TOY STORY

PÖNIs: (5/5)

Man muss sich das einmal vorstellen: Der Film um den es geht, wird als fantastische Pioniertat in die Geschichte eingehen. Und das, obwohl er beispielsweise weder über „richtige“ Schauspieler noch über gebaute Kulissen verfügt. Obwohl für seine Fertigstellung nicht mal eine Kamera, geschweige denn eine Kamerafrau oder ein Kameramann benötigt wurden. Und: Für die beiden Hauptakteure des Films, Sheriff Woody und Sternenkrieger Buzz Lightyear, brauchte weder eine Gage bezahlt noch Verpflegung am Drehort besorgt zu werden. Zudem: Es ist ein Film, der nicht inszeniert sondern p r o g r a m m i e r t wurde. Mit:

„TOY STORY“ von John Lasseter (Co-B + R; USA 1995; Co-B: Joss Whedon, Andrew Stanton, Joel Cohen, Alec Sokolow; M: Randy Newman; 77 Minuten; deutscher Kino-Start: 21.03.1996) dem neuesten Trickfilm aus dem Hause von Walt Disney, kommt der erste komplett computeranimierte Spielfilm in die deutschen Kinos und sein Regisseur wird, das steht heute schon fest, am 25. März in Los Angeles für sein Werk mit einem Spezial-„Oscar“ ausgezeichnet werden.

Die Geschichte der Computergrafik für das Kino hat ihren „ernsthaften“ Anfang etwa Mitte der 80er Jahre. Damals wurde eine Computerabteilung des Georg-Lucas-Imperiums – also des Künstlers, der einst die „Krieg der Sterne“-Triologie erfand und so faszinierend-visuell umsetzte -, vom Stamm-Unternehmen gelöst. PIXAR-Film trat auf den Plan und errang 1988 weltweite Anerkennung und Popularität mit dem Kurzfilm „Tin Toy“. Der komische Streifen um ein Baby, das sein Spielzeug jagt, wurde mit einer „Oscar“-Auszeichnung prämiert. Danach arbeitete PIXAR sowohl für Disney-Zeichentrickfilme wie „Bernard und Bianca im Känguruland“ und „Die Schöne und das Biest“ wie auch für die Universal-Hits „Jurassic Park“ und „Casper“.

Aber: Die Idee einen ganzen eigenen Film nur mit dem Computer herzustellen, reifte immer mehr. Man tat sich mit dem Hause Disney zusammen und entwarf gemeinsam die Idee und Ideen zu „Toy Story“, also zu einer „Spielzeug-Geschichte“. Und der Titel ist Programm: Im Spiel- und Kinderzimmer des 7-jährigen Andy geht es kunterbunt zu: Kaum, dass Andy die Tür einmal zumacht, „erwachen“ die vielen unterschiedlichen Figuren zu erstaunlichem „Leben“: die Cowboy-Puppe Woody etwa, die das Lieblingsspielzeug von Andy und demzufolge der Wortführer im Zimmer ist. Und der grüne Plastik-Dinosaurier Rex, der sich mit einer Minderwertigkeitsneurose herumschleppt, weil er glaubt auf seine Umgebung nicht mehr furchteinflößend zu wirken. Was übrigens stimmt. Oder der Kartoffel-Mann, dem ab und zu die Gesichtsteile abfallen, oder die schussschnelle Zeichentafel, der ausziehbare Hund, das altkluge Sparschwein oder die niedliche Porzellinchen, die bislang vergeblich mit dem Cowboy flirtete. Und dann gibt es noch die Armee treuer Plastik-Soldaten, die gerade wieder einmal in Aktion tritt.

