„SCHLAFLOS IN SEATTLE“ von Nora Ephron (Co-B + R; USA 1993; 105 MInuten; Start D: 16.09.1993).
Die schönsten KINO-Geschichten sind und bleiben: Liebesgeschichten. Die mehr oder weniger gefühlvollen Ereignisse um die Beziehung zweier Menschen; das Bangen, ob sie sich nach den vielen Missverständnissen und Schicksalsschlägen “kriegen“ oder nicht; das Warten auf das pointierte Ende mit Happy-Geschmack: Das bewegte zu allen Filmzeiten die Gemüter. Alle großen Regisseure der Filmgeschichte haben irgendwann einmal “ihren“ speziellen Liebesfilm gedreht. Ob 1953 William Wyler “Ein Herz und eine Krone“ mit Audrey Hepburn und Gregory Peck; ob 1959 Billy Wilder “Das Appartement“ mit Shirley MacLaine und Jack Lemmon oder ob Michael Curtiz 1942 mit “Casablanca“, bei dem sich Humphrey Bogart und Ingrid Bergman so nahe kamen, ohne ein Paar zu werden. Willkürlich herausgegriffene Beispiele für mustergültige Liebesfilme, die zu unvergessenen Klassikern wurden. Wobei “Casablanca“ natürlich auch heute noch als d e r Kultfall für das meiste Hollywood-Gefühl gilt. Nun: Diesmal, jetzt, in “Schlaflos in Seattle“, befinden wir uns nicht im Krieg. Und der Ort, wo sich die Herzen endgültig treffen, ist New York.
Rick heißt hier ganz normal Sam und ist kein desillusionierter Widerstandskämpfer, sondern ein trauriger, junger Witwer mit 8jährigem, pfiffigem Sohn. Und: Sam, der Architekt, befindet sich am Anfang der Geschichte am anderen Ende der amerikanischen Landkarte. Das heißt: Genau gegenüber, wo SIE wohnt. In Seattle. SIE heißt Annie, ist Journalistin und lebt in Baltimore. Zwei Königskinder, die normalerweise nie zusammenkommen/zusammenfinden würden, wenn es das Kino und das Radio nicht gäbe. Denn Jonah, der kleine Sohn von Sam, ruft an einem traurigen Weihnachtsabend diese Frau aus dem Radio an. Die ist Psychologin und fragt ihre Hörer gerne nach Herzensangelegenheiten aus. Und Jonah wünscht sich so sehr eine neue Mami. Für Dad, der so alleine sei. Das rührt, das geht an die Tränen. Auch an die von Annie, die davon zufällig erfährt und sich instinktiv angesprochen fühlt. Jedenfalls beschließt auch Sie, die eigentlich gerade vor dem Abschluss einer stinknormalen Beziehung steht und heiraten will, einen Brief zu schreiben. Von denen aber hat nun San eine ganze Menge bekommen. Aus dem ganzen Land wollen ihm Frauen helfen.
Doch nur wir wissen – vorerst -‚ dass nur Sam mit Annie…und umgekehrt. Aber wie soll man es nun arrangieren, daß die Beiden sich auch treffen können? Hilfe schafft “Die große Liebe meines lebens“. Das ist ein Hollywoodfilm von 1957, in dem sich Cary Grant und Deborah Kerr blitzschnell verlieben und beschließen, die emotionale Probe aufs Exempel zu starten. 6 Monate Wartezeit, um sich dann am Valentinstag auf dem Empire State Building in New York zu treffen. Natürlich gibt es Komplikationen. Damals wie heute. Aber: “Die große Liebe meines Lebens“ ist der Lieblingsfilm von Annie, und entsprechend reagiert sie damit auch. Doch es dauert eben geschlagene, schöne, komische und sehr herzliche 100 Kino-Minuten, bis…
„Schlaflos in Seattle“ ist “Casablanca“ der 90er Jahre. Definitiv. Denn so charmant, witzig und gefühlvoll war schon lange kein Liebesfilm mehr. Die Co-Autorin und Regisseurin heißt Nora Ephron. Sie zählt heute zu den gefragtesten Drehbuch-Autorinnen in Hollywood, schrieb einst die Bücher zu Filmen wie “Silkwood“, “Sodbrennen“ und, ihr ganz großer Erfolg mit “Oscar“-Nominierung, “Harry und Sally“. “Schlaflos in Seattle“ ist ihr zweiter eigener Regiefilm. Ihr erster hieß im Vorjahr im Original “This Is My life“ und wurde hierzulande kürzlich bedauerlicherweise unter dem Titel “Showtime – Hilfe, meine Mama ist ein Star!“ als Video-Premiere dumm verkauft, obwohl es ein blitzgescheiter und sehr unterhaltsamer Film war. Jetzt aber, übers “richtige“ Kino, sorgt sie für aufsehenerregende Stimmung: So mit augenzwinkerndem, ironischem Beziehungston und wunderschönen Gefühlsausbrüchen. Dabei bediente sie sich zweier Darsteller-Profis, die keine Stars sind, aber prächtig mitzuspielen verstehen: Meg Ryan und Tom Hanks. SIE kennen wir bereits als Sally aus dem hübschen “Harry und Sally“-Beziehungsdrama; ER war zum Beispiel der gutmütige Polizist mit Sabber-Hund in “Scott und Huutsch“. Beide passen sich der launigen Beziehungskiste gut an, die einfach davon ausgeht, dass die Zeit “davor“, bis Zwei sich kriegen, die schönere ist. Denn “Schlaflos in Seattle“ kommt ohne das sonst übliche Körper-Gerangel aus, ohne platte Bett-Akrobatik oder sonstige, gewöhnliche Sex-Dramaturgie. Hier geht es “nur“ ums Vorspiel. Bis es soweit ist. Und wie das angeleiert, beobachtet, arrangiert und pointiert wird, ist ebenso witzig wie herzergreifend. “Schlaflos in Seattle“ ist ein Film zum Fühlen, zum Mitfühlen. Er macht Spaß ohne Krawall; er ist verschmitzt-komisch, ohne klamaukig zu sein, und: Er ist eben wunderschön im Umgang mit Herz und Schmerz: So wie es eben nur Hollywood ausdrücken und vorführen kann: Mit Zauber, Charme und Taschentücher.
Wer nicht gänzlich erkaltet ist, muss “Schlaflos in Seattle“ von Nora Ephron einfach mögen (= 4 PÖNIs).