Das verflixte 3. Jahr

DAS VERFLIXTE 3. JAHR“ von Frédéric Beigbeder (Co-B+R; Fr 2011; 98 Minuten; Start D: 19.07.2012); ER ist derzeit in Frankreich „so etwas“ von angesagt – der 46jährige FRÉDÉRIC BEIGBEDER. Als Bestseller-Autor (z.B. „39.90“ von 2001/von Jan Kounen 2007 mit Jean Dujardin verfilmt), als Literatur-Kritiker, als Gastgeber von TV-Shows. Ein „In“-Typ. Und Scene-Intellektueller. Als listiger Selbstvermarkter. Ein Enfant terrible der französischen Literaturszene, dessen Romane stets von autobiographischem Charakter sind. Wie „L’amour dure trois ans“ aus dem Jahr 1997, der im Januar 2003 hierzulande unter dem Titel „Die Liebe währt drei Jahre“ veröffentlicht wurde. Und den er nun selbst, unter Hinzuziehung der Drehbuch-Verfasser Christoph Turpin + Gilles Verdiani, als seinen Debüt-Kinospielfilm realisierte.

Das Alter Ego von Frédéric Beigbeder heißt/ist Marc. Marc Marronnier (GASPARD PROUST). Ein Literaturkritiker und Szene-Kolumnist. Dessen Ehe natürlich im dritten Jahr geschieden wird. Geschieden werden muss, denn schließlich lautet sein Credo: Im 1. Jahr kauft man Möbel ein; im 2. Jahr stellt man sie um; im 3. Jahr teilt man die Möbel auf. Natürlich folgt nun Selbstmitleid plus Alkohol. Beziehungsweise umgekehrt. Immerhin aber zeigt sein pathetisches Leiden ein produktives Ergebnis. In Form eines Buches. Mit dem Titel „Das verflixte 3. Jahr“. Wo sich Marc mal so richtig “ausheulen“ kann. Allerdings will niemand seine Papier-Ergüsse annehmen. Schließlich erbarmt sich widerwillig und mehr „angeekelt“ eine toughe Verlegerin (köstlich knorrig: VALÉRIE LEMERCIER). Die das Geschriebene zwar überhaupt nicht mag, aber irgendwie „riecht“, dass daraus doch „was werden“ kann. Und richtig. Unter Pseudonym herausgebracht, wird das Buch zum Knaller. Ein Bestseller. Was zu giftigen Komplimenten seiner Verlegerin wie zu „komischen“ Kritiker-Kommentaren von französischen Schriftstellern wie Marc Levy, Nicolas Rey oder Pascal Bruckner führt (Woody Allen lässt hier spielerisch pointiert grüßen).Schließlich wird Marc sogar ein Preis zugesprochen, der „Prix de Flore“ (den Frédéric Beigbeder 1994 tatsächlich für junge Autoren ins „richtige“ Leben rief und zu dessen Preisträger etwa Michel Houellebecq zählt). Es könnte also alles paletti sein, hätte Marc nicht kürzlich die bezaubernde Alice (SANAM AFRASHTEH) kennen- und liebengelernt. Das Problem – sie ist die Ehefrau seines Cousins. Sowie – für sie lässt er all seine (gerade doch erst in seinem Buch erklärten) Vorsätze und Ansichten voll fallen. Und erreicht, dass Alice ihren Mann an ihrem dritten Hochzeitstag verlässt. Um sich fortan mit Marc fest „einzulassen“. Nicht wissend, dass von ihm das von ihr als „Schwachsinn“ bezeichnete Erfolgsbuch („von einem sexistischen Macho“) stammt. Klar, dass sie bald erfährt, wer dieser „widerliche“ Autor mit seinem „spießigen Pessimismus“ wirklich ist. Ach-her-jeh.

Ist ulkig. Von schön-leichtem Chaos-Charme durchsetzt. Und mit augenzwinkernder Ironie-Zunge zelebriert. Motto: Diese stets verrückte, schöne Balgerei, auch „die wahre Liebe“ genannt. Anfangs. Beigbeder hält überraschend die witzige neurotische Ego-Balance. Um diese Ich-Figur Marc. Mit originellen Anspielungen an etwa die Atmosphäre von Nouvelle-Vague-Klassiker (nicht zuletzt besitzt „Marc“ Gaspard Proust äußerliche „Hechel“-Merkmale des Truffaut-Helden Antoine Doinel alias Jean-Pierre Léaud sowie Seelen-Ähnlichkeit mit Charles Denner aus Truffauts „Der Mann, der die Frauen liebte“). Oder mit doppelbödigen Blicken auf den zynischen, selbstgefälligen Literatur-Betrieb.
Zu den gockligen selbstironischen Darstellern gesellen sich dann noch das französische Hip-Hop-Unikum Joeystarr als Hardcore-Macho Jean-Georges sowie die 79jährige französische Soundtrack-Legende MICHEL LEGRAND, dessen Song-Klassiker „Windmills of your Mind“, einst komponiert für den Steve McQueen-Thriller „Thomas Crown ist nicht zu fassen“/1968, hier als Leit-Motiv swingt, und der sich hier selbst spielt.

„Im 21. Jahrhundert ist Liebe eine unbeantwortete SMS“ oder: Die neue französische Komödie „Das verflixte 3. Jahr“ lächelt nett ab (= 3 PÖNIs).

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