„SONG FOR MARION“ von Paul Andrew Williams (B+R; GB 2012; K: Carlos Catalan; M: Laura Rossi; 93 Minuten; Start D: 14.03.2013); seit Jahren „rebellieren” sie. Auf ihre eigene und ziemlich vergnügliche Weise. Die Alten. Obwohl ihre Wehwechen teilweise schlimm und unüberhör- und -sehbar sind, machen und sorgen sie für „imponierenden Krawall“. Wollen einfach nicht mehr „damit“ aufhören. Motto: Solange wie es geht, geht es. Eben. „YOUNG & HEART“ heißt eine US-amerikanische Laienchor-Initiative aus Northampton/Massachusetts, die 1982 vom Chorleiter Bob Cilman in einem Altersheim gegründet wurde. Die Gruppe besteht aus etwa 30 Personen beiderlei Geschlechts im Alter von 70 bis 100 Jahren. Seit Jahren touren sie erfolgreich durch die Welt mit Arrangements der Rockmusik, des Punk, der Popmusik. Mit Songs der Talking Heads, von The Clash, Manfred Mann, The Rolling Stones, Radiohead, The Clash, Bob Dylan oder John Lennon. Und den Pointer Sisters (“Yes we can can”). Oder von Sonic Youth (“Schizophrenia”). Am 2. Oktober 2008 kam der erstklassige britische Dokumentarfilm “YOUNG & HEART” in unsere Kinos und sorgte für erstklassige Info-Laune und prächtige Vermittlungsstimmung (s. KRITIK). Am 4. Oktober 2009 hatte im Berliner „Renaissance Theater“ das Stück „EWIG JUNG“ von Erik Gedeon Uraufführung und läuft seitdem im ständigen Repertoire. Ist dort immer ausverkauft. Thema: Eine Gruppe von älteren Schauspieler-Herrschaften lassen sich nicht aufs langweilige wie trübsinnige Altenteil abschieben, mit dem üblichen Singsanggeplärre und Heim-Verwahren, sondern toben sich beim Rock ‚n’ Roll höchst unanständig wie „ungeziemt“ prächtig aus. Motto: Wir lassen die Sau ´raus und uns den Rest-Schwung nicht wegnehmen. Ganz im Gegenteil. Beziehungsweise: Je oller desto lebenssatter. Es lebe Tschechow, Shakespeare und ABBA. Oder Queen („We will rock you“). Greisen-Rock pfeffert durch die Strumpband-Szenerie. Köstlich, komisch, keck-sentimental, HERZlich. Die volle Kanne Emotionskomik. Neulich taten sich betagte Franzosen (mit Gast Jane Fonda) zusammen, um auf ihre Weise in der Filmkomödie „Und wenn wir alle zusammen ziehen“ Lebenszeichen zu setzen, und kürzlich waren herrliche musikalische wie britisch – pointierte Temperamentsausbrüche von Menschen gesetzten Alters im Regie-Debüt von Dustin Hoffman, „Quartett“, köstlicher Blick- und Ohrfang. Jetzt setzt dieser Streifen diese „ollen Aktivitäten“ prima fort.
Dabei war der britische Autorenfilmer PAUL ANDREW WILLIAMS, 39, bislang eher mit härteren Kaliberfilmen bekannt geworden. Wie 2006, als er mit dem Thriller „London to Brighton“ provozierend begeisterte („British Independent Film Award“). „The Cottage“ schuf er 2008, und 2010 entstand sein kompromissloser Psychothriller „Cherry Tree Lane“, der hierzulande am 11.11.2011 gleich fürs Heimkino auf DVD herauskam. Sein neuer Film ist, wie es im letzten Nachspannbild heißt, „to Family“ gewidmet. Obwohl sie an nicht mehr „reparablem“ Krebs leidet, ist Marion (VANESSA REDGRAVE) voller Elan. Und bei der Sache. Die Senioren-SINGEN lautet. In einem Londoner Gemeindezentrum. Was ihrem Rentner-Ehemann Arthur (TERENCE STAMP) kaum gefällt. Arthur ist der ewig grummelnde Typ, der mit der Welt, aber vor allem mit sich nur „im Gemütsclinch“ liegt. Über alles wird grundsätzlich gemeckert. Ein Lächeln ist die Ausnahme. So hat er schon die Beziehung zu seinem Sohn und zu seiner Enkelin Jennifer ziemlich zerstört. Doch Marion liebt IHREN Arthur. Weiß ihn zu sehen. Zu nehmen. Und er ist „vernarrt“ in seine „störrische“ Frau. Deshalb bringt er sie auch missmutig- gerne zur Gruppe. Wo schließlich auch ER ein Stück weit landet, als Marion gestorben ist. Doch die Umwege hierhin sind beschwerlich. Für alle Beteiligten. Aber auch ziemlich musikalisch. Originell musikalisch. Denn natürlich bleiben hier brave Gospel-Lieder außen vor. Die Alten und ihre junge engagierte „Vorturnerin“ Elizabeth (Bond-Girl GEMMA ARTERTON aus “Ein Quantum Trost“; danach „Immer Drama um Tamara“) setzen (viel) lieber auf gepfefferte Rock-Klänge. „Love Shack“ zum Beispiel. Oder „Let’s talk about Sex“. Oder auf die Motörhead-Heavy-Hymne „Ace of Spades“. Und natürlich steht demnächst sogar ein Wettbewerb an. „Motivation“ ist also noch mehr gegeben.
“Song for Marion” funktioniert, weil die beiden Starhauptakteure ANGENEHM uneitel wie unsentimental spielen. Überzeugen. Das Zuschauen und Mitfühlen bereitet hier Spaß. Mit vergnüglicher Würde. „Oscar“-Lady VANESSA REDGRAVE, 75 („Julia“) hebt prächtig ab an der Bühnenrampe als faszinierende „Leuchte“ Marion; während der in vielen Filmen über viele Jahre als „Fiesling vom Dienst“ aufgetretene TERENCE STAMP, 74 („The Limey“) die ganze Arie eines missmutigen alten Kerls sensibel präsentiert. Empfindung pur: Der Kino-„Song for Marion“ tönt sympathisch- beeindruckend wie klangvoll- nachhaltig (= 3 ½ PÖNIs).