Das Schöne am Sommer ist: das Fernsehen. Beziehungsweise sein skandalöses niveauarmes Dauer-Programm. Mit unsäglich vielen Wiederholungen. Starke Filme sind die Ausnahme, und kritisch-pfundige Denk-Sendungen mit kabarettistischem Real-Einschlag, wie die „heute show“ oder „extra 3 – Der Irrsinn der Woche“ befinden sich im sommerlichen Ausruhen. Was allerdings zur Folge hat, dass der Fernseher mehr als sonst ausgeschaltet bleibt und ich dadurch sehr viel mehr zum Lesen komme! In der Tat, ich lese tatsächlich noch zu gerne „richtige“ Bücher und finde in diesen Wochen dafür viel Spaß und Zeit. Davon demnächst Details. Allerdings: HALT! Ausgerechnet das Bayerische Fernsehen funkt wöchentlich dazwischen. Durch seine Hammer-Sendung: „quer“. Ein wöchentliches Polit-Magazin, dessen Erstausstrahlung immer am Donnerstag um 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen stattfindet. Da ich mich noch schlecht an die seligen Bayern-TV-FRANZ-JOSEF-STRAUß-Zeiten erinnere, mit ihren klebrigen = parteiischen CSU-Denk-Gebilden und dem „entsprechenden“ Schwarzen Personal, überrascht es mich immer wieder, was sich die „QUER“-Macher heute alles so erlauben (können/dürfen).
„quer“ berichtet, informiert, glossiert, parodiert = kritisiert ständig für eine Dreiviertelstunde aktuelle Themen aus Politik, Zeitgeist, Gesellschaft, Kultur. Und: Straßenbau. Sowie, Oft-Thema: Die tägliche „bayerische Dauerversiegelung“ gestatte heute. Attacken auf die Natur durch industrielle oder ministerliche oder Landkreis-Dekrete gehören zum Dauerthema der Sendung. Die sich zwar regional quer-umschaut, aber mit ihrer hinterfotzigen Haltung und ihrer augenzwinkernden Verkündigung natürlich über die Grenzen des Heimatlandes des Kreuzes hinausschießt. DER Hit aber über allem: Das wöchentliche „freundschaftliche“ Abarbeiten an den CSU-Ober-Spezis Markus Söder und Horst Seehofer. Und umgekehrt.
Und dass dies so sprachlich einmalig, wunderbar doppeldeutig, köstlich ironisch und brillant-treffsicher-pointiert gelingt, ist der Verdienst des vorzüglichen Moderators CHRISTOPH SÜß. Der Münchner des Jahrgangs 1967 ist das Nonplusultra der frechen, kessen, auf den Punkt-genau stimmigen Sprach-Provokation. Sein Vokabular ist geistreich, witzig, durchtrieben, von aufreizender Schlüssigkeit. Dieser schlakse Typ grinst einen sympathisch an und verteilt permanent zünftige wie intelligente Verbal-Watschen. Wie er – auch schon mal als Selber-Double – süffisant die Mächtigen und ihre dämliche bis gefährliche Macht-Ausübung benennt, zeugt von kluger, cleverer Haltung, aber auch von Vergnügen sowie Weit- und Tief-Sicht. Falls es ihn gibt, hätte CHRISTOPH SÜß unbedingt den Dieter Hildebrandt-Preis verdient. Jede TV-Woche so „in Form“ zu sein und zu bleiben und köstlich anzuecken, passt schon. Außergewöhnlich gut.
Seit über 20 Jahren existiert „quer“ (Erst-Sendung: 28. Februar 1998) und es wird Zeit, dieses Hohe Kritik-Lied der Bayern einmal gewürdigt zu haben. Denn „quer“ hat schon längst nur-regionales Übel-Wasser verlassen und sich auf bundesweite Polit-Fluten eingelassen. „Ein Fremdkörper mitten im BR-Programm“, stand neulich in der „Süddeutschen Zeitung“. Was für ein verdientes Kompliment!
Und da wir uns gerade „im Bayerischen“ befinden, lustig wurde es kürzlich auch beim alljährlichen „Filmfest München“ (28.6.-7.7.). Dort plusterte sich rede-satt Ministerpräsident Söder auf („Ich bin ein großer Cineast“), nachdem er vom Bühnenmoderator als „Godfather des bayerischen Films“ bedacht wurde. Söder kündigte großspurig an, seine Provinz-Veranstaltung zu einem „Internationalen Medienfestival“ mit eigenem neuem Festivalzentrum ausschmücken zu wollen, mit einem zusätzlichen 3 Millionen-Etat aus der Haushalts-, sprich Steuer-Kasse, denn schließlich: „Es ist nur schwer zu ertragen, dass Berlin die Nummer eins ist. München ist spannender und schöner“. In der „Süddeutschen Zeitung“ war danach zu lesen: „Eine schizophrene Idee!“. Die man ihm schnell ausreden sollte. Kein Wunder, dass bei so vielem „Material“ „quer“ zu einem bayerischen TV-Republik-Hit mutierte.
Wünsche eine tolle „quer“-Woche. Bleibt gescheit. Und seit weiterhin angenehm grantig. PÖNI grüßt fröhlich