„DER SCHREI DER EULE“ von Jamie Thraves (GB/Fr/Kanada/D 2008; 96 Minuten, DVD-Veröffentlichung: 23.07.2009).
Die Schriftstellerin PATRICIA HIGHSMITH (19.1.1921 – 4.2.1995) zählt zu meinen literarischen Spannungsfavoriten. Viele der Werke dieser begeisterten KATZEN-LIEBHABERIN habe ich mehrmals gerne verschlungen, darunter natürlich ihre 5 „TOM RIPLEY“-Romane. Die ja bekanntlich auch zigfach verfilmt wurden (zuallererst: „Nur die Sonne war Zeuge“ von René Clement aus dem Jahr 1960, mit ALAIN DELON als Tom Ripley; das Remake schuf Anthony Minghella 1999 mit „Der talentierte Mr. Ripley“, mit einem überzeugenden MATT DAMON in der Titelrolle).
Patricia Highsmith hat insgesamt 22 Romane publiziert; 1962 kam „The Cry of the Owl“ heraus, 1964 bei uns unter dem Titel „Das Mädchen hinter dem Fenster“ veröffentlicht. Neuauflagen 1976 + 2002 unter dem Titel „Der Schrei der Eule“.
Es gab bislang zwei Verfilmungen dieses Romans: 1987 adaptierte ihn CLAUDE CHABROL für einen französisch-italienischen Spielfilm (mit Mathilda May und Christophe Malavoy in den Hauptrollen); im selben Jahr schuf Regisseur Tom Toelle einen deutschen TV-Film aus diesem Stoff. Nun also der „Eulen-Highsmith“ zum Film-Dritten. Von dem hierzulande vergleichsweise unbekannten Filmemacher JAMIE THRAVES. Der heute 40jährige Brite hat sich einen Namen als „spezieller“ Musikvideo-Filmer gemacht, weil sich seine Clips durch ungewöhnlich erzählerische Gestaltungsmittel auszeichneten. Zu seinen bekanntesten Musik-Videos gehören „Just“ von „Radiohead“ und „The Scientist“ von Coldplay“, der gleich 3 „MTV Videos Music Awards“ gewann. Sein erster, bei uns nicht gezeigter Spielfilm entstand 2000, hieß „The Low Down“ und wurde auf dem renommierten „Sundance Festival“ erstaufgeführt.
In „DER SCHREI DER EULE“ geht es, auf den schnellen Punkt gebracht, um einen traumatisierten Mann und eine labile Frau: Robert Forrester zeigt sich als schüchterner Kerl, der gerade aufs einsame Land gezogen ist, um der Großstadt-Hektik von New York und vor allem um den für ihn elenden Scheidungskrieg mit seiner Ex Nickie zu entfliehen. Doch anstatt die gewünschte Ruhe zu finden, gerät er – selbstverschuldet – in eine neuerliche Beziehungskatastrophe. Als er abends „nur so“ durch die wäldliche Gegend streift, entdeckt er „heimlich“ eine junge Frau. Die in einem abseits gelegenen Waldhaus gedankenverloren in der Küche abwäscht. Fortan kommt Robert jeden Abend hierher, bezieht versteckt hinter einem Baum „Beobachtungsposten“. Ohne Absichten, „einfach so“. Was ihn letztlich hierhertreibt, kann er sich selbst nicht plausibel erklären. Doch irgendwann ist es NATÜRLICH soweit, der „heimliche“ Stalker wird entdeckt. Doch Jenny, die junge Frau aus dem Haus, ruft nicht etwa die Polizei, sondern bittet ihn ins Haus. Kontakt entsteht. Sehr zum Unwillen ihres rabiaten Ex, Greg. Der will sich nicht damit abfinden, daß Jenny „auf diese blöde Weise“ einen NEUEN gefunden hat. Und reagiert zunehmend aggressiver. Während aus Jenny und Robert „so etwas“ wie ein Paar wird. „So etwas“, weil ihm imgrunde ihre etwas aufdringliche Nähe-Suche zu ihm nicht behagt.
Robert ahnt, daß er sich selbst – und auch ihr – keinen Gefallen damit getan hat, (Seelen-)Kontakt zuzulassen. Denn in jedem Moment, als er ihre Haus-Tür überschritten hat, hat er offensichtlich auch eine unsichtbare wie „unmögliche“ Beziehungsrenze überschriten, und ein Zurück gibt es nun nicht mehr. Ein spannender Psycho-Thriller. Mit viel „merkwürdigem“ Bauchgrummeln. Denn „Gut“ und „Böse“ oder „Nett“ und „Schlecht“ lassen sich hier nur in Ansätzen bestimmen. Natürlich benimmt sich Robert, praktisch gesprochen, „saudämlich“. Und hat das Pech, nicht auf eine „normale“ Traumfrau, sondern auf ein ebenfalls „verstörtes Wesen“ zu treffen. Das ihn nun ihrerseits „psycho-malträtiert“. Parallel dazu lassen ihm Ihr-Ex und eben auch seine Ex einfach keine Ruhe. Robert hat, auf deutsch gesagt, die zwischenmenschliche „Arschkarte“ gezogen und hat inzwischen die Stimmungsschnauze gestrichen voll. Fühlt sich immer elendiger. Zumal sich nun auch plötzlich die Polizei für ihn „zu interessieren“ beginnt. Weil Greg verschwunden ist. Und Robert ihn zuletzt gesehen und „verhauen“ hat. Die Schlinge um seinen kleinen bürgerlichen Hals wird immer enger.
Der 35jährige britische Schauspieler PADDY CONSIDINE („Hot Fuzz“/2007) als Voyeur und die 27jährige amerikanische Schauspielerin JULIA STILES („Das Bourne Ultimatum“/2007) als Vereinsamte/Suchende spielen das Haupt-Paar angeregt „gegen den Strich“. Will sagen, sie bedienen hier keine simplen „Bekloppten-Figuren“, sondern füllen ihre „eigenartigen Typen“ mit viel subtiler Kälte und reizvoll-unruhiger Charakter-Nähe. Was nachhaltigend beunruhigt und für extreme Thriller-Spannung sorgt. „Der Schrei der Eule“ ist kein Movie der wüsten, schnellen Kamera-Exzesse, Schnitt-Montagen, Handkamera-Wackeleien und trickreichen Fallstricke, sondern entwickelt sich kribbelnd-unaufgeregt wie angenehm-konventionell. Mit verstörendem Sinn für seelische Doppelböden und düsteren Tiefeinblicken. Eine ungewöhnliche, atmosphärische Spannungsreise, diese neueste filmische Highsmith-Adaption (= 4 PÖNIs).