DAS kommt vor: Als ich den Film erstmals zu Gesicht bekam, fand ich ihn belanglos. Bis furchtbar. Im hiesigen Kino lief er am 24.4.1997 unter dem Titel „Twin Town – Pretty Shitty City“ an. Am 15.12.1997 hatte er dann bei uns seinen Video-Start unter dem Nunmehr-Titel „Das Chaoten-Kaff“. Kürzlich nun wurde er auf DVD veröffentlicht. Mit seinem Originaltitel:
„TWIN TOWN“ von Kevin Allen (Co-B+R; GB 1996; Co-Prod.: Danny Boyle; 95 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 25.11.2011).
Natürlich hat die jetzige Neu-Veröffentlichung mit dem inzwischen zu cineastischem Weltruhm gelangten britischen „Oscar“-Preisträger DANNY BOYLE zu tun („Kleine Morde unter Freunden“/1994; „Trainspotting“/1995; „Slumdog Millionär“/2008; „127 Hours“/2010). Der am 20. Oktober 1956 in Radcliffe geborene Drehbuch-Autor und Regisseur blieb hier aber hinter den Kulissen und überließ das Skript Paul Durden sowie KEVIN ALLEN. Einem 1962 in Wales geborenen Schauspieler, Produzenten, Drehbuch-Autoren, der hier auch die Regie übernahm. Und einen Stoff entwickelte sowie ein Hardware-Movie daraus schuf, das „ganz im Sinne“ eines gerne provozierenden Danny Boyle süffisant trieft: Pechschwarz, picke-packe-böse, politisch absolut unkorrekt.
Dabei fängt es eigentlich vergleichsweise harmlos an. Wir befinden uns in der Provinzhafenstadt Swansea in South Wales. Blicken auf eine Proll-Familie. Die in einem Wohnwagen haust. Inmitten einer schrillen Atmosphäre. Sagen wir mal „kauzige“ Eltern. Mit herbem, hier aber durchaus „normalem“ Ton. Plus der erwachsenen Tochter Adie, die in einem Massagesalon arbeitet und auch schon mal selber „Hand anlegt“. Plus der Söhne Jeremy und Julian, die für Zwillinge gehalten werden und nur „Blödsinn“ im Kopf haben. Gerne kiffend vor dem Fernseher hocken und ansonsten viel als Kleinkriminelle unterwegs sind. Also Autos klauen, am Klebstoff schnüffeln, ein Schabernack hier wie dort, all „diese Dinge“ halt. DIE wie Gin und Tonic zusammenhalten. Oder wie Pech und Schwefel. Jedoch nimmt sie in dieser Umgebung niemand so „richtig ernst“. Denn in „dieser Umgebung“ sind sowieso alle mehr oder weniger reichlich „beschädigt“. Abnorm. Tanzen ordinär am Unterboden der Gesellschaft. Haben einen an der kriminellen Waffel. Ehrgeizige, korrupte Polizisten ebenso wie ein koksender Baulöwe als örtlicher An-Sager und Macht-Haber und seine dämlichen Adlaten. Swansea ist ein Örtchen, den der liebe Gott übersehen oder vergessen hat. Oder beides. Ein Verlierer-Kaff. In dem alles im gewohnten, schäbigen Gang läuft. Anfangs. Trübheit hier, Langeweile dort. Einige Nickligkeiten. Na ja. Der übliche Kram. Bis der Papa der Brüder-„Zwillinge“ abstürzt. Vom Dach. Bei Schwarzarbeit für den Bau-Boß. Der gar nicht daran denkt, das Unfallgeld bzw. eine Entschädigung zu bezahlen. Also rasten die Brüder aus. Was eine Kette von „richtig“ aggressiven Reaktionen auslöst. Aus dem eher „betulichen“ Chaos-Treiben in dieser Ortschaft entsteht ein krachender, „verletzender“ Bürger-Krieg. Mit nunmehr „unschönen“ Rache-Folgen. Ganz und gar. Also gemein wie blutig. Aber „gerecht“.
Was als schwarz-bittere Briten-Deppen-Komödie beginnt, rastet zur grotesken Rache-Performance aus. Konsequent, also schmutzig-komisch. Mittendrin: Diese coolen Bruder-Säue. Herrlich einfältig-originell vom Waliser Schauspieler-Brüderpaar RHYS & LLYR IFANS dargeboten. Während der heute 42jährige RHYS IFANS mittlerweile über Hits wie „Notting Hill“ (1999; dort war er der zotige Mitbewohner Spike von Hugh Grant) oder „Radio Rock Revolution“ (2009) sowie zuletzt in und als „Mr. Nice“ (2010) bekannt ist und populär wurde, ist sein jüngerer Bruder Llyr weitgehend unbekannt geblieben. Hier aber toben sie sich gemeinsam als erfolgreiche Loser weidlich aus. Dürfen ihren Show-Affen kräftigen Anarcho-Zucker geben. In einem „jetzt erst“ „richtig wirkenden“ definitiv respektlosen Häme-Amüsement. Von der ganz frech-feinen Briten-Sorte.
„Twin Town“ zählt zu den „herzigen“ Überraschungen in diesen Wochen. Ein wunderbar schamloser filmischer Wonneproppen von DVD-Entdeckung.
Anbieter: „Koch Media“