PÖNIs: (4,5/5)
Was gab es nicht alles schon für schräge KILLER-„WERKZEUGE“ im amerikanischen Film. Killer-Autos zum Beispiel („Christine“ von John Carpenter/1983; nach Stephen King) oder Killer-Tomaten („Angriff der Killertomaten“ von John De Bello/1978) oder gar „Glibber-Pudding“ („Blob – Schrecken ohne Namen“ von Irvin S. Yearworth Jr./1958; mit Steve McQueen). Jetzt „ziehen“ die Franzosen nach. Mit dem 1. KILLERREIFEN-Movie. In englischer Sprache, aber natürlich mit deutscher DVD-Synchronisation. Titel:
„RUBBER“ von Quentin Dupieux (B; Schnitt; K; Co-Musik + R; Fr 2009; Co-M: Gaspard Augé; 79 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 01.07.2011); die Musik entstand gemeinsam mit Gaspard Augé von der französischen Electroband „Justice“.
Ein Multitalent, das unter dem Künstlernamen MR. OIZO der breiten Öffentlichkeit vor allem als Musiker und Musik-Produzent bekannt ist. 1999 zum Beispiel hatte der am 14. April 1974 geborene Franzose mit dem Lied „FLAT BEAT“ einen internationalen Nr. 1-Hit. Seit 2001 ist der „französische Quentin“ auch Spielfilm-mäßig unterwegs. Mit viel Tarantino-Appeal. Seine ersten beiden (hierzulande unbekannten) Spielfilme hießen „Nonfilm“ (2001) und „Steak“ (2007). Sein 3. Filmstreich hat nun bei uns DVD-Uraufführung. Und lohnt sich. Denn, ich sage so etwas ganz selten, SO ETWAS HABE ICH WIRKLICH NOCH NICHT GESEHEN. Und Sie bestimmt auch noch nicht. So etwas Bazi-Schräges, Ungewöhnliches, Uriges.
Dabei fängt „Rubber“, so auch der Originaltitel, eigentlich ganz harmlos an. Na gut, dass ein Polizist irgendwo in einer Wüste nicht auf der Beifahrerseite aus dem Auto aussteigt, sondern aus dem Kofferraum, das signalisiert schon … na ja. Als er dann gar zu uns Zuschauenden hin-blickt und einen außergewöhnlichen Filmzitate-Monolog sowie einen kurzen lebensphilosophischen Vortrag zum Thema „reine Willkür“ hält, irritiert das schmunzelnd schon. „Ladies und Gentlemen, der Film, den Sie gleich sehen werden, ist eine Hommage an die REINE WILLKÜR: das wohl stärkste Stilelement aller Zeiten!“ … heißt es zum Vortragsende. Dann steigt der Uniformträger wieder zurück in den Kofferraum. Klappe zu, während die Kamera zurückfährt und klar wird, dass diese vermeintliche Für-Uns-Rede einer Gruppe von Jung-Alt-Typen galt, die sich hier in der Wüste eingefunden hat. Und die nun von einem „Buchhalter“ mit Ferngläsern ausgestattet wird, damit sie den nun folgenden Film „real“ verfolgen kann. Denn dieser spielt sich fortan direkt vor ihren Ferngläser-Augen ab. Zuvor allerdings werden UNS in großen Buchstaben die Darsteller-Namen bekannt gegeben. Mit darunter sind völlig unbekannte, aber interessant klingende Akteure wie STEPHEN SPINELLA, JACK PLOTNICK, WINGS HAUSER oder ROXANE MESQUIDA. Nun kann es losgehen.
Überall Sand. Müll. Pflanzenreste. Alles ist verwildert. Der Blick fällt auf einen halb verbuddelten Autoreifen. Der „bewegt“ sich. Peu à peu. „Buddelt“ sich selber langsam aus dem Sand. „Rappelt“ sich hoch. Scheint „benommen“. Fällt schon mal wieder um. Rollt dann aber langsam, aber stetig durch die heiße Gegend. „Überfährt“ genüsslich eine leere Plastikflasche sowie dann auch ein lebendiges Kleinkrabbeltier. Um sich danach sogleich mit einer leeren Glasflasche „anzulegen“. Stößt dabei „merkwürdige Geräusche“ aus, dank derer er schließlich die Pulle „besiegt“, zum Explodieren bringt. Die Zuschauer begleiten das „komische“ Geschehen aus der Ferne mit unterschiedlichen Kommentaren. Und weiter geht es. Mit dem sehr wütenden Reifen, dessen „Family“ Film-eingangs verbrannt wurde und der nun zum „Killer“ mutiert. Und sich nun Menschen „vornimmt“. Immer, wenn er lauthals „grummelt“, platzt bald danach ein menschlicher Schädel. Die Polizei ist ratlos. Ebenso wie auch die Zuschauer in der Ferne, die mittenmal zuhauf selber „Probleme“ bekommen. Andauernd erleben wir, sagen wir mal, unerwartete, verstörende „Stimmungsschwankungen“. Überall. Bei allen Beteiligten. Und es wird immer trashiger. Surrealer. Marke absurder Nonsens-Horror pur. Was ist hier Kintopp, was „wahr“??? Mitunter hat man jedenfalls gar „Mitleid“ mit diesem „Spezi“ von Reifen, der, so erfahren wir im Nachspann, Robert heißt und es sich in den Killer-Pausen schon mal „gemütlich“ macht und gerne Fernsehen schaut. Autorennen und so was. Oder Comics.
Ein köstlicher Blödsinn. Der im Vorjahr beim Festival in Cannes in der Nebenreihe „Semaine de la Critique“ lief und an dem im übrigen auch ARTE beteiligt ist. Der zur trashig-lässigen B-Movie-Spitze zählt. Mit überraschenden Wendungen hantiert und augenzwinkernden Roll-Charme versprüht. Auch in der Reinkarnation des Reifens als Dreirad. Dieses Werk verbreitet unterhaltsamen, verblüffenden Dampf. An Ideen und Motiven. In Bewegung und staunender Schmunzelei. Wäre früher, in den guten, besseren Off-Kino-Tagen, ein prächtiger Nacht-Hit in den Spätvorstellungen geworden. Mit seinem Rocky-Horror-Reifen-Tollhaus-Gummigeschmack … oder so.
„Rubber“ ist ein Klasse-Anarcho-Ulk. Ist von lustigem Rotz und spaßigem Schrott-Charme. Besitzt deftig-heftigen Kult-Geruch. Auch übrigens im Bonusmaterial, wenn der Filmemacher ein Interview mit sich selbst über eine „Puppe“ führt und dabei die deutschen Untertitel spiegelverkehrt, also unverständlich durchlaufen. Oder ist das etwa ein Bearbeitungsfehler des hiesigen DVD-Anbieters, der nun als „Zusatz-Gag“ ‘rüberkommt? Nichts Genaues weiß man nicht…
Jedenfalls sorgt das 1. Killerreifen-Movie „RUBBER“ für eine ungewöhnlich amüsante Sommerfilmlaune im Heimkino. A Genre is neu born… (= 4 1/2 PÖNIs).
Anbieter: „Capelight Pictures“.