„TULLY“ von Jason Reitman (USA 2016; B: Diablo Cody; K: Eric Steelberg; M: Rob Simonsen; 90 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.05.2018); der talentierte Sohn von Ivan Reitman (= die beiden originalen „Ghostbusters“-Movies) dreht nicht sehr oft Kino-Spielfilme, wenn aber, dann können sie meistens punkten, und wie! Erinnert sei nur an „Thank You For Smoking“ (seinem Debüt von 2005/s. Kino-KRITIK); natürlich an „Juno“ von 2007 („Oscar“-Nominierung für die „Beste Regie“/s. Kino-KRITIK), aber auch an „Up in the Air“ von 2009 (mit George Clooney/s. Kino-KRITIK). In „Young Adult“ schließlich, von 2012, ließ Reitman die schöne Charlize Theron als Miststück Marvis köstlich auftrumpfen (s. Kino-KRITIK).
Apropos: In seinem neuesten Film verwandelt sich die wunderschöne südafrikanische CHARLIZE THERON, die sich ja schon einmal äußerlich „verunstaltete“ und den „Oscar“ als und in dem Filmdrama „Monster“ 2003 einheimste, mit 25 Kilo Mehrgewicht in eine gestresste Mutter von Anfang Vierzig. Die gerade ihr drittes Kind erwartet. Und auf die täglich immens viel „Normal“-Druck einstürzt. Ihr Ehemann ist ein grundgütiger Gatte, aber auch immer „irgendwie“ abwesend und mit „seinen Dingen“ beschäftigt, während sich Marlo (Charlize Theron) „mit dem Rest“ befassen und ihn bewältigen muss. Zum Beispiel mit den „Aufgeregtheiten“ ihres autistisch veranlagten Vorschüler-Sohnes Jonah und seiner achtjährigen Schwester Sarah. Ganz klar, Marlo befindet sich oft an der Erschöpfungsgrenze. Da kommt ein „Geschenk“ ihres Bruders gerade richtig, der ihr eine „Nacht-Nanny“ vermittelt. Nach anfänglicher Skepsis ist Marlo von Tully (MACKENZIE DAVIS/“Blade Runner 2049“) begeistert. Diese kümmert sich fortan um die nächtliche Baby-Betreuung, damit Marlo durchschlafen kann. Und nicht nur das: Tully wird bald schon zu einer guten wie „effektiven“ Freundin, deren Lebendigkeit und Frohsinn die Mutter immer mehr ansteckt. Und herausfordert.
Mehr darf nicht verraten werden. Bei diesem wunderbaren Tiefen-Blick um eine moderne „Mary Poppins“. Die nicht nur schreienden Nachwuchs zu beruhigen versteht, sondern sich auch mehr und mehr als unverzichtbarer Seelen- und Kopf-Guru für Marlo erweist. Was wiederum…
Die beiden Haupt-Frauen sind, spielen: brillant. Vertiefen sich plausibel in ihre Figuren, besitzen viel kommunikative Präsenz, sind reizvolle gegensätzliche Spannungspole. Deren intelligenten Spuren man gerne folgt.
Ein listiger, schöner, einnehmender Menschen-Film. Über ein Familien-Ensemble, in dem die Aufgaben zwangsläufig eine Frau und Mutter überfordern müssen. Was aber als völlig normal abläuft, solange „Frau“ sich nicht „ihren Belastungen“ stellt und neue Positionen, sprich: plausible Veränderungen überdenkt. Anpeilt. Der Film „Tully“ ist mit vielen realistischen Verweisen ausgestattet. Atmosphärischen kitzligen Zutaten. Pfiffigem Power-Humor. Obgleich „Mann“ hier eine „Nebensache“ ist, darf man sich angesichts dieser hintergründigen, liebevoll schwarz-komischen Clever-Unterhaltung – über eine denkwürdige gesellschaftliche Frauen-Rolle-heute – auch als Mann mit viel Bekanntem süffisant durch-malochen.
„Tully“ ist eine prickelnde Kino-Muschel mit Perlen-Kult-Status (= 4 PÖNIs).