PÖNIs BLOG (96): 6 KINO-FILM-STARTS; 1 x HEIMKINO-SCHROTT; ALEX („Japan“) MAYR

1.)   STARKE WIRKUNG… hinterlässt das 153-minütige Meisterwerk des renommierten 80-jährigen italienischen Autoren-Regisseurs MARCO BELLOCCHIO, dessen aktueller Spielfilm IL TRADITORE („Der Verräter“) im Vorjahr bei den Filmfestspielen von Cannes für Aufsehen sorgte. Thema der Co-Produktion Italien/Frankreich/Deutschland/Brasilien: MAFIA. Die dreckige, reiche, widerwärtige, machtvolle Parallelgesellschaft während der 80-er Jahre in der Heimat ITALIEN: „Palermo ist in jenen Jahren der größte Heroin-Umschlagplatz der Welt. Zwei Lager streben Abkommen zur Aufteilung des Heroinhandels an  – die alte Mafia Palermos und die neue Corleoneser-Mafia“. Dabei im Blick- und Mittelpunkt: Der – eigentliche – Nur-„Soldat“ und hochrangige Mafiaboss TOMMASO BUSCETTA (überragend: PIERFRANCESCO FAVINO). Der sich zu Filmbeginn „auf dem Abflug“ nach Brasilien befindet. Mit seiner Familie. Zu heiß und gefährlich erweist sich sein Wohn- und Handelsplatz in Sizilien. Wo – trotz anderslautenden Aussagen – „die Corleonis“ mörderisch wüten. So dass Buscetta seine „höheren Werte“ (= niemals Frauen und Kinder killen) abhanden kommen sieht. Stichwort: Mafia ja, aber „mit Anstand“. Doch auch in Südamerika kommt Don Masino, wie Tommaso Buscetta genannt wird, nicht zur Ruhe, ganz im Gegenteil.

Von Ende der 70er bis Anfang der 80er Jahre sieht er sich mit dem zunehmenden Gewalt-Streben und brutalen Macht-Strukturen der Corleonesi-Konkurrenz konfrontiert. Deren Mitglieder missachten die Prinzipien der Cosa Nostra und kennen kein Pardon. Bevor ihn aber italienische Handlanger „kriegen“, wird er von der brutalen brasilianischen Polizei verhaftet. Am 14. Juli 1984 liefert man ihn nach Italien aus. Wo sich Buscetta -„Ich war immer ein Ehrenmann. Ich bin müde!“ – schließlich mit Richter Falcone arrangiert, so dass ein Prozess in Gang kommt, bei dem seine Enthüllungen dafür sorgen, dass 366 Cosa Nostra- Mitglieder angeklagt, verhaftet und schließlich 344 verurteilt werden. MARCO BELLOCCHIO, geboren am 9. November 1939 in Bobbio, Provinz Piacenza, bekannt zum Beispiel durch „Buongiorno, notte – Der Fall Aldo Moro“ (2003), erzählt atemberaubend von der widerwärtigen Existenz einer Parallelgesellschaft in Italien, deren Gier und Brutalität immens und scheinbar nicht aufzuhalten ist.

Während er aufregend, dicht und nahegehend an den wahren Ereignissen um den legendären Kronzeugen Tommaso Buscetta bastelt, faszinieren die Bauten, packt einen dieses „gläubige“ Personal um die selbsternannten Bestimmer und geilen Herrscher; beeindruckt die konsequente Schilderung, Beschreibung des so genannten Zweiten Mafiakriegs, bei dem das gegenseitige Abschlachten alltäglich ist. „IL TRADITORE – ALS KRONZEUGE GEGEN DIE COSTA NOSTRA“ kann sich mit fantastischen Kino-Epen wie „DER PATE“ messen, interessiert sich dabei aber überhaupt nicht für Mafia-Glorifizierung. Ganz im Gegenteil: Überzeugt vielmehr als starkes Licht-Spiel, das kraftvoll, virtuos und packend total anspricht. In „Le Monde“ steht: „Der schönste, intelligenteste Mafiafilm seit Martin Scorseses ‚Casino'“. Während „The Guardian“ lobt: „Großartiges, mutiges, selbstbewusstes Kino“. Was vor allem an der brillanten Nummer 1-Darstellung von Pierfrancesco Favino liegt, dessen Buscetta-Part von überragender Präsenz und Eindringlichkeit ist. Wie der raffinierte Marco Bellocchio intime Motive mit packenden, süffisanten (Gerichts-)Massenszenen genial verbindet, ist meisterlich. WAS FÜR EIN GIGANT! WAS FÜR (S)EIN ÜBERRAGENDER FILM! (= 5 PÖNIs).

