RED ROCK WEST

RED ROCK WEST“ von John Dahl (Co-B + R; USA 1993; 98 Minuten; 08.07.1993).

Wie ich schon neulich an dieser Stelle sagte: Dies ist nicht die Kinozeit der Giganten: Der lauten und teuren Filme. Sondern es ist die Zeit der kleinen, schrägen, spannenden Entdeckungen. Der Regisseur von “Red Rock West“ ist 36 Jahre jung und wurde erstmals vor 2 Jahren mit seinem Krimi-Debüt “Kill Me Again“ bekannt, der kürzlich im Samstag-Nachtprogramm bei RTI lief. Nun also “Red Rock West“, die Steigerung. Wieder zwar eine kriminalistische Story, diesmal aber eine mit noch mehr Atmosphäre als beim Erstling.

Der Film ist zunächst ein Road-Movie, fängt also auf der Straße an. Die Landschaft dazu: Irgendwo in Wyoming. Wo der Wind verloren bläst, wo die Zeit stehengeblieben scheint. Vor allem für Michael, der mit seinem klapprigen Cadillac 1200 Meilen gefahren ist, um in einem Öl-Camp zu jobben. Doch weil sein Knie durch den Einsatz bei den Marines kaputt ist, gibt es auch keine Arbeit. Kein Geld, kein Job, die ramponierte Gesundheit: der Kerl ist ganz schön traurig dran. Doch als er mit seinem Texas-Auto in dem Kaff Red Rock ankommt, hält ihn der Mann hinter dem Bartresen für jemand anders. Und schiebt ihm 5000 Dollar rüber. Dafür soll Michael dessen Frau umbringen. Wayne Brown, so heißt der Kerl, hat einen Berufskiller aus Texas angeheuert, und Michael nutzt die Chance. Nimmt das Geld, fährt zur Farm und klärt Mrs. Brown über die mörderischen Absichten ihres Angetrauten auf. Denn Michael ist ein grundehrlicher, ziemlich abgebrannter Bursche. Doch dann der Schock: Suzanne Brown bietet ihm ebenfalls viele Dollar dafür an, wenn er doch, bitte schön, ihren Gatten ins Jenseits befördern würde. Michaels Antwort: Nur weg hier. Mit 10.000 Dollar in der Tasche lässt es sich schon besser reisen. Doch dann rennt ihm in dunkler Nacht direkt ein Mann in den Wagen. Michael muss also zurück und bringt den Schwerverletzten ins Hospital. Dort taucht dann natürlich auch der Sheriff auf: Es ist Wayne Brown. Die Verblüffung auf beiden Seiten kann man sich vorstellen. Dann geht‘s ans Eingemachte, zumal inzwischen auch der “richtige“ Killer auftaucht, um seine Arbeit zu verrichten. Und nun sind sie alle zusammen und können sich so richtig nach gieriger Herzenslust kabbeln und bekriegen.

“Red Rock West“ ist Kino-pur. Ist wie ein guter, alter Whisky, den man kennt, der aber besonders heute mit jedem neuen Schluck immer besser schmeckt. Ein B-Film läuft hier grandios ab: Kurz, knapp, direkt, auf den schnellen Punkt gebracht. Wenig Worte, viele Bilder. Ein paar Typen, ihre Gier, Emotionen, die Dollars. That’s it, das ist es. Ein lakonischer Western mit “film noir“-Charakter. Das heißt: Die Zeichen stehen auf dunkel, auf Melancholie, auf hintergründigen, schwarzen Humor. “Red Rock West“ erzählt von Unmoral in einer unmoralischen Welt. Wo jeder jeden am liebsten betrügt, wenn es Vorteile bringt. Der Westen ist weit, die Figuren spielen einfach “Shakespare On The Road“: Der Stärkere, der Gemeine, soll gewinnen. Die Sprache des Films sind auch seine Farben: Mal blau, mal gelb, mal weiß, dann bedrohlich rot. Magische, atmosphärische Zeichen. Und: Vieles spielt sich hinter den Bildern ab: In Gesten, Bewegungen, Gedanken. Würde Bogart hier vorbeikommen, man wäre überhaupt nicht erstaunt. Es ist eigentlich “sein“ Spielfeld.

Nicolas Cage, der aus “Wild At Heart“, versucht sich überzeugend als moralischer Verlierer. Dennis Hopper, dieses Urviech von Kult-Figur, der einst mit “Easy Rider“ Filmgeschichte schuf, spielt seinen psychopathischen Killer mit feiner, ironischer Häme. Und die anderen Mitspieler passen sich dem schmutzigen Timing locker an. “Red Rock West“, das ist ein prächtiger B-Film zwischen Gefühl und Kunst, der viele Zelluloid-Brüder von der Sorte A glatt im Wind stehen lässt. Oder ganz neu-deutsch: “Red Rock West“, das ist ein heißes Ding von KINO, das man sich nachts, wenn draußen der kalte Sommer tobt, prächtig reinziehen kann (= 4 PÖNIs).

Teilen mit: