PÖNIs: (4,5/5)
„TRUMBO“ von Jay Roach (USA 2014; B: John McNamara; nach der Biographie „Dalton Trumbo“ von Bruce Alexander Cook/1977; K: Jim Denault; M: Theodore Shapiro; 124 Minuten; deutscher Kino-Start: 10.03.2016); Hollywood ist für Hollywood derzeit ein Film-Thema. Nach kürzlich „Hail, Caesar!“ von den Coen-Brüdern nun also ein weiterer, diesmal aber unrühmlicher Blick auf die Traumfabrik: in gesellschafts-politisch schlimme USA-Zeiten. Stichwort: die McCarthy-Ära. Der republikanische US-Politiker Joseph McCarthy (*1908 – †1957) „jagte“ ab Anfang der 1950er Jahre als Senator und Vorsitzender eines „Komitees für unamerikanische Umtriebe“ politisch Andersdenkende und diskreditierte damit öffentlich viele Personen. Als Kommunisten. „Kommunisten“ galten damals als Zerstörer der freien Welt und waren „erste“ Feinde Amerikas. Neben der „Unterwanderung des Regierungsapparats durch Kommunisten“ befasste sich der machtgeile McCarthy auch mit den „Kommunisten“ im Entertainment-Bereich. Nahm sich „Hollywood“ vor. Wo er die „schlimmsten Auswüchse“ vermutete. Der Name „McCarthy“ steht heute als Begriff für Diffamierung, Denunziation, Verleumdungen. Beendigung von Karrieren. Zerstörung von Menschen.
DALTON TRUMBO (*9. Dezember 1905 – †10. September 1976) war in jenen Jahren ein begnadeter und begehrter Drehbuch-Autor. Der seine kritische Meinung über Amerikas Führungspolitik wie seine Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA nie verheimlichte. Und daraufhin von Kollegen wegen seiner „luxuriösen“ Lebensweise schon mal als „Salon-Kommunist“ tituliert wurde. In den späten 1930er und frühen 1940er Jahren avancierte Trumbo zu einem der bestbezahlten Hollywood-Autoren. Für sein Skript zu „Kitty Foyle“/“Fräulein Kitty“ wurde er 1940 erstmals für den „Oscar“ nominiert. „Trumbo“, der Film, setzt ein, als Dalton (BRYAN CRANSTON) soeben mit einem hochdotierten Studio-Vertrag für ein neues Filmprojekt engagiert wird. Zugleich beginnen sich die düsteren McCarthy-Wolken auch in Hollywood auszubreiten. Die Kommunisten-Hatz beginnt.
Unterstützt durch die damals äußerst populäre Klatschkolumnistin Hedda Hopper (HELEN MIRREN), einer eifrigen Verfechterin des „sauberen Amerikas“. Ohne diese „widerlichen Roten“. Die sie mit ihren vielgelesenen Kommentaren süffisant-vernichtend verfolgte. Natürlicher Erst-„Feind“: Dalton Trumbo. Als er vor das berüchtigte McCarthy-Komitee geladen wird und – als einer der so genannten Hollywood Ten – die Aussage verweigerte, endete seine öffentliche Karriere. Trumbo wird zu einer Geld- und Haftstrafe verurteilt, verbringt elf Monate im Gefängnis und ist danach – aktiver denn je. Weil er auf der „Schwarzen Liste“ Hollywoods steht, was einem Arbeitsverbot gleichkommt, beginnt er, Kollegen, Freunde anzuheuern, die seine Werke als die ihren veröffentlichen.
Zugleich arbeitet er unter Pseudonym für die Low-Budget-Produktionsfirma „King Brothers“, mit ihrem „vehementen“ Boss Frank (einmal mehr physisch prächtig: JOHN GOODMAN), erfolgreich weiter. Für zwei Filme bekommt nicht Dalton Trumbo den Drehbuch-„Oscar“, sondern seine „Vertreter“: Für „Roman Holiday“/“Ein Herz und eine Krone“ (1953) Ian McLellan Hunter sowie für „The Brave One“/“Roter Staub“ (1957) Robert Rich. Ab „Spartacus“ von Stanley Kubrick, mit-produziert von Hauptdarsteller Kirk Douglas, 1960, und „Exodus“ von Otto Preminger, ebenfalls 1960 entstanden, taucht SEIN Name als tatsächlicher Drehbuch-Autor wieder in den Credits auf.
Was sich hier möglicherweise zu dokumentarisch, statistisch, „trocken“ liest, ist filmisch das beste Gegenteil. Der Film „TRUMBO“ zeigt sich als bedeutsame, fesselnde Geschichte, die mit sehr viel Herz, Verstand und Humor emotional wie intelligent ausgestattet ist sowie mit darstellerischen Spitzenkräften faszinierend erzählt wird. Wobei geschickt Archivmaterial mit der prickelnden Story vermischt wird und nebenbei damalige Stars wie der stramme Patriot John Wayne (DAVID JAMES ELLIOTT), der schwächelnde Kollege Edward G. Robinson (MICHAEL STUHLBARG) oder Kirk Douglas (DEAN O’GORMAN; einst „Zwerg Fili“ in der HOBBIT-Trilogie) mitmischen. Eine augenzwinkernde Glanzleistung dabei gelingt dem Deutschen CHRISTIAN BERKEL als zynisches österreichisches Kraftpaket Otto Preminger, der sich mit Dalton Trumbo offiziell verbündet und mit ihm für „Exodus“ offiziell zusammenarbeitet.
Wie Regisseur JAY ROACH, an sich mehr für filmisch Leichtfüßiges zuständig (2 x „Austin Powers“; „Meine Braut, ihr Vater und ich“ plus Fortführung; als Produzent: „Borat“ + „Brüno“), dies zu einem köstlich-cleveren „Schelmenstück“ (= „epd film“) und zu einer süffisant-hintergründigen Power-Komödie zusammenbringt, ist verblüffend. Weil so brillant unterhaltsam. Eine schlimme (Hollywood-)Zeit wird dabei weder verniedlicht noch „besänftigt“, sondern mit Mitteln des listig-lustvollen Entertainments in pointierte Erinnerung versetzt: Wenn kluger Geist auf mitreißenden Charme trifft. Was vor allem an der erstklassigen, überragenden und verdientermaßen mit einer „Oscar“-nominierten Glanzleistungs-Performance des Titel-Darstellers liegt: BRYAN CRANSTON, 58. Als Walter White in der erfolgreichen TV-Serie „Breaking Bad“ (2008-2013) populär geworden und 2014 dafür mit einem „Golden Globe“ ausgezeichnet, war er auf der Kinoleinwand viele Jahre in Nebenparts besetzt („Der Soldat James Ryan“; „Little Miss Sunshine“; „Drive“; „Argo“). Mit und als Dalton TRUMBO steigt er in die Champions League der Kino-Helden auf: Als ausgebufftes Kreativ-Genie, das auch in der Familie – als Cleo-Ehefrau: DIANE LANE – mitunter für „ziemliche Unruhe“ sorgt. Wie Bryan Cranston diesen bauernschlauen Typ und unbeugsamen Charakter Trumbo interpretiert, bärenstark ausdrückt, ist spannend, nahegehend, doppelbödig. Mit ununterbrochener Neugier und kribbligem Wut-Reiz versehen. Bryan Cranston ist der exzellent auftrumpfende Hero in diesem großartigen Polit-Happening-Film.
Der der mit zum Besten zählt, was das KINO derzeit aufzubieten hat (= 4 ½ PÖNIs).
P.S.: Mit „Johnny zieht in den Krieg“ (s. Kino-KRITIK) schuf Dalton Trumbo 1971 – als Drehbuch-Autor UND Regisseur – einen der wirkungsvollsten, aber leider immer noch viel zu unbekannten Anti-Kriegsfilme aller Zeiten!