UP IN THE AIR

UP IN THE AIR“ von Jason Reitman (Co-B+R; USA 2009; 109 Minuten; Start D: 04.02.2010); der 32jährige Sohn des kanadischen Produzenten und Regisseurs IVAN REITMAN („Ich glaub´, mich tritt ein Pferd“//1978; die beiden „Ghostbusters“-Hits aus den 80ern; „Staatsanwälte küßt man nicht“/1986; „Dave“ mit Kevin Kline/1993) ist längst aus den prominenten Fußstapfen seines Erfolgsvaters getreten. Hat gleich mit seinen ersten beiden eigenen Spielfilmen „THANK YOU FOR SMOKING“ (2005) und „JUNO“ (2006/“Oscar“-Nominierung in der Kategorie „Beste Regie“) für Furore gesorgt. Denn weltweit gab es „dafür“ SEHR viel Interesse und Zuspruch. Und auch für sein 3. Werk gibt es bereits Hymnen zuhauf. Die etwa 30 Millionen Dollar-Produktion, die in den USA an den Kinokassen bislang rd. 70 Millionen Dollar eingespielt hat, gilt als einer der Favoritenfilme für die diesjährige „Oscar“-Parade Anfang März.

„Up in the Air“ basiert auf dem 2001 herausgekommenen gleichnamigen Roman des Literaturkritikers Walter Kirn, der zwei Jahre danach bei uns unter dem Titel „Mr. Bingham sammelt Meilen“ veröffentlicht wurde. Wobei der deutsche Romantitel „Programm“ ist: Ryan Bingham, ein attraktiver Typ in den 40ern, fliegt gerne. Tatsächlich. Er liebt es, ständig zwischen den Staaten und Regionen hin- und herzupendeln. Währenddessen sein häusliches Appartement in Omaha (Nebraska) so kahl und kühl und unpersönlich ausschaut wie eine leere weiße Kühltruhe. Aber, so verkündet Ryan stolz, im letzten Jahr war er sowieso nur an insgesamt 43 Tagen dort, und das waren bereits 43 Tage zuviel. Ryan Bingham mag keine festen Bindungen. Frauen, Familie, also „Ärger“, hat der Single bislang gerne umschifft. Dabei fühlt er sich keineswegs als Außenseiter, er gibt sich einfach „nur so“ glücklich. Er liebt das ständige Unterwegssein. Es ist unkompliziert, man ist stets freundlich zu ihm, überall erwarten ihn gute Autos und saubere Zimmer. Und bisweilen ergeben sich „nette zwischenmenschliche Kontakte“. Ryan weicht also keineswegs sozialen Kontakten aus, ganz im Gegenteil. Sie dürfen nur seiner „Euphorie“, permanent „über den Wolken“ „zu leben“, nicht entgegenstehen. Auf „Familie“ bzw. „enge Freunde“ allerdings kann Ryan gerne verzichten. „Damit“ vermag er nichts anzufangen.

Ein moderner Nomade. Obwohl sein Job alles andere als „freundlich“ ist. Weil sich die Unternehmen, die Firmen, die Bosse der Firmen, nicht „trauen“, Kündigungen, also „Rationalisierungen/Optimierungen“, wie sie es bezeichnen, selbst vorzunehmen und direkt auszusprechen, wird ER „dafür“ engagiert. Ryan Bingham ist ein Kündigungs-Verkünder, düst durch die Weltgeschichte, um Leuten, Angestellten, Mitarbeitern irgendeines Unternehmens, die „Umstrukturierung“, also die Entlassung, auszusprechen. Mit „Karriereübergangsberatung“.

Er macht das ebenso routiniert wie „einfühlsam“, heute hier, morgen da. Kann „das“ gut erklären, die geschockten, überrumpelten, wütenden, traurigen, entsetzten Leute halbwegs „besänftigen“, mit gelassenen, beruhigenden Worten ebenso wie mit einer Broschüre, die „alle Antworten“ enthält. Tagaus, tagein, immer dasselbe. Die inzwischen geschätzte Bevorzugungsbehandlung der Fluglinien, das immer freundliche Lächeln, wenn er eincheckt, der angenehme Dauerservice, die vielen „speziellen“ Service-Karten, der Gratis-Champagner, wo immer er auftaucht. So ist es auch erklärlich, daß es sein größter Wunsch ist, die 10 Millionen-Flugmeilen-Schallmauer zu erreichen, zu überwinden. Denn „dafür“ gibt es eine „exklusive Karte“ als Vielflieger-Auszeichnung,, inklusive persönlicher Ehrung durch den Piloten. Er wäre dann die Nr.7 auf der Welt, die DAS erreicht hat. Der Weg ist das Ziel. Mr. Bingham macht einen äußerst zufriedenen Eindruck. Und wir können dem Kerl auch nicht „allzu böse“ sein, obwohl er doch einen „Schweine-Job“ ausübt. Aber er ist dabei „so diskret“ wie möglich, poltert nicht, besitzt routinierten Überrumplungscharme, und dann auch noch seine „anteilnehmenden“, gut ausgewogenen Worte….

