1.) Liebe und Hass. AMBIVALENZ. Das reiche Elend. MENSCHEN. Ihr Dasein unter Gewalt. Ihre GIER. Ihre VERBRECHEN. Die historische Ami-SCHANDE. Titel = „KILLERS OF THE FLOWER MOON“ von MARTIN SCORSESE (Co-B + Co-Produktion + R; USA 2021; Co-B: Eric Roth/basierend auf Grundlage des gleichnamigen Sachbuchs über die Osage-Morde von David Grann/2017; Co-Produktion u. a.: Leonardo Di Caprio; K: Rodrigo Prieto; M: Robbie Robertson; 206 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.10.2023). Ein MEISTERWERK befindet sich derzeit auf den KINO-LEINWÄNDEN. Was erfreulich ist, aber nicht wundert, schließlich zählt der am 17. November 2023 seinen 81. Geburtstag begehender Regisseur, Drehbuch-Autor, Filmproduzent und Schauspieler MARTIN SCORSESE zu den einflussreichsten Filmemachern des zeitgenössischen US-amerikanischen Kinos. Zu dessen bekanntesten Filmen zählen überragende Werke wie „Taxi Driver“ (1976); „Wie ein wilder Stier“ (1980); „GoodFellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia“ (1990); „Casino“ (1995); „Departed – Unter Feinden“ (2006); „The Wolf of Wall Street“ (2006) sowie „The Irishman“ (2019).
„Ich wollte schon immer einen Western machen. Ich habe viele der Western geliebt, die ich in meiner Jugend gesehen habe, und ich liebe sie immer noch. Diese Filme haben mich als Filmemacher genährt, aber sie haben mich auch dazu inspiriert, tiefer in die wirkliche Geschichte einzutauchen“ (Martin Scorsese).
Die Historie: 1870 hatte der Stamm der amerikanischen Ureinwohner Osage – nach dem Verlust ihres Stammlandes an weiße Siedler – ein Gebiet von rund 5.700 Quadratkilometer in der Nähe der Grenze zu Kanada als neues Siedlungsgebiet zum Spottpreis von 1,90 US-Dollar gekauft und sich dort niedergelassen. Als dort riesige Ölvorkommen entdeckt wurden, begann der private, gesellschaftliche, politische, kapitalistische, kriminelle Schlamassel.
„KILLERS OF THE FLOWER MOON“ ist eine epische Western-Krimisaga über die mysteriösen Morde an Angehörigen der OSAGE NATION, Ureinwohner Amerikas. Denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Erdöl großen Reichtum bringt, so dass sie über Nacht zu einem der wohlhabendsten Völker der Welt werden. Der Wohlstand zieht sofort weiße Eindringlinge an, die die Menschen manipulieren, erpressen und den Osage so viel Geld stehlen, wie sie können und Morde nicht scheuen. Vor diesem Hintergrund erzählt der Scorsese-Film von der ungewöhnliche Liebe zwischen dem ehemaligen Soldaten Ernest Burkhart (LEONARDO Di CAPRIO) und der Osage-Frau Mollie Kyle (LILY GLADSTONE), in der aufsehenerregende Empathie und ein unfassbarer Verrat aufeinandertreffen. Bei dem der „nette“ reiche Rinderbaron und Ernest-Onkel William „King“ Hale (ROBERT De NIRO) mit einer teuflischen „Mephisto“-Führer-Rolle raffiniert-planerisch wie verlogen-verbrecherisch hantiert. Während, quasi-nebenbei, im Lande, durch die Gründung des FBI, die Meute Volk mit neuen Rechtsregeln konfrontiert wird. Und FBI-Agent Tom White (JESSE PLEMONS) mit einer Kollegenschaft auftaucht. Um herauszubekommen, warum gerade hier, in Oklahoma, solch ein fieses Treiben bestimmt ist. Was den örtlichen „King“ mehr und mehr in ziemlich miese (Geschäfts-)Laune versetzt. Vermag er doch plötzlich nicht mehr so zu „handeln“ wie er es heuchelnd rundum gewohnt ist: „Verzeihung – für alles, was wir euch angetan haben…“. Ekelhaft. Der amerikanische Kapitalismus zieht neue Seiten auf.
Mörderisches Ölgeld und brutale Heiratspolitik: „Der Film ist wie ein Filter, durch den die Geschichte der USA wie wie ein Licht fällt, gebrochen wird. Als verabschiede sich Scorsese davon, die Geschichte des Landes weiterzuschreiben und zu -filmen. Sie kann nur noch gefiltert, (neu) gesehen, (neu) gelesen werden“ (Kritik „Filmdienst“).
Der außergewöhnliche wie großartige lange Film – mit Produktionskosten von 200 Millionen Dollar – ist ein Genuss. Lässt und gibt sich Zeit beim Beobachten. Erklären. Berühren. Bewegen. Doppelbödige Eskapaden beherrschen die faszinierenden westernhaften Szenerien. Der Film präsentiert reizvolle atmosphärische Desaster. Noch einmal, vielleicht zum letzten Mal, duellieren sich Vor-vor-gestrige amerikanische Zeit-Epochen, die Scorsese mit Schwarz-Weißen-Alt-Bildern zusätzlich-erklärend füllt. Während die Stars an der Rampe für spannende, packende, brutale (Seelen-)Motive sorgen. Dabei mit-federführend: die fantastische indigene LILY GLADSTONE als sensationelle Osage-Indianerin (als eine „Oscar“-Favoritin). Eine Wucht. Der Film (= 4 1/2 PÖNIs).
P.S.: Einige Fakten zur Kenntnisnahme: Leonardo DiCaprio, Robert De Niro und Lily Gladstone haben für den Film die Osage-Sprache gelernt. Martin Scorsese hat mit De Niro bereits zehnmal und mit DiCaprio sechsmal zusammengearbeitet, doch dies ist das erste Mal seit „This Boys Life“ von 1993, dass die Beiden gemeinsam in einem Film auftreten. Es ist Martin Scorseses 21. Spielfilm, bei dem er mit der Cutterin Thelma Schoonmaker zusammengearbeitet hat. Ihre Arbeit erstreckt sich über sieben Jahrzehnte, und Thelma ist die einzige Frau, die drei „Oscars“ in der Kategorie „Bester Schnitt“ erhalten hat („Wie ein wilder Stier“, „Aviator“ und „Departed – Unter Feinden“); In vielen der Kostüme wurden von den Osage-Schauspielerinnen mitgebrachte Gegenstände eingearbeitet, die ihren Großeltern gehörten, die zu der im Film dargestellten Zeit lebten. UND P.S.II: Wenigstens zu erwähnen ist, dass DIE deutsche Synchronstimme des zweifachen „Oscar“-Preisträgers Robert De Niro = CHRISTIAN BRÜCKNER = am 17. Oktober 2023 seinen 80. Geburtstag feierte. Und hier wieder sprachlich eine Meisterleistung in Gang setzte.
2.) INNEN UND LEBEN. Titel = „MASTER GARDENER“ von PAUL SCHRADER (B + R; USA 2021; K: Alexander Dynan; M: Devonté Hynes; 111 Minuten; deutscher HEIMKINO-Leonine-Start: 06.10.2023). Auf IHN, PAUL SCHRADER, ist man immer neugierig, wenn er einen neuen Film – Start signalisiert. Denn vielen von Schraders Drehbüchern („Taxi Driver“) und Filmen („Ein Mann für gewisse Stunden“) hat mit den Porträts eines Charakters zu tun, der einen selbstzerstörerischen Weg eingeschlagen hat oder sich mit seinem Tun selbst schadet. Zwischen 2017 und 2022 widmete er sich den Filmen „First Reformed“ (war hierzulande nicht zu sehen), „The Card Counter“ (s. KINO-KRITIK /4 PÖNIs) und jetzt „Master Gardener“. Schrader zufolge würden sich alle Werke an denselben Themen abarbeiten. Die kammerspielartigen Filme stellen jeweils eine männliche Hauptfigur in den Mittelpunkt, die vor dem Hintergrund „eines angespannten, gespaltenen Milieus des zeitgenössischen Amerikas“ agiert. Dieser aktuelle Streifen ist der letzte Teil einer unbetitelten Trilogie.
