0.) Definitiv unzuverlässiger Service: Die deutsche Bundes-POST. Zum Erinnern – in den ersten (west-)deutschen Zeiten kam der Postzusteller zweimal am Tag an die Wohnungstür; morgens um 9 Uhr und mittags gegen 13h/14 Uhr. Dann wurde sie, die staatliche Organisation, umfunktioniert, verscherbelt, und begann mit Zustellungslücken. Heute kommt sie tatsächlich nur noch bei Gelegenheit. Bedeutet: an vielen Tagen = gar nicht. Im Internet wird von monatlich tausenden Empfänger-Beschwerden berichtet. Ich bekomme meine – eilige – Briefpost seit geraumer Zeit tatsächlich nur noch gelegentlich, mit Post AG-Zustellungslücken von drei bis fünf oder sogar mehr Werktagen. Eine Schande, die zu äußerst unangenehmen Folgen (wie teure Fristversäumnissen) führt. Die Post muss 95 Prozent ihrer Briefe innerhalb von zwei Tagen beim Empfänger abliefern. So will es das Gesetz. Aktuelle Meldung: Aus der Hauptstadt gingen in diesem Jahr bis Ende September fast 2.500 Beschwerden über die Post bei der BUNDESNETZAGENTUR ein, mehr als doppelt so viele wie zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr. Und: Im Oktober würden die Beschwerdezahlen weiter steigen, teilte gerade die Bundesnetzagentur mit. Eine gesellschaftliche Pflicht-Service-Schande!
1.) PFIFFIGE ATMO. Titel = „SEE HOW THEY RUN“ von Tom George (GB/USA 2021; B: Markus Chappell; K: Jamie D. Ramsay; M: Daniel Pembert; 98 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.10.2022). Eine köstlich wie ironisch-listige britische Kriminalkomödie, die mit wunderbaren Haupt- wie Nebenrollen-Akteuren besetzt ist. An der Bühnenfront tummeln sich „pikant“ u.a.: „Oscar“-Preisträger SAM ROCKWELL („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“); die irische „Golden Globe“-Preisträgerin SAOIRSE RONAN („Little Women“); „Oscar“-Preisträger ADRIEN BRODY („Der Pianist“); DAVID OYELOWO („Selma“); RUTH WILSON („Luther“). Wobei vor allem das Duo Rockwell & Ronan federführend auftrumpft. Er ist ein hinreißend wackelnder Inspector Stoppard, mit viel alkoholischem Genussinteresse; Sie triumphiert als ehrgeizig-humorvolle Nachwuchskraft Constable Stalker, deren Ermittlungen schneller wild herausplatzen als viel-mehr benötigte wahrheitsgemäße Fakten. Kurzum – was für ein sich formidabel-verbal duellierendes Dienstpaar.
1953 feiert Agatha Christies Theaterstück „DIE MAUSEFALLE“, unter Anwesenheit der legendären wie etwas wirrigen Autorin (SHIRLEY HENDERSON), seine 100. Aufführung im Londoner West End. Sogar Hollywood klopft inzwischen an dem Bühnenstück: der arrogante amerikanische Regisseur Leo Kopernick (Brody) soll – oder soll man sagen will – den Bühnen-Hit verfilmen. Doch die Pläne für die Verfilmung finden ein jähes Ende, weil Kopernick ermordet aufgefunden wird. Was zur Folge hat, dass sich der zynische Detektiv Inspektor Stoppard und die ambitionierte Newcomerin Stalker gemeinsam in der glamourösen, durchaus unartigen Theaterwelt um die Aufklärung des Verbrechens zu kümmern haben. Was zu viel Lüge und etwas Wahrheit führt, bei diesem rätselhaften, konventionell-temperamentvollen Vexierspiel.
Fazit: Köstlich klassisches Spannungsbewegungen um das quirlige klassische „Whodunit“-Filmthema. Mit bühnenreifen (Achtung – nochmal =)Bewegungen und angenehm verlogenen Reaktionen. Geleitet von unterhaltsamem britischen Arroganz-Humor. Und wer war’s denn nun eigentlich …..? Oder – vielleicht mal wieder einen Theater-Ausflug gen London einrichten, um sich (Achtung – nochmal=) mal wieder an der „Mausefalle“ zu laben?!! Diesem Acht-Personen-Stück, das seit dem 25. November 1952, mit Unterbrechung durch die COVID-19-Pandemie vom 16. März 2020 bis zum 17. Mai 2021, täglich im Londoner West End aufgeführt wird und damit das am längsten ununterbrochen aufgeführte Theaterstück der Welt ist ! BRAVO. (= 4 PÖNIs).
2.) SCHAUSPIELER-JUWEL. Titel = „RAYMOND & RAY“ von Rodrigo Garcia (B + R; USA 2021; K: Igor Jadue-Lillo; M: Jeff Beal; 100 Minuten, deutscher Heimkino-Apple-TV-Start: 21.10.2022). Auch hier sorgen zwei großartige Schauspieler für prickelnde Neugier und vorzügliche Charaktere-Spannung. Dabei wirkt, wenn man vorab am Thema schnuppert, vieles eigentlich gegessen. Doch das „Von Wegen“ bringt sich schnurstracks in das packend psychologische wie deftige physische Geschehen ein. Motto: FAMILY. Diese sowohl zufällige wie gerne auch zerstörerische Gemeinschaft. Die Halbbrüder Raymond & Ray können davon erzählen („Wir hatten eine beschissene Kindheit“). Die Halbbrüder begegnen sich bei der Beerdigung ihres Vaters. Schnell stellt sich heraus, dass mit ihrem brutalen Vater einst nicht Gut-Kirschen-Essen war. Ganz im Gegenteil. Er war offensichtlich ein väterlicher Diktator. Der seine Kinder (zu) oft gewaltvoll maßregelte. Genüsslich reglementierte. So dass in den Beiden bis heute viel Wut und Schmerz schlummert. Die jeder allerdings unterschiedlich betrachtet: Während Raymond (EWAN McGREGOR) um ein friedliches Bestreben/Bewältigen in Sachen Vergangenheit bemüht ist, weiß Ray (ETHAN HAWKE) zynische, wütende Verbalpfeile abzufeuern („Wir sind ein paar alte Säcke, deren Leben schiefgelaufen ist“). Was zu handfesten Konfrontationen zwischen den Halbbrüdern führt. Auch – und gerade – nunmehr auf dem Friedhof. Wo vehement in der Erde geschaufelt wird. Es lebe der Sand-Müll.
Ein Kammerspiel. Mit düsteren Emotionen. Und bitterem Seelen-Äther. Du bist, was dir „gestattet wurde“ zu sein. Die Lenkung der Eltern geschah in einen oft falschen Erwachsenen- Rhythmus. Freiheit bedeutete: Befehle-Ertragen. Also musstest du tricksen. Um einigermaßen heil über die Lebensrunden zu kommen. Und nun wird Fazit gezogen. Was war, wie war das gemein. Können wir heute, also spät im Leben, etwas ändern? In uns korrigieren? Oder bleiben nur die Flüche, die Wut, die bittere Trauer ob der falschen Zeiten, die man nunmehr offen erkennt und ausspeiend- ausspricht? Voller Frust und Enttäuschungen. Herauslässt. Aber auch, hallo Raymond & Ray, mit dem Gestern, das endgültig zu verabschieden gilt. Mit dem nackten Vater im Sarg.
Lese gerade: Ewan McGregor hat bisher 28 Filmpreise gewonnen und wurde für 47 weitere nominiert.
Ein Licht-Spiel mit Tiefgang. Zum faszinierenden Deuten. Motto: Diese verdammten Absurditäten. Mit denen die Positionen eingenommen wurden. Dabei waren diese eigentlich anderweitig vorgesehen. Aber eben familiär nicht geduldet. Und heute? Vieles ist bereits vorbei. „Gegessen“. Die Musikalität-hier klingt nach MILES DAVIS. Schart die bluesigen Klänge dieses Dramas sinnlich zusammen. Ein toller Film. Ach pardon, ein unbedingt empfehlenswerter Film über zwei Halbbrüder, die endlich die faszinierend-doppelbödige Gelegenheit bekommen, sich selbst neu zu erfinden. Ist doch egal, wann und wie, Hauptsache: YES JETZT! Genau!(= 4 PÖNIs).
3.) SCHWUL. OKAY. Titel = „BROS“ von Nicholas Stoller (Co-B + R + Co-Produktion; USA 2021; Co-B + D: Billy Eichner; Co-Produktion Judd Apatow: Josh Church; K: Brandon Trost; M: Marc Shaiman; 115 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.10.2022). Bobby Leiber (Billy Eichner), Podcast-Moderator, ist homosexuell und schwuler Aktivist. Übernimmt die Aufgabe, das Drehbuch für einen Liebesfilm zu schreiben, der ein heterosexuelles Publikum ansprechen soll. Er ist auch Mitglied des Verwaltungsrats eines Museums für queere Geschichte und mag überhaupt nicht feste Beziehungen. Doch dann verliebt sich der New Yorker in den gutaussehenden Aaron (LUKE MACFARLANE), der aus einer Kleinstadt stammt, als Anwalt unterwegs ist und so ziemlich das genaue Gegenteil von Billy ist. Lebt sein Schwulsein in weniger vollen Stimmungslagen aus als Bobby.
Wenn sich zwei Männer anziehend finden und es so richtig funkt, kann das manchmal durchaus auf direktem Wege ins Bett führen. Sogar – über dort – auch in Richtung Liebe. So wie in „BROS“, wo zwei Kerle vielleicht, womöglich, eventuell sogar füreinander bestimmt sind. Was aber natürlich noch gar nichts bedeutet, allerdings womöglich doch, weil sie eventuell sogar füreinander bestimmt sind. Was aber natürlich noch gar nichts heißt, schließlich sind beide ziemlich beschäftigt – und Beziehungen bekanntlich alles andere als unkompliziert. „BROS“ ist eine überzeugende Komödie, also romantisch, charmant, smart und natürlich sexy. Doch der Film von Nicholas Stoller („Nie wieder Sex mit der Ex“), so lautet es per Presseheft, ist auch ein Meilenstein für >Hollywood. Denn diese unterhaltsame Geschichte über die Suche nach „wahrer Liebe“ im 21. Jahrhundert ist die erste RomCom eines großen Studios („Universal“) über eine schwule Beziehung. Also locker bleiben und sich unverkrampft amüsieren. Ist doch so (= 4 PÖNIs).
4.) WUT-HORROR. Titel = „PIGGY“ von CARLOTA PEREDA (B + R; bezogen auf ihren gleichnamigen Kurzfilm/2019; Spanien/Frankreich 2021; K: Rita Noriega; M: Olivier Arson; 100 Minuten; deutscher Kino-Start: 27.10.2022; OmU-Version). Sara ist dick. Na klar doch. Übergewichtig. Und warum nicht. Doch sie muss viel aushalten, kriegt viel an und um die Ohren. Ob in der Penne, ob draußen, ob im Schwimmbad; wo immer sie „entdeckt“ wird, wird sie „behandelt“. Als „Piggy“, als „dickes Schweinchen“. Als „fette Sau“. Dieses Lästern, dieser primitive Hass, diese „Jagd“, kein Wunder, dass ….. Sara (wie im Kurzfilm von LAURA GALÁN phantastisch extrem gespielt) vergeblich Hilfe im Elternhaus sucht. Benötigt. Doch die Mutter (CARME MACHIN; die spanische Veteranin fügt sich draufgängerisch-hitzig ein) ist überfordert, zeigt sich überkandidelt, der Vater ist ganz und gar schlicht. So dass Sara alleine da-steht. Sagen wir’s mal unauffällig so: Mobbing wird ins Dasein immer häufiger mit-eingebunden. Als Gefangene auftauchen, lauert auch der Entführer. Der Killer. Auf weitere „genussvolle“ Taten. Ