„SO VIELE JAHRE LIEBE ICH DICH“ von Philippe Claudel (B+R; Fr 2007; Start D: 13.11.2009); einem französischen Schriftsteller und Dramatiker vom Jahrgang `62, der hier seinen Spielfilm-Erstling vorlegt. Der Lothringer war Pädagoge/Gymnasiallehrer, der sich mit seinem sozialen Engagement hervortat: Er unterrichtete behinderte Kinder und 11 Jahre lang die Inhaftierten im Gefängnis von Nancy. Von diesen Erfahrungen handelte auch sein erstes Buch: „Das Geräusch der Schlüsselbunde“. Mit seinem zweiten Roman – „DIE GRAUEN SEELEN“ – war Philippe Claudel 2003 die Sensation des französischen Bücher-Herbstes und lange Zeit die Nr.1 der Bestsellerliste. Der dann auch bei uns erfolgreich veröffentlichte Roman bekam in Frankreich die Auszeichnung als „Buch des Jahres“. Danach veröffentlichte der Autor die Romane „Monsieur Linh und die Gabe der Hoffnung“ sowie „An meine Tochter“. Claudel lehrt an der Uni von Nancy im Fachbereich Literatur und Kulturanthropologie. „Il Y A Longtemps Que Je T´aime“ war im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb und erhielt den „Preis der Ökumenischen Jury“.
Ein Drama um Schuld und Vergebung: Juliette war 15 Jahre im Gefängnis. Wegen Mordes. Jetzt-draußen ist sie imgrunde ohne Kontakt, aber auch ohne Job, ohne Wohnung, ohne irgendeine Bindung. Über die Sozialstation des Gefängnisses wird der Kontakt zur jüngeren Schwester Léa hergestellt. Während der Haft bestand keinerlei Kontakt, denn die Eltern haben die Verbindung zu Juliette total abgebrochen und Léa wie ein Einzelkind aufgezogen. Jetzt ist sie verheiratet, man hat zwei vietnamesische Adoptivkinder und einen Schwiegervater, der seit seinem Schlaganfall nicht mehr spricht. Hier die gut-bürgerliche, zusammenhängende Bürger-Familie, warmherzig, großzügig, mit gemütlichem Haus; dort der Neuanfang, das zweite Leben, die behutsame Annäherung. Juliette, die offensichtlich früher mal Ärztin war, stößt auf viele Vorurteile und Berührungsängste gegenüber „so einer“. Ein spannender, ein sensibler, ein berührender Menschen-Film: DIE BEIDEN SCHWESTERN und das zaghafte, mißtrauische, couragierte, neugierige, zärtliche Aufeinanderzugehen.
„So viele Jahre liebe ich dich“ ist einfühlsames, feines Schauspielerinnen-Kino: Die Britin KRISTIN SCOTT THOMAS, deren faszinierend-rätselhaftes Gesicht man aus Filmen wie „Der Pferdeflüsterer“ (als Mama von Scarlett Johannson und Liebhaberin von Robert Redford) und „Der englische Patient“ kennt, triumphiert hier mit ihrer außergewöhnlich sinnlich-verletzlichen Körpersprache, eine wunderbare emotionale Performance, während die bei uns noch unbekannte ELSA ZYLBERSTEIN, die 1993 den „Romy-Schneider-Preis“ für „talentierte französische Darstellerinnen“ zugesprochen bekam, als Léa überzeugend-ausdrucksstark-einfühlsam mithält. Ein in dieser Jahreszeit „passendes“ Gefühls-Kino, ein hervorragender „November-Film“, mit sehr viel angenehmer Menschen-Nähe und –Spannung. Es ist hier wie in einem guten Buch zu schmökern, von dem man einfach nicht mehr „loskommt“…..(= 4 PÖNIs).