PÖNIs: (4,5/5)
„SPIELE FÜR KINDER IM SCHULPFLICHTIGEN ALTER“ von Leida Laius und Arvo Iho (UDSSR 1986; B: Marina Sheptunova, Silvia Rannamaa; K: Arvo Iho; M: Lepo Sumera; 88 Minuten; deutscher Kino-Start: 20.02.1987; im Rahmen des Kinderfilmfestes der 37. Filmfestspiele Berlin).
Ich bin kein Freund von sogenannten Kinder- und Jugendfilmen. Ich kann mit der Unterscheidung zwischen Erwachsenen- und Kinderfilmen wenig anfangen, sehe da meistens keine so unbedingt gravierenden Unterschiede, und finde nur, dass diese Arbeiten, die oftmals für Kinder und Jugendliche produziert werden, sich doch nur durch Naivität, Behäbigkeit und übergroße Pädagogik auszeichnen. Ganz klar also, ich habe Vorurteile. Und so war ich auch überrascht, als mich Kinderfilmfest-Macher Manfred Hobsch anrief und mir unbedingt den sowjetischen Beitrag „SPIELE FÜR KINDER IM SCHULPFLICHTIGEN ALTER“ erst zeigen und dann ans publizierende Herz legen wollte. Ich ließ mich gerne überreden, um dann mal wieder – im positiven Sinne – eine schallende Ohrfeige gegen meine Ansichten in Empfang zu nehmen. Denn dieser Film mit dem etwas umständlich deutschen Titel besitzt nicht nur einen hervorragenden Stoff, sondern passt auch bestens gerade in die momentane politische Landschaft.
Die 16-jährige Marie, die ohne Mutter aufgewachsen ist, hat Schwierigkeiten mit ihrem versoffenen Vater, der sie nicht zu Hause haben will und in einem Heim untergebracht hat. Dort kann sie sich mit den Zuständen, den ständigen Auseinandersetzungen in Sachen Hackordnung, mit den brutalen Umgangsformen, nur wenig anfreunden; sie zeigt Sensibilität und Schwächen, auf denen die anderen nur allzu gerne herumreiten. Und als sie gar vor den anderen bloßgestellt wird, indem eine Zimmernachbarin aus ihrem Tagebuch vorliest, denkt Marie ans Aufgeben. Dass und wie sie dann doch noch – ganz behutsam und erfahrungsreich – Verständnis für das Los ihrer Leidensgefährten bekommt und selbst dabei offener und reifer wird, erzählt der Film in ungemein beeindruckenden Bildern, ohne dass er sich dabei auf die Schiene von Kitsch oder Unglaubwürdigkeit oder Übertreibung begibt.
„Spiele für Kinder im schulpflichtigen Alter“ sagt ganz einfach und normal, dass es in der Sowjetunion für einige Kinder schwierig ist, vernünftig erwachsen zu werden, weil die Erwachsenen versagen. Und der Film zeigt, wie dabei auf sich selbst gestellte Kinder Schmerzen und Leid ertragen müssen, bevor – vielleicht – eine persönliche Besserung eintritt. Ein hochinteressanter Film, ein brisanter, aktueller Film, ein aber auch spannender Film, weil dramaturgisch und darstellerisch überzeugend (= 4 1/2 PÖNIs).