R.I.F. – ICH WERDE DICH FINDEN

Und schon wieder bzw. erneut geht der Blick, wie so oft in den letzten Kino- wie DVD-Wochen, hin zum französischen Nachbarn, denn DER kann mal wieder mit einem erstklassigen Thriller protzen, der hierzulande „Erstaufführung“ per DVD hat. Irritierender Anfangs-Originaltitel:

R.I.F. – ICH WERDE DICH FINDEN“ von Franck Mancuso (Co-B+R; Fr 2010; 88 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 23.03.2012).

„R.I.F. (Recherche dans I’Intéret des Familles)“, lautet der komplette Originaltitel, übersetzt also „Recherche in Familienangelegenheiten“: „So heißt es offiziell, wenn jemand vermisst wird und es keine Anzeichen für ein Verbrechen gibt“, erklärt gleich eingangs Co-Drehbuchautor und Regisseur Franck Mancuso im umfangreichen „Making Of“-Bonusmaterial. Das Formular für die Vermisstenanzeige ist in Frankreich „so“ gekennzeichnet. Regisseur Franck Mancuso, der hier auch – gemeinsam mit Herve Albertazzi – das Drehbuch verfasste, kennt sich aus in diesem „Milieu“. War rund zwei Jahrzehnte Polizist, bevor er als „technischer Berater“ beim Krimi-Film „Blut leckte“, aus seinem Beruf ausstieg und sich ganz dem Kino verschrieb. 2004 schrieb er am Drehbuch zu dem großartigen französischen Thriller „36 – Tödliche Rivalen“ von Olivier Marchal (s. DVD-KRITIK) mit. 2006 schrieb und inszenierte er seinen ersten eigenen Kinofilm: „Contre-enquete“, mit JEAN DUJARDIN („The Artist“) in der Hauptrolle, der hierzulande am 20.12.2007 auf DVD unter dem Titel „Counter Investigation – Kein Mord bleibt ungesühnt“ herauskam (nicht gesehen) und kürzlich, am 3. April 2012, auf dem ZDFneo-Kanal unter dem Titel „Kein Mord bleibt ungesühnt“ erstmals im deutschen Fernsehen gezeigt wurde.

Der zweite Kinofilm des (zur Drehzeit) 52jährigen Franck Mancuso, der am 31.8.2011 in Frankreich Kino-Premiere hatte und sich auf Anhieb in den Top Ten platzierte, ist erneut von seiner ehemaligen langjährigen Polizei-Arbeit geprägt: „Als ich als technischer Berater angefangen habe, sagte ich mir, wenn ich dazu beitragen kann, dass die französische Polizei auf der Leinwand besser ‚rüberkommt, oder dass ein Schauspieler oder Komparse mit einer Waffe weniger so aussieht, wie ich es aus französischen Serien kenne, dann wäre dies eine gute Sache“ (Franck Mancuso im exzellenten, deutsch-untertitelten 40minütigen „Making Of“). Als Wegweiser-Motiv für seinen neuen Film gibt er vor: „Der Realismus nährt die Fiktion“.

Sein Story-Thema ist eigentlich so neu nicht (siehe „Frantic“ von Roman Polanski/1988 oder „Spurlos“ von George Sluizer/USA 1993 bzw. „Spurlos verschwunden“ von George Sluizer/NL 1988): Einem Mann „verschwindet“ seine Frau. Stéphan Monnereau ist ein „genervter“ Pariser Polizist. Weil beruflich wie privat total gestresst. „Ich scheiß auf die Vorschriften“, lautet sein Lieblingsmotto. Eine Woche Urlaub in der Süd-Region Languedoe-Roussillon soll jetzt das ziemlich abgekühlte Verhältnis zu seiner Ehefrau Valerie (VALENTINA CERVI) wieder „auffrischen“. Der kleine Sohn Théo jedenfalls hofft auf bessere „Stimmung“ zwischen seinen Eltern. Eine Autopanne, ein Motorschaden, bringt unterwegs Verdruss. Man lässt sich bis zu nächsten Tankstelle von einem (etwas „auffälligen“) Transport-Fahrer mitnehmen, von dort geht es dann mit einem Abschleppwagen zurück. Allerdings ohne Mama Valerie, die an der Tank- und Raststelle wartet. Warten soll. Denn als Stéphan und sein Sohn dorthin zurückkehren, ist Valerie verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Stéphane benachrichtigt aufgeregt die örtlichen Kollegen. Die sind auch, unter Federführung des erfahrenen, besonnen Kommissars Bertrand Barthelemy (brillant-beherrscht: PASCAL ELBE), absolut keine „Dorf-Bullen“ und zeigen sich als durchaus kompetent wie kooperativ. Allerdings gibt es – zunächst – keinerlei Spuren. Weder von einem Unglück oder von einem Verbrechen. Und auch der mit-ermittelnde Kumpel-Kollege von Stéphane in Paris findet erst einmal nichts.

Doch: Diese fein dosierten, stimmig-süffisanten Gitarrenklänge von LOUIS BERTIGNAC, dem Gitarristen der französischen Gruppe „Fels Telefon“, der schon an Alben von Carla Bruni beteiligt war und der als Solist erstmals an einem/für einen Soundtrack unangestrengt, aber intensiv bastelte, signalisieren Tarantino-hafte, bedrohliche „Verdachtsmotive“. Und faule „Missstimmung“. An DER vor allem aber auch Stéphane selbst dauerhaft beteiligt ist. Indem er für permanente Unruhe, „Störungen“ und Reibereien sorgt. Weil er ja schließlich „vom Fach“ ist und besser zu wissen glaubt, was jetzt, sogleich – schneller – zu tun ist. Also flippt er permanent ‚rum. Und aus. Auch, weil er bei seinen Recherchen irgendwie seine Ehefrau mittenmal „anders entdeckt“. So, wie er sie bisher nicht kannte. Der auf „Burn out“ zusteuernde „Bulle“ bemerkt nun den seelischen Beziehungsmüllhaufen in seiner Ehe. Den er bisher nicht wahrnahm. Oder wahrnehmen wollte. „Hüpft“ nun wie eine „tickende Zeitbombe“ herum, zumal er sich plötzlich auch im Kreis der Verdächtigen befindet. Eingebunden sieht. Und auf eigene Faust… Was ist passiert? Und warum? „R.I.F.“ ist ein rätselhafter, großartig spannender Thriller. Mit einer verstörenden Auflösung.

Er ist am 4. Januar 1965 in Tel Aviv in Israel geboren und zählt heute zu den renommiertesten Charakter-Akteuren des französischen wie des internationalen Kinos: YVAN ATTAL. Seine auch bei uns bekanntesten Filme der letzten Jahre sind „Die Dolmetscherin“ von Sydney Pollack (2004/mit Nicole Kidman), „München“ von Steven Spielberg (2006) und „Lösegeld“ von Lucas Belvaux (2009), der hier auch gleich auf DVD herauskam. In „R.I.F.“ ist er alles andere als Helden-sympathisch, ganz im Gegenteil. Wie er als „Berserker vom Dienst“ unhöflich, aggressiv und stinkig immer und ewig unter Anspannung steht und ständig sauer agiert, besitzt robusten Starkstrom-Charme. Sein Stéphane „foult“ als Chef-Spieler ununterbrochen. Was überzeugend ‚rüberkommt. Als starker Wut-Typ. Dem Scherereien – wie auch immer – egal sind. Eher abprallen. Ein Ermittler-Egomane auf seinem Trip. Pendelnd zwischen „gutem“ Sheriff und Gesetzes-resistentem Outlaw. Mit Polizei-Marke. Als Pariser „Bullensau“. Mit viel gestörtem Innenleben.
Yvan Attal rotzt heiß ab. Sorgt mit seinem frech-heißen Temperament für eine aufgeladene Klasse-Thriller-Power.

„R.I.F.“ bietet Spitzenspannung und vermag es mit jeder Hollywood-Suspense cool aufzunehmen.

Anbieter: „ATLAS FILM Home Entertainment“

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