restzähnen / MAX GIERMANN, der „Mann vom Militär“, als völlig überzogen daueraufbrausende, „aufsagende“ Uniform-Sau). In einer arroganten, nur wichtigtuerischen Worte-Dämlichkeit, dass es einem empörend leer die Unterhaltungsschuhe auszieht.

Dazu bewegen sich ALLE naiv, eher unterentwickelt, „behauptet“, also geradezu einfältig, so wie Marionetten von der Reservebank der „Augsburger Puppenkiste“. Also linkisch, verklemmt, aufdringlich besserwisserisch, immer wie ge- beziehungsweise verstört. Nicht wie kluge, spannende, ansprechende Denk-Pioniere, sondern wie klugscheißerische, nicht ernstzunehmende Wissens-Fuzzis. DIE-hier sollen „große Geister“ (gewesen) sein? Nie und nimmer. Nur Behauptung. WAS sie sagen, tun, WIE sie sich bewegen, ist von Papiersprache begleitet, zeig sich von tumber Schlichtheit, ist von Dummheit, Einfältigkeit, Reizlosigkeit durchsetzt. Meine Güte, was ist der Film „Die Vermessung der Welt“ doch so entsetzlich charakterfrei langweilig. Mit diesen zwei unsympathischen „Helden“. Und auch vergebens – die „zarten“ Bemühungen, „wenigstens“ mit 3 D-Gänsefedern bildlich „zu protzen“, will sagen – warum dieser Film (Kamera: Slawomir Idziak) überhaupt in 3 D-Optik entstanden ist, ist auch nicht zu entschlüsseln. Der dunkle Brillenzusatz erweist sich als absolut rätselhaft wie überflüssig und ist wohl nur für Zusatzeinnahmen an der Kinokasse gedacht.

ALBRECHT ABRAHAM SCHUCH, 26, aus Jena stammend, bislang mehr Bühnen- und TV-Akteur („Polizeiruf 110“ / „SOKO Leipzig“), tapst „auftragsgemäß“ als Alexander von Humboldt durch die „Gegend der Welt“ und benimmt sich dabei mehr „hölzern“ ungeschickt, peinlich denn gescheit; FLORIAN DAVID FITZ, 37, in den beiden „Männerherzen“-Movies als Werbefachmann Niklas Michalke mit von der lustigen Party, gibt den grüblerischen, meistens mürrischen Carl Friedrich Gauß. Der daran verzweifelt, dass niemand mit seinem schnellen Verstand mithalten kann. Mitzuhalten versteht. Mithalten will. Ein vergeistigter Stotterer. Mit Katharina Thalbach als Prekariats-Mama. Ohne irgendwelche Höhepunkte dümpelt das notorische Geschehen um diese beiden historischen Köpfe und Körper parallel wie egal vor sich hin, bis sie sich dann im greisen Alter anno 1828, bei einer Tagung in Berlin, endlich begegnen. Aufeinandertreffen. Und sich „so etwas“ wie eine momentane Duell-Sprach-Spannung ergibt. Für wenige Lichtblicke. Im Verließ.

Am Fazit aber kann dies auch nichts mehr ändern: Dieser neue deutschsprachige Film ist ein (weiterer) bedeutungsschwangerer, völlig spannungsloser, biederer Kultur-Flop von uninteressantem Deutsch-Kino (= 1 ½ PÖNIs).

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