PÖNIs: (4/5)
„THE MULE“ von und mit Clint Eastwood (USA 2018; B: Nick Schenk, Sam Dolnick; K: Yves Bélanger; M: Arturo Sandoval; 98 Minuten; deutscher Kino-Start: 31.01.2019).
Gastkritik von Caroline „Carrie“ Steinkrug
Er ist d e r einsame Wolf des Kinos: Clint Eastwood. Was einst 1964 im Wilden Westen von Sergio Leone begann („Für eine Handvoll Dollar“), schlägt sich heute in unzähligen Auszeichnungen für sein (Lebens-)Werk als Schauspieler und Regisseur nieder. Zuletzt für GRAN TORINO (s. Kino-KRITIK; mit einer ausführlichen Beschreibung seines Werdeganges, den ich mir an dieser Stelle deswegen sparen möchte). Nun kehrt er mit 88 Jahren zurück vor und hinter die Kamera – und jedes Mal hofft man, betet man, dass es nicht sein Abschied ist. Denn sie sterben aus. Die Gentlemen der großen Leinwand. Stolze Männer, die zwar nicht wissen wie eine Nachricht ins Handy getippt wird, aber dafür handfest anpacken, wenn es drauf ankommt – wenn es dreckig wird.
So „einer“ ist auch der Blumenzüchter Earl Stone dessen Rolle und Geschichte sich Eastwood in THE MULE (= Maultier oder Dickkopf; in Dealer-Kreisen die Bezeichnung für Drogenkuriere) körperlich wie seelisch überstülpt. Inspiriert durch einen Artikel des New York Times Magazine vom 11.06.2014: „The Sinaloa Cartel`s 90-Year-Old Drug Mule“, geschrieben von Sam Dolnick. Darin ging es um einen Rentner namens Leo Sharp. US-amerikanischer Weltkriegsveteran, dann Kokain-Kurier und letztlich Angeklagter, der aufgrund seiner Demenzerkrankung vor Gericht ein mildes Urteil erhielt. Ein alter, sturer Esel eben, genau wie er: Earl Stone (CLINT EASTWOOD). Stets auf Achse. Mit brisanter Ladung im Gepäck. Er kennt das Land. Bereiste 42 von 50 US-Staaten in seiner Funktion als berühmter Taglilien-Spezialist. Eine Pflanze, die nur kurz erblüht und deswegen seine ganze Aufmerksamkeit braucht. Ebenso wie seine Familie, die er im Gegensatz zur Gärtnerei aber links liegen lässt. Als jedoch der moderne Fortschritt, das Internet, sein Unternehmen ruiniert, steht Earl privat wie finanziell plötzlich vor dem Aus. Bis ein überraschendes Angebot in seine faltigen Hände flattert: Er soll fahren. Einfach nur „etwas“ von A nach B bringen. Das kann er! So gut, dass er bald darauf unfreiwillig zum gefragtesten Drogen-Taxi des gesamten, mexikanischen Kartells wird. Stets ein Lied auf den Lippen, eine „Handvoll Dollar“ mehr in der Tasche und das FBI im Schlepptau. Ein liebenswerter, in die Tage gekommener Herr…
…der es faustdick hinter den Ohren hat. Im absolut positiven Figuren- wie Real-Sinn. Ob dabei Bradley Cooper (ganz nett neulich noch in „A Star is Born“) einen FBI-Agenten mimt oder Laurence Fishburne (als DEA Special Agent) auftaucht ist – mit Verlaub – total egal. Es geht um ihn, Eastwood, in jedem Moment. Als Schauspieler. Als Spielleiter. Auf jeder denkbaren Ebene. Die Minuten, die wir gemeinsam mit ihm in seinem lackschwarzen Pick-Up-Truck verbringen dürfen, singend und über alte Zeiten sinnierend, strotzen nur so vor Erhabenheit und Klasse. Das Alter als etwas Unantastbares, Heiliges inszenierend, dem nicht einmal die Polizei etwas anhaben kann. Denn: Earl Stone-Eastwood und sein verwegener Old-school-Charme überstrahlen alles. Er ist der Held der Straße und ER bestimmt über den „Kick in the Head“ durch Sex, Drugs … und die Dean-Martin Musik im Autoradio.
Nur wenig Probleme belasten die schauwertige Nostalgie dieses Clint-Road-Movies … auf der Autobahn des Lebens, so kurz vor dem „Road`s End“. Da wäre zum einen die süß-familiäre Läuterung des kompromisslosen Einzelgängers. Ein zu dicker Zuckerguss, der über die Kriminalität der Dealer gegossen wird. Und zum anderen die Angst, es könnte das letzte Mal gewesen sein, diesen M a n n mit einer oder mehr Pferdestärken durch den Wilden Westen „reiten“ zu sehen. THE MULE verdient vielleicht am Ende keine MILLION DOLLAR BABY, aber das Cruisen mit ihm – CLINT EASTWOOD – ist eine Studie: über sein Leben, über seine Persönlichkeit und den Respekt, die Bedeutung, die seinen Filmen innewohnt (= 4 „Carrie“-PÖNIs).