PÖNIs BLOG (261): Großartig: „ANATOMIE EINES FALLS“ (5); „TITINA“ am Nordpol; Heimkino- HÄRTE: „THE GOLDSMITH“; „QUEEN“ in Nordkorea

1.)     CINEASTISCHER UNTERHALTSAMER SPITZEN-GENUSS. Titel = „ANATOMIE EINES FALLS“ von JUSTINE TRIET (Co-B + R; Fr 2022; Co-B: Arthur Harari; K: Simon Beaufils; M: 50 Cent; 151 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.11.2023). Ich lese gerne. Verziehe mich dann in eine Zimmer-Ecke, um „so abgeschottet“ – in einem Sessel – voll in die Lektüre einzutauchen. Abzutauchen. Bei diesem Spielfilm ging es mir ähnlich. Nach kurzer Zeit befand ich mich in einer beweglichen Lektüre. In die ich mich interessiert wie packend störungsfrei vertiefte.

Das Paar. Sie, Sandra Voyter, (SANDRA HÜLLER), ist eine anerkannte, erfolgreiche Roman-Autorin. Ihr Ehemann Samuel (SAMUEL THEIS) dagegen ist auf seiner Identitätssuche. Gemeinsam mit dem Augen-erkrankten elfjährigen Sohn Daniel (MILO MACHADO GRANER) leben die Voyters in einer großzügigen wie einsamen Hütte in den französischen Alpen bei Grenoble. Er hat seinen Roman „angefangen“, kommt aber „mit DEM“ nicht weiter. Voran. Offensichtlich spielen Beziehungskonflikte eine Rolle. Frau und Mann haben sich mittlerweile mehr entfernt. Denn in dieser Abgeschiedenheit genähert. Ist – demnächst – zu erfahren. Jetzt aber durchbricht ein Unfall das Lebens-Zeitfenster. Der sehbehinderte Daniel ist mit dem Hund spazieren. Als er zurückkommt, liegt Daddy Samuel tot vor dem Haus. Aufgrund der Hilfeschreie stürzt die Mutter aus dem Haus. Ruft den Notarzt.

Ein Jahr später: Ein Prozess ist angesetzt. Der Film wandelt sich zu einem Krimi-Drama. Der Staatsanwalt tritt dabei als harter Ermittler – Erklärer auf. Will „unbedingt“ zu beweisen vermögen, dass es sich hier um einen Mordfall handelt. Wie es offensichtlich auch die Polizei „empfindet“. War es also Mord? Oder doch Selbstmord? Oder doch nur ein tragischer Unfall, lauten nun die Fakten? Sandra jedenfalls ist hier als Hauptverdächtige ausgemacht. Was folgt ist ein aufreibender Indizienprozess, der nach und nach nicht nur die Umstände von Samuels Tod, sondern auch Sandras und Samuels lebhaftes Zusammenleben im Detail seziert. Und auch der kleine Sohn wird bei diesem Gerichtsduell schließlich näher mit-einbezogen.

Wie bei einem Buch – man kann den Film nicht mehr „ablegen“. Ganz im Gegenteil: Während SANDRA HÜLLER als Sandra Voyter („I’m Not A Monster“) vehement, gemeinsam mit ihrem engagierten Anwalt (SWANN ARLAUD), um die Wahrheit“ ringt, setzt der Ankläger (begeisternd „fanatisch“: ANTOINE REINARTZ) mit aller Raffinesse alles in ausgiebige, listige Wortbewegungen, um seine Anklagevorwürfe zu festigen. Zu untermauern. Eine Spannung jedenfalls vibriert immer aufwallender durch den Gerichts- bzw. Kinosaal. Im Ringen um die Fragen, was wirklich geschah, was tatsächlich damals passierte. Oder eben nicht. Wo sich die „Wahrheit“ befindet. Und wie-überhaupt DIE lautet. Lauten kann. Beziehungsweise – ob DIE überhaupt durch diesen Justizfall herauskommen wird.

Dieser packende, spannende, faszinierende Film von JUSTINE TRIET stellt die Widersprüche im Privaten der harten Realität des Justizsystems gegenüber. Besitzt mit der phänomenal-wandlungsfähigen SANDRA HÜLLER eine begeisternd-nuancierte Akteurin, deren empathische wie verbale Wirkung einen in  ihren faszinierenden Bann zieht. Kein Wunder, dass es in Cannes Lobeshymnen für Film, Regisseurin und Hauptdarstellerin hagelte. Und der Film den Hauptpreis, die „Goldene Palme“, für die Regisseurin zugesprochen bekam. Vor ihr gewannen nur drei Frauen diesen begehrten Filmpreis  = die Dänin BODIL IPSEN (1946) als Ko-Regisseurin für „Rote Wiesen“; die Neuseeländerin JANE CAMPION“ (1993)  für „Das Piano“ und die Französin JULIA DUCOURNAU (2021) für „Titane“ /s. Kino-KRITIK/ 3 PÖNIS) diesen Preis.

„Anatomie eines Falls“ oder: Mit was für einem meisterlichen Kino-Werk triumphiert das aktuelle Kino (= 5 PÖNIs).

2.)     TIERISCHE EXPEDITIONEN. Titel = „TITINA“ von Kajsa Naess (Co-B + R; Norwegen 2022; Co-B: Per Schreiner; ANIMATIONSFILM, der die wahre Geschichte der Hündin „Titina“ erzählt, einem kleinen Terrier, der 1926, gemeinsam mit seinem Herrchen, dem italienischen Luftschiffingenieur Umberto Nobile, und dem norwegischen Entdecker Roald Amundsen mit einem Luftschiff den Nordpol erkundete; K: Cecilie Semec; M: Kare Vestrheim; 92 Minuten; deutscher Kino-Start: 02.11.2023). Dieser Animationsfilm beinhaltet auch reale Filmbilder. Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) stattete den Film mit dem Prädikat besonders wertvoll aus. Mit folgender Begründung:

Die russische Hündin Laika war das erste Lebewesen im All, aber schon lange vor ihr nahm die kleine Terrierhündin Titina am ersten Überflug des Nordpols teil. Sie war das Haustier des Luftschiffkonstrukteurs Umberto Nobile, der 1926 vom Polarforscher Roald Amundsen den Auftrag bekam, ein für solch eine Polüberquerung geeignetes Luftschiff zu bauen. Die beiden Männer und der Hund gehörten damit zu den Ersten, die den Nordpol erreichten. Später flog Nobile in einem anderen Luftschiff noch einmal in die Polarregion. Dort stürzte es ab und als Amundsen ihn in einem Flugzeug finden und retten wollte, verschwand dieser spurlos. Es ist ein historisch belegtes Abenteuer, welches die Filmemacherin Kajsa Naess in ihrem Animationsfilm erzählt, und da sie dabei die kleine Titina in den Mittelpunkt rückt, ist dies ein Familienfilm geworden. Denn die niedliche Hündin macht diese Geschichte, in der sonst vor allem erwachsene Männer schalten und walten, auch für Kinder interessant. Naess erzählt die historisch belegte Geschichte nach und spickt ihre Animationssequenzen, die an den Stil einer Graphic Novel erinnern, immer wieder mit historischen Filmaufnahmen von den abenteuerlichen Reisen. Dabei erzählt sie eher episch als in Spannungsbögen und nimmt sich Zeit dafür, das Milieu und das Lebensgefühl der beiden Protagonisten zu vermitteln. Nobile lebt im sonnigen Italien, Amundsen im frostigen Norwegen, und den Kontrast zwischen diesen beiden unterschiedlichen Lebenswelten zeigt Naess in liebevoll gestalteten Stimmungsbildern, in denen etwa in Italien Jazz in einer Schenke gespielt und i Norwegen vor allem Ski gefahren wird. Titina ist zwar eine eher passive Protagonistin, aber zum Teil wird der Film aus ihrer Perspektive erzählt. Also etwa auf Kniehöhe der Menschen, von denen dementsprechend manchmal nur Schuhe und Hosenbeine zu sehen sind. Der Film behandelt auch die sozialen und politischen Umstände, die die Polarflüge beeinflussen. In Italien gewinnt etwa Mussolini immer mehr an Macht und im Film ist er ein kleiner cholerischer Mann in Uniform. Er und einer seiner Generäle sind als einzige mit satirischem Spott gezeichnete Karikaturen. Alle anderen Menschen und Hunde sind als lebendig und sympathisch wirkende Figuren entworfen. Der Film ist auch deshalb reizvoll für das Auge, weil Naess einfallsreich immer neue und interessante Perspektiven findet, aus denen auf das Luftschiff geschaut wird, dass ja im Grunde immer nur langsam über den Himmel gleitet. Der Film hat einen langen Atem, denn in ihm wird sorgfältig und mit einem Reichtum an Details erzählt, der von langen und genauen Recherchen kündet. TITINA wirkt wie ein Gegenentwurf zu den gängigen Animationsfilmen, die in Hollywood, aber auch in Europa als Actionspektakel mit einem manischen Timing inszeniert werden. Hier wird dagegen mit einer souveränen Ruhe eine Geschichte aus jener Zeit erzählt, als Luftschifffahrer und Piloten so ähnlich gefeiert wurden wie nach ihnen die Astronauten. Nach ergiebiger Diskussion freut sich die Jury das Prädikat BESONDERS WERTVOLL erteilen zu können.

Im Nachspann heißt es: „DAS EIS AM NORDPOL SCHMILZT. DAS WIRD UNS ALLE BETREFFEN. SAG NEIN ZUR ÖLFÖRDERUNG IN DER ARKTIS“  (= 4 PÖNIs).      P.S.: „Imposante Landschaftsaufnahmen, fantastische Einschübe und Ausschnitte aus schwarz-weißen Wochenschau-Aufnahmen runden sich zu einem stimmungsvollen Abenteuerfilm ab“  („Film Dienst“).      

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3.)     Auge um Auge-HORROR. Titel = „THE GOLDSMITH“ von Vincenzo Ricchiuto (Co-B + R; Italien 2022; Co-B: Germano Tarricone; K: Francesco Collinelli; M: Alxander Cimini; 94 Minuten; deutscher HEIMKINO-Busch-Media-Group-Start: 13.10.2023). Eigentlich passiert bekanntes  –  Bösewichte/Schurken greifen an, um Geld/Gold zu klauen, doch irgendwann vermögen sich die Überfallenen zu wehren. GUT gewinnt gegen BÖSE. Punkt-Ende. So beginnt auch dieser Film. Ein jugendliches Räubertrio überfällt ein älteres Paar. Die abgelegen in einem Landhaus wohnen. Als Goldschmied plus Ehefrau. Doch dann verändern sich die Positionen. Als die Senioren die Führungspositionen übernehmen. Und „die Gören“ einsperren. Um sie fortan bestimmend zu dirigieren. Mit jeglicher List und gnadenloser Brutalität. Damit war nicht zu rechnen, muss der Nachwuchs erschüttert feststellen. Zumal auch immer mehr üble Tatsachen aus der Vergangenheit aller Beteiligten „bekannt“ werden. Die mehr und mehr richtig weh tun.

Manchmal sorgt das heimische Kino für robuste nächtliche Sessel-Unterhaltung. Und wenn dann alles auf den brutalen Kopf, sprich – in die Augen „gekitzelt“ wird, ist die Aufregung groß. Wie hier. Wo es den Alten riesigen Spaß macht, „Greise“ sich mal listig-gemein-heftig-grinsend austoben zu lassen. Empfindsame Zuseher sollen gewarnt werden: Das hier ist scharfe Blu-Ray-Gewalt-Kost, die gruselig-vibrierend an-, besser – ein-schlägt (= 3 PÖNIs).

4.)     NORDKOREA-R O C K:  Das ist ein Gruppen-Hammer von QUEEN-Song: „I WANT TO BREAK FREE“. Mit Dance-Power. Aufgeführt in Nordkorea. Heißt es. Also haben wir für diese Woche einen musikalischen Reise-Reißer (von 1984) aus dem Hause von Freddie Mercury  anzukündigen:

Wünsche eine überzeugende November-Woche.

PÖNI Pönack grüßt

kontakt@poenack.de

 

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