Sein Name: Roddy Doyle. Sein Beruf: Gemeindeschullehrer in Dublin. Sein Hobby: Freizeit – Schriftsteller. So hat Roddy Doyle inzwischen eine Trilogie über eine irische Arbeiterfamilie namens Rabbitte geschrieben. Der erste Roman wurde 1991 von Alan Parker unter dem Titel
“Die Commitments“ verfilmt. Der Film wurde nicht nur zu einem weltweiten Erfolg, sondern machte auch Autor Doyle bekannt. Der zweite Roman dieser Trilogie heißt
„THE SNAPPER“ von Stephen Frears (GB 1993; 91 Minuten; Start D: 06.01.1994), wurde hierzulande unter dem Titel “Sharons Baby“ veröffentlicht und kommt jetzt mit dem originalen Roman-Titel ins Kino. Stephen Frears zählt zu den besten und erfolgreichsten britischen Regisseuren der jüngeren Generation. Seine Filme “Mein wunderbarer Waschsalon“ und “Samy und Rosie tun es“ fanden auch bei uns viel Zuspruch und Anerkennung. Mit seinen Werken “Gefährliche Liebschaften“, “Grifters“ und neulich “Ein ganz normaler Held“, mit Dustin Hoffman, machte sich Frears in den letzten Jahren auch in Hollywood einen Namen. Nun aber ist er wieder zu seinen traditionellen britisch-irischen Wurzeln
zurückgekehrt und hat mit “The Snapper“ einen wunderbar-einfachen und dabei höchst stimmungsvollen “Proletarier“- Film gedreht.
“The Snapper“, das ist ein irischer Slang-Begriff für Baby oder Balg. Und genau das ist auch das Thema. Autor Doyle und Regisseur Frears führen uns in einen dieser typischen Arbeiter- bzw. Einfache-Leute-Haushalte, der hier in einem Vorort von Dublin angesiedelt ist. Man ist zu 9. in dem kleinen
Reihenhaus: Vater Dessie, Mutter Kay, 6 Kinder und ein Hund. Natürlich glaubt Dessie nicht nur das Familien-Oberhaupt zu sein, sondern auch das Sagen zu haben. Aber insgeheim managt Mutter Kay das häusliche und zwischenmenschliche Geschehen. Während sich der arbeitslose Dessie gerne im abendlichen Pub-Gespräch mit Freunden auseinandersetzt.
Gesprächsthema Nr.1 ist zurzeit seine Tochter Sharon. Die ist 20 und schwanger. Und weigert sich beharrlich, den Namen des Vaters zu nennen. Die ganze, schöne elterliche Autorität hilft nichts: Sharon bleibt stumm. So entstehen und blühen Gerüchte, Anspielungen, Legenden. Vater Dessie sieht sein simples, aber schönes Weltbild ins Wanken geraten und lernt dennoch dabei sich selbst kennen wie noch nie. Denn trotz vieler markiger und entschlossener Worte: Sein Herz ist sehr viel größer als sein Verstand. “The Snapper“ ist ein durch und, durch “menschlicher“ Film. Hier agieren keine künstlichen Plastik – Figuren, hier sehen und hören wir “echte‘ Menschen aus guter Nachbarschaft. Und: “The Snapper“ ist ein Film der vielen Worte, auf die man sich in dieser bilderüberflutenden Zeit erst einlassen, einrichten muss. Hier gibt es keine dramaturgischen Biegungen, keine heimlichen Überraschungen, keine vergrabenen Pointen:
Hier ist alles noch so urtümlich und handfest, wie man es sieht. Hier läuft alles so ab, wie man es hört.
Wir befinden uns im “Milieu“. Mit einem liebenswert -rüden Proll – Dad, dessen große Klappe nicht seine Emotionen verdecken kann. Mit völlig normalen Menschen und ihren völlig normalen, also manchmal sympathisch -verrückten Ansichten und Erlebnissen. Nichts wirkt gestellt, und doch ist Schmunzeln und Lachen angesagt.
Allerdings: Mit – Lachen, nicht Aus – Lachen. Colm Meaney, der O‘Brien aus der TV – Serie “Raumschiff Enterprise“, spielt mit überzeugender Tapsigkeit den gestressten Vater. Drumherum versprüht ein gutes Ensemble den Charme einfacher, origineller Leute mit Wiedererkennungseffekt. Im Theater würde man “The Snapper“ ein “Volksstück“ nennen, im Film existiert solch ein Begriff nicht. Belassen wir es also bei der Bezeichnung “Familienfilm“. Wobei Frears und Team die Töne, die Atmosphäre, die reizvollen Details, die augenzwinkernde Klassen-Energie genau treffen.
Fazit: Nach diesem Film entsteht das Verlangen, unbedingt in den nächsten Pub zu wandern, um vielleicht “solche Typen“ zu treffen. “The Snapper“ von Stephen Frears: Ein intelligenter irischer Schwank, ein deftiger filmischer Muntermacher zum Jahreswechsel (= 4 PÖNIs).