Der Begriff KULTFILM wird im täglichen Sprachgebrauch so etwas von INFLATIONÄR behandelt, dass er inzwischen kaum noch TATSÄCHLICHEN BESTAND/eine wirkliche Bedeutung hat. Heute aber empfehle ich einen WIRKLICHEN KULTFILM, Er entstand in den USA, im „Unruhe-Jahr“ 1971, für gerade einmal 875.000 Dollar. Er floppte damals „natürlich“, weil sogar die eigene Produktionsfirma („Universal“) sich weigerte, für ihn PR zu machen: Er galt den Bossen als zu karg, leer, SINNlos. Wie desöfteren, fand der Film „über Europa“ cineastische Aufmerksamkeit und VIEL neugieriges Publikumsinteresse/Verständnis. Heute gilt der Film als Meilenstein für eine Zeitbestimmung und Zustandsbeschreibung „der wahren amerikanischen Seele“ von damals. Im Original heißt er: „TWO-LANE BLACKTOP“.
„ASPHALTRENNEN“ von Monte Hellman (= auch Schnitt; USA 1971; B: Rudolph Wurlitzer, Will Corry; K: Jackson Deerson; M: Billy James; 98 Minuten; DVD-Veröffentlichung unter seinem Originaltitel „TWO-LANE BLACKTOP“: 18.04.2008); bei uns lief er am 11.7.1975 erstmals in der ARD unter dem Titel „ASPHALTRENNEN“. Danach tauchte er immer mal wieder in vereinzelten Kinos in der Originalfassung auf. Auf DVD ist er unter beiden Titeln herausgekommen, wobei der originale „groß“ betitelt und der deutsche als Zusatztitel verwandt wird.
Am 27. Juli 2017 bringt „Koch Media“ den Film – nun unter seinem damaligen deutschen Kinotitel „ASPHALTRENNEN“ – im Rahmen einer aufwändigen Media-Box NEU HERAUS; mit DVD- (= 98 Minuten) und Blu-ray-Version (= 102 Minuten) sowie mit sehr vielem und ausführlichem Bonusmaterial (u.a. Audiokommentare vom Regisseur und vom Produzenten Gary Kurtz; Dokumentationen usw. sowie einem 20seitigem Booklet). Der nachfolgende Text stammt aus dem Jahr 2008; anlässlich der damaligen Heimkino-Erst-Veröffentlichung:
Der Regisseur von „ASPHALTRENNEN – Two-Lane Blacktop“ ist der am 12. Juli 1932 in New York geborene, also heute 75-jährige Cutter, Produzent und Regisseur MONTE HELLMAN. Der hatte zuvor Genre-Filme wie „Ritt im Wirbelwind“ (1965) und „Das Schießen“ (= beide mit JACK NICHOLSON) gedreht und schuf danach Projekte wie „Ich bin der Größte“ (1977/Muhammad-Ali-Biographie) und „Lawinenexpreß“ (1979). Außerdem war er 1992 Produzent des ersten Quentin-Tarantino-Thrillers „Reservoir Dogs – Wilde Hunde“. Hier nun steht weniger eine „vollständige/erklärte Geschichte“ im Blick- und Mittelpunkt, sondern das Augenmerk richtet sich vornehmlich auf zwei Typen, die mit ihrem hochfrisierten 55er Chevrolet an (zumeist illegalen) Drag-Races durch den Südwesten der USA teilnehmen. Als sie dem ziemlich arrogant auftretenden, ebenso geltungssüchtigen wie komplexbeladenen Fahrer eines Pontiac GTO begegnen, beginnt so etwas wie ein „Wettrennen“ nach Washington D.C., wobei der Begriff „Wettrennen“ im Grunde nicht zutrifft, denn zu oft ist DAS-hier eher ein Wechselspiel von Positionen, Befindlichkeiten, Entfernte-Freundschaften, Kumpel-Dasein. Außerdem wird „das Ziel“ nie erreicht. Desweiteren ist hier noch eine junge Anhalterin mit im existenziellen Spiel, die sich mal auf diese, mal auf jene Seite schlägt.
Ein SEHR wortkarger Film, bei dem BEWEGUNG(EN) Selbstzweck bedeutet: Es geht weniger um Action, große Gefühle, Gut-gegen-Böse-Triumphe, sondern um die innere Leere/die Verlorenheit der Beteiligten in der (amerikanischen) End 60er/Anfang 70er Jahre-Phase. „ASPHALTRENNEN – Two-Lane Blacktop“ ist eine faszinierende, existenzialistische, dabei aber äußerst SPANNENDE Beobachtung/Beschreibung jener Epoche. In der sich einerseits die Hippie-Bewegung protesthaft artikulierte, während offensichtlich eine übersättigte weiße Mittelschicht-Jugend der ausgehenden 60er Jahre weder Sinn noch Aufgaben fand, sondern leer „herumirrte“. „Irgendwas halt machte“, aber irgendwie auch nur „WIE-DANEBEN“ wirkte.
Deshalb z.B. haben auch die Typen/die Charaktere-hier auch keine Namen bekommen, sondern sind nur an ihrer Rolle/an ihren Fahrzeugen identifizierbar. Und: In seiner speziellen Ästhetik – weite Landschaften, schnelle Autos, karge Kommunikation – ist der Film auch als Wegbereiter für andere ROAD MOVIES zu verstehen (z.B. „Paris Texas“ von Wim Wenders). Also: Heute einmal ein „ganz besonderes“ DVD-Ereignis, wobei hier auch die „besonderen Darsteller“ zu erwähnen sind: In den Hauptrollen sind der Sänger JAMES TAYLOR („You´ve Got a Friend“/Nr.1-Hit von 1971) und „Beach Boys“-Mitgründer, Schlagzeuger und Brian Wilson-Bruder DENNIS WILSON (4.12.1944 – 28.12.1983) zu erleben, in ihren EINZIGEN Film-Rollen. Neben ihnen darf Kult-Profi WARREN OATES (Star in den Sam-Peckinpah-Klassikern „The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz“; 1969/“Bring´ mir den Kopf von Alfredo Garcia“/1974) den spinnerten Großkopf zündend geben und daran erinnern, dass er (5.7.1928 – 3.4.1982) einmal zu den größten B-Mimen in Hollywood zählte. Zudem bedeutete der Film auch das Debüt der Schauspielerin LAURIE BIRD (als Anhalterin), die dann nur noch in zwei anderen (unbekannten) Filmen mitwirkte, bevor sie sich 1979 das Leben nahm.
„ASPHALTRENNEN – Two-Lane Blacktop“, mit ausführlichem Bonus-Material (u.a. Audio-Kommentar des Regisseurs), ist eine Reise in die Welt der 70er, eine Art hochinteressante, (be-)deutungsvolle filmische Zeitkapsel und SO bzw. deshalb UNBEDINGT ein großartiges Entdeckungs-Highlight im gegenwärtigen DVD-Angebot (= 4 1/2 PÖNIs).
Anbieter: „Pierrot Le Fou“ + „AL!VE AG“ + jetzt, 2017: „Koch Media“.