Wenngleich die Großaufnahmen der Gesichter seiner Gegenüber, denen er die schreckliche Mitteilung überbringt, „durchpusten“ lassen. Die sind natürlich irritiert, verstört, empört, fassungslos, sauer. Verbittert, traurig. Doch es ist schließlich Krise, dieser harte Alltag, es sind halt „die modernen Zeiten“. Da muss jeder „durch“ und überhaupt, so eine Freisetzung bedeutet ja schließlich auch eine Chance, nochmal „anders“ „in die Spur“ zu kommen, sich „umzustrukturieren“, sich nochmal „bewähren/behaupten“ zu können, sich „anderweitig“ im Leben umsehen „zu dürfen“, sich zu neu zu orientieren. Gibt Ryan von sich. Was nach geistigem Dünnschiss, üblen Parolen und unmoralischer Zynik klingt, wird durch IHN irgendwie „sanfter“, ein wenig bisschen „verständlicher“, etwas sogar „normal“ in unserer überkandidelten Stress- + Streich-Epoche. Oder? Co-Autor und Regisseur Jason Reitman jedenfalls bemüht sich intensiv, Ryan Bingham nicht als Unsympath, Schurken oder Dämelsack vorzuführen, sondern als cleveren „Manager von heute“. Erfolgsorientiert, launig, mit melancholischen Routineschüben. GEORGE CLOONEY (48) vermag ihn wunderbar unangestrengt, persönlich, „normal“ zu interpretieren. Mit seinem angenehmen Großraum-Charme, mit seiner positiven Präsenz. Ohne „dämlich“ zu wirken, denn „das Anliegen“-hier ist dafür viel zu ernst. Clooney findet genau die „richtige Balance“. Zwischen „Macher“ und „Mensch“, zwischen „Macker“ und „Kumpel“.

Aber zurück zu seinem Ryan Bingham. DER bekommt nämlich „im eigenen Laden“ Probleme. Durch eine hochnäsige Hochschulabsolventin (eine Erlebnis-Entdeckung: ANNA KENDRICK). Die spricht sich „gegen das Umherreisen“ und künftig für „Videokonferenzen via Internet“ vom Firmensitz aus. Ist zwar ganz und gar unpersönlich, spart aber viel Kosten und Zeit. Angeblich. Ryan ist stinkig. Nimmt sie „mit auf Tour“. Zeigt ihr „das Tun-draußen“. „An der Front“. Und bekommt es mit einer weiteren Frau „gehörig“ zu tun. Mit einer ebenso flotten, ungebundenen, kernigen Weibsausgabe von Business-Frau: Alex Goran (hinreißend: VERA FARMIGA; zuletzt aufgefallen an der Seite von Matt Damon und Leonardo DiCaprio in Scorseses „Departed“/2006). DAS bzw. DIE läßt ihn emotional „taumeln“. Muss er etwa an seinen Lebensprinzipien „zweifeln“? Diese gar „auf den Prüfstand“ stellen und „korrigieren“?

„Up in the Air“ ist ein gescheiter, hintergründiger, beeindruckender Menschen-Film. Als intelligente Komödie mit vielen „melancholischen Akzenten“. Und brisanten „System-Pointen“. In Sachen Gesellschaft, Kapitalismus-Wirtschaft und aktueller (nicht nur amerikanischer) Politik. Aber eben nicht als Düster-Movie mit simplen Anklage-Ausrufungszeichen, sondern als eine ebenso angenehm seriöse wie beschwingte wie sarkastische Skizze über eine moderne Gesellschaft, die immer „abwegiger“, klobiger, unnahbarer, ja steriler wird. Marke: Wir kommunizieren zwar immer mehr, aber in der Hauptsache mehr und mehr „entfernter“, unpersönlicher. Und feiger: Unliebsame „Sachen“ werden „Beauftragten“ zur profitablen Erledigung übergeben. Ein ganz starkes Ding von Unterhaltung, mit phantastischen Akteuren, die – was für ein Hollywood-Luxus – „richtige“, „normale“, glaubwürdige, überzeugende, reizvolle, spannende Menschen-Figuren interpretieren, spielen. Keine Plastik-Show ist das hier, sondern ein ganz feiner Spaß mit VIEL imponierendem Denk-Vergnügen (= 4 PÖNIs).

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