Der Grund: Andy hat Geburtstag und eventuell kommt ja neues Spielzeug ins Haus, was dann wiederum bedeutet, dass einige von ihnen garantiert in der hintersten Schublade, auf dem Dachboden oder sogar im Mülleimer landen. Und tatsächlich: Ein neuer Kraftprotz namens Buzz Lightyear taucht auf. Kommt direkt aus dem Weltall und will ein Sternenkrieger auf Abruf sein. Buzz glaubt allen Ernstes an seine Mission. Er ist nicht wie die anderen im Bewusstsein „nur“ ein Spielzeug zu sein, also eine Puppe auf Zeit. Dennoch wird Buzz schnell von den anderen akzeptiert, denn er sorgt schließlich auch für neuen Schwung im Zimmer. Das wiederum macht Woody sauer. Er reagiert eifersüchtig und versucht mit allen Mitteln seinen Kontrahenten erst bloßzustellen und dann loszuwerden. Als versehentlich Buzz aus dem Fenster fällt, ist er fortan der Buh-Mann in der Runde. Doch als er sich dann bemüht, seinen guten Ruf wiederherzustellen, beginnt das große Abenteuer „draußen“.

„Toy Story“ erzählt von einer typischen Film-Kumpanei. Zwei Kerle begegnen sich. Sie sind wie Feuer und Wasser, können sich nicht ausstehen, „keine Chemie“ sozusagen. Dann aber sind sie auf Leben und Tod aufeinander angewiesen und werden nach vielen aufregenden Abenteuern zu guten Freunden. Die Filmgeschichte ist voll von diesen „Kumpel-Filmen“, und dennoch: auch hier schaut man schon wieder gerne zu. Dabei ist das der Geschichte von „Toy Story“ zugrundeliegende Konzept mindestens so alt wie die Märchen von Andersen oder wie beispielsweise Tschaikowskis „Nussknacker“-Erzählung: aus scheinbar seelenlosen Puppen werden plötzlich „echte“ Wesen.

Etwa 4 Jahre arbeiteten 27 Animatoren an der „Toy Story“. Sie brauchten 117 Grafikcomputer. 800.000 Computerstunden hat die Fertigstellung insgesamt gedauert; dabei wurden rund 550 Milliarden Bytes beansprucht. Die Gesamtkosten belaufen sich auf geschätzte 30 Millionen Dollar, das sind rund 20 Millionen weniger als für einen klassischen Zeichentrickfilm. Kommerziell hat sich der enorme Aufwand allein in den USA gelohnt: Dort hat der 77-minütige Streifen bislang rund 200 Millionen Dollar eingespielt. Nur zum Vergleich: Der jüngste James-Bond-Film „Golden Eye“ brachte es bei Produktionskosten von 60 Millionen Dollar auf „nur“ 105 Millionen Dollar Einspielergebnis. Aber: nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität überzeugt. Obwohl keine einzige der 76 Filmfiguren je mit einer menschlichen Hand, einem Bleistift oder einem Pinsel in Berührung gekommen ist, ist das Ergebnis ‚warm und greifbar‘.

Das Synthetik-Kino ist in der Mischung aus verblüffender neuer Farben-Technik und großem Entertainment sehr unterhaltsam. Weil mit riesigem, scheinbar unaufhörlichem Einfallsreichtum ausgestattet; und weil sehr pointenreich und mit viel Tempo und Schwung perfekt märchenhaft realisiert. Im Original sorgt dazu noch die Stimme von Tom Hanks als draufgängerischer Cowboy für den guten Ton, bei uns ist es dessen kesse Synchronstimme von Peer Augustinski. Und: Die Songs von Randy Newman im Original und von Klaus Lage in der deutschen Fassung sind von hübscher Musikalität.

Fassen wir also zusammen: „Toy Story“ von John Lasseter ist in seiner Computer-Kino-Art ein fantastischer Meilenstein in der Geschichte des Films. Keine Minute langweilig und für alle kleinen und großen Kinder ein schmackhaftes Bonbon. Dem, so bleibt zu vermuten, bald schon viele folgen werden (= 5 PÖNIs).

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