2.)   SPANNEND: DIE Überraschung – ein BERLIN-Film der sich lohnt. Mit aktuellem Geschmack. Von: GENTRIFIZIERUNG. Im Jargon gerne auch auch „YUPPISIERUNG“ genannt. Wenn beispielsweise in einem picke-packe-vollen Großstadtviertel wegen „Attraktivitätssteigerung“, sprich Gewinnmaximierung = Wohnwechsel vorgenommen werden. Sprich. Alte „arme“ Mieter weg, neue = zahlungskräftige ziehen ein. Sprich 2: dieser sozioökonomische Strukturwandel wie er – zum Beispiel in Berlin – gang und gebe ist. In dem Debütthriller „DER LETZTE MIETER“ von GREGOR ERLER (Co-Buch und Regie) ist man schnell beim Thema. In einem „umfunktionierten“ Gebiet wurden schon fast sämtliche Häuser saniert. Fast. Eine letzte Wohnungsstätte sollte eigentlich auch schon längst fein „umgemodelt“ sein. Doch Mieter Dietmar (WOLFGANG PACKHÄUSER) weigert sich. Vehement. In eine „angemessene“ Sozialwohnung umziehen will er auf gar keinen Fall. Selbst der Handwerker-Sohn vermag seinen Erzeuger nicht umzustimmen. Als Tobias (MATTHIAS ZIESING) dann beim Vater den zuständigen Makler Mark (MORITZ HEIDELBACH) trifft, beginnt der – buchstäbliche – Schlagabtausch. Zu dem sich dann auch noch eine Polizistin (PEGAH FERYDONI) gesellt. Überraschenderweise schnell auf den gesellschaftlichen, politischen wie rasant atmosphärischen Großstadtpunkt kommender Spannungsfilm, der ebenso mutig wie wild-spannend voranwütet. Und sich eigentlich klare Positionen und Absichten plötzlich ganz anders ergeben. Auf dass nicht nur Tobias ins aggressive Staunen gerät. Außerordentlich stimmiger, stimmungsvoller und Realitäts-kesser deutscher Spannungsfilm. Gut gespielt, konsequent erzählt, emotional wie effektiv-denkend und clever hantierend. Ein taffes Gentrifizierungs-Debüt mit pfiffiger Realo-Atmosphäre(= 4 PÖNIs).

3.)   …ja DOCH: Den ersten Kinospielfilm der Autoren-Regisseurin LEONIE KRIPPENDORFf aus dem Jahr 2016 – Titel: „Looping“ (mit Jella Haase) – habe ich verpasst, der zweite konnte jetzt gesehen werden: „KOKON“. Sie heißt Nora (prima: LENA URZENDOWSKY), ist 14 und züchtet in ihrem Zimmer gerne Raupen. Gemeinsam mit der etwas älteren Schwester Jule (Lena Klenke) und der Mutter lebt man im „Kotti“, am Kottbusser Tor-Kiez. Da die Mama sich mehr um sich als näher um ihre Kids kümmert, betrachtet sich die Nora eher still und staunend. Privat wie schulisch. Als sich ihr Körper das erste Mal blutig „meldet“, befindet sich Romy (JELLA HAASE) in der Nähe und vermag zu helfen. Vom „Kokon“ zum Schmetterling, das jugendliche Leben in einer pulsierenden Berlin-Ecke; der erste Sommer eines schüchternen jungen Mädchens, das mit sich und „den Anderen“ klar zu kommen bemüht sich und sich dabei mitunter im – zurückhaltenden – Weg steht. Sich auf Identitätssuche befindet. Hübsch versehen mit der poetischen Off-Stimmenzufuhr der staunenden Nora – Lena. Sowie der einmal mehr charmanten Romy – Jella. Bei und mit der sich Nora wohlfühlt. Bis sie es ihren geliebten Raupen nachzumachen versteht: Tschüs Kokon (= 3 1/2 PÖNIs).

4.)   OH und JE: Die britische Autoren-Regisseurin SALLY POTTER kam neulich mit einem lecker-bissigen, kurzen Wir-Menschen-treffen-uns – Movie daher: „The Party“ (s. Kino-KRITIK). Ihr Nachfolgefilm „WEGE DES LEBENS – THE ROADS NOT TAKEN“ dagegen versagte schon im Frühjahr im Berlinale-Wettbewerb. Mit bemühter, langweiliger Anstrengung. JAVIER BARDEM mimt als Demenz-kranker Schriftsteller Leo „egal“; mal ist er völlig daneben in seinem Little-New York-Appartement, dann hat er mit den Überlegungen zu tun was wohl passiert wäre, wenn nicht das, was passiert ist. 24 Stunden in drei Phasen (und 86 Minuten): Die Jugendliebe Dolores (SELMA HAYEK); die Möglichkeit einer Existenz auf einer griechischen Insel, Ach-her-jeh, und heute aktuell – mit der geduldigen, helfend einschreitenden Tochter Molly (ELLE FANNING). Mal ist Leo eindimensional-froh, mal viel dagegen traurig. Ein dürftig-dummer, läppischer Streifen (= 1 PÖNI).

5.)   „NUR EIN AUGENBLICK“ von Randa Chahoud (B + R) will viel. Sein. Erreichen. Strengt sich erheblich an. Ohne passende Wirkung. Stattdessen – von vielen zu viel. Was zu mehr Distanz anstatt Nähe und Einfühlsamkeit führt. In dieser Deutsch-Britischen-Co-Produktion haben sich in Hamburg der junge Syrer Karim (MEHDI MESKAR) und seine schwangere Freundin Lilly (EMILY COX) seit Jahren ein sorgenfreies Studentenleben eingerichtet. Während seine Eltern sich auf dem Weg zu ihnen machen, geht es dem geliebten Bruder Yassir weitaus schlechter. Er ist in der Heimat geblieben und jetzt in ein Foltergefängnis verschleppt worden. Karim beschließt, sofort nach Syrien zu fliegen, um seine Bruder zu retten. Aus der geplanten Kurzreise wird ein längerer  kriegerischer Aufenthalt. Mit Fragen wie: Was wird aus Menschen, wie verwandeln sich Menschen, wenn sie in einem Krieg landen; und überhaupt – was geschieht mit Menschen, wenn sie gegen ihre Vernunft handeln? Müssen? Gewalt-Aktionen, schwere Dialoge, ein Hauptakteur mit schwachem Ausdruck, mal Kriegs-Drama, mal Revolutionsaktionen; mal zivile Anekdoten; mal Rache-Movie; der Film erklärt die Sicht von der Freien Syrischen Armee: „Behandele deine Waffe wie deine Frau – niemand anders darf sie anfassen“. „Nur ein Augenblick“ fehlt Tiefenschärfe, funktioniert nicht, setzt zu viele nur angerissene rastlose Zeichen von Teilen der kaputten Welt in unserem Jahrhundert (= 2 PÖNIs).

6.)   SCHROTT: Im aktuellen HEIMKINO wird derzeit der Ami-Streifen „DISTURBING THE PEACE“, also: „Den Frieden stören“, angeboten. Regie: York Alec Shackleton. Mit GUY PEARCE als Sheriff eines Provinz-Kaffs, der keine Waffe trägt. Weil er vor 10 Jahren versehentlich einen Kollegen angeschossen und schwer verletzt hat. Doch jetzt kommen üble Gangster in die Region, überfallen eine Bank und warten auf den Geldtransporter. Zwischendurch wird lausig geballert und gekillt. Zwangsläufig muss Jim Dillon (Guy Pearce) doch wieder zur Waffe greifen. Primitiver Action-Müll; mit fürchterlich blöden Figuren, schlichten Dialogen und grottigem Getue. Guy Pearce mimt schrecklich (= 0 PÖNIs).

7.)   Na ja: Kurz vor Tores-, also Redaktionsschluss, trift ein saukomischer Film aus Israel ein. Mit dem saustarken Titel versehen: „MOSSAD“Neben vielen unbekannten Akteuren nennt das Skript auch einen 72-jährigen Amerikaner namens DAVID ZUCKER. Der hier als „kreativer Berater“, präzise: als „Creative Consultant“, sau-kreativ tätig war. Heißt es. Sau-Werbe-listig. David Zucker hatte einst – mit Bruder Jerry und Kumpel Jim Abrahams – die kultigen drei „nackte Kanone“-Streifen hergestellt. In „Mossad“ erleben wir, wie ein ehemaliger 000007-Agent vom israelischen Geheimdienst – Guy Moran (TSAHI HALEVI) – um seine Rückkehr in den sau-erlauchten Fighter-Kreis fightet. Jede Sekunde von diesem stundenlangen Streifen ist mit Gags, Anspielungen und Idioten gefüllt. Dies oder Diese auch nur sau-annähernd zu beschreiben, ist leider nicht möglich. Von wegen – solch ein Zinnober von Slapstick-Sauereien ist nur schwer zu kapieren. Irgendwie geht es auch um die Smartphones auf der Welt. Und um Alon Gur Arye, einem sau-bemühten israelischen Autoren-Regisseur, der gerne ununterbrochen mit Slapstick-Ballast herum zu blödeln liebt.  Mit dem Prädikat: Warum denn nicht! (= 3 PÖNIs).

8.)   MUSIK: ALEX MAYR heißt die junge Dame aus der Nähe von Bremen, deren Lied „Japan“ mir seit einigen Tagen freundlicherweise nicht mehr aus dem Kopf gehen mag. Ihre Musical-Karriere hat sie zugunsten des eigenen Song-Schreibens an den Nagel gehängt und werkelt seit 2015 mit Lebens- und Band-Partner Konrad Henkelüdeke an lässig- melancholisch-poppigem Liedgut mit bildhaften deutschen Texten und eingängigen Melodien.
Ohne Plattenfirma im Hintergrund hat sie im Frühjahr dieses Jahres ihr erstes Album namens „Wann fangen wir an?“ veröffentlicht, und dank pfiffiger Musikredakteure gelangte die Kunde davon auch an meine Ohren. Sehr gerne empfehle ich Neuentdeckung Alex Mayr weiter, vor allem mit dem folgenden Video – nur echt mit dem lieben Spaghetti-Monster!

Wünsche eine echte Spaghetti-Woche.       HERZlichst:  PÖNI Pönack

kontakt@poenack.de

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