Seit acht Jahren kümmert sich Narvel Roth (JOEL EDGERTON) akribisch und mit viel Hingabe um den wunderschönen Garten der wohlhabenden, distinguierten, sehr kühlen Witwe Norma Haverhill (SIGOURNEY WEAVER). Doch sein ruhiges, überschaubares Leben gerät ins Wanken als Maya (QUINTESSA SWINDELL), eine Großnichte der Hausherrin, eine Lehre bei ihm beginnt. Die junge, eigensinnige Frau ist ohne einen Vater aufgewachsen, hat vor kurzem ihre Mutter verloren, lebt in einer gewalttätigen Beziehung mit einem Dealer und nimmt auch selbst Drogen. Doch das sind nicht die einzigen Geheimnisse, die sich Stück für Stück offenbaren. Auch Narvel verbirgt eine dunkle gewalttätige Vergangenheit.
„MASTER GARDENER“ wirft einen komplexen Blick auf einen Mann, der sein Leben bereits einmal komplett neu begonnen hat. Nun wird dieses von ihm erschaffene Idyll schwerwiegend gestört. JOEL EDGERTON als Narvel („Ich bin ein Gärtner, der jemand Anderes war“) ist ein brillanter Spieler. Sein Film hätte einen KINO-Lauf verdient (= 4 PÖNIs).
3.) DOOF. Titel = „EIN FEST FÜRS LEBEN“ von Richard Huber (B + R; D 2022; basierend auf dem franz. Film „Das Leben ist ein Fest“/2018, K: Jörg Widmer; M: Francesco Wilking; Patrick Reising; deutscher Kino-Start: 19.10.2023). War das französische Original damals ganz amüsant (s. Kino-KRITIK /3 1/2 PÖNIs), ist heute das deutsche Remake eine unkomische Luftnummer. CHRISTOPH MARIA HERBST mimt den Hochzeitsveranstalter Dieter, der mit seinem Personal arge Schwierigkeiten hat. Weil jeder von denen so seine bekloppten Macken hat und er lange Zeit das – bei den Vorbereitungen für ein Hochzeitsfest – erdulden muss. (Warum eigentlich?) Genauso wie wir. Denn dass die Service-Gemeinde aus lauter Beknackten besteht, denen man dies nach zwei Minuten anhört/ansieht, ist weniger bis gar nicht ulkig. Sondern stinklangweilig. Zum Schluss favorisiert man (und frau) humoristische Lösungen. Die gehen einem zwar nicht mehr so doll auf den Geist, gefallen aber auch nur begrenzt. Wenn überhaupt. Ein weiterer deutscher Film zum Jammern (= 1 PÖNI).
4.) TV-TIPPs = Diesen SONNTAG, 22.10., wird S I E 80 Jahre schön. Aus diesem Anlass wird CATHERINE DENEUVE bei ARTE festlich umgarnt. Ab 20.15 Uhr wird Ihr Film „DAS SCHMUCKSTÜCK“ von 2010 gezeigt. Der einst in Frankreich von über 2,3 Millionen Kinogänger besuchte Streifen, bekam auch hierzulande gute Noten bzw. Worte (s. Kino-KRITIK /4 PÖNIs). Aus dem Kritik-Text entnehme ich: „Das Schmuckstück“ ist eine Verbeugung, eine Hommage an DIE französische Grand Dame-Ikone. Na bitte. Gleich danach, ab 21.55 Uhr, bietet ARTE die 60minütige Biografie dieser außergewöhnlichen Lady an: CATHERINE DENEUVE – EIN LEBEN AUF DER LEINWAND. Der Sonntag-Abend ist TV-sicher.
5.) MUSIK: Ryland Peter „Ry“ Cooder, genannt RY COODER; Jahrgang 1947, ist US-amerikanischer Gitarrist, Sänger, Komponist und Produzent. Seine weltweite Bekanntheit verdankt er unter anderem seinem außergewöhnlichen Spiel als Slide-Gitarrist. Von 1988 stammt sein Schwarz-Weiß-Clip GET RHYTHM in einer – zunächst – leeren Pinte, der für prächtigen Sound sorgt und damit Publikum anlockt. Die dann flippen was das Zeugs hält. Mit dabei der US-amerikanische Schauspieler und Musik HARRY DEAN STANTON (1926 – 2017) als Moderator und Bediener. Was für eine Eignung für PÖNIs Lieblingssong der Woche:
Auf eine coole Woche.
PÖNI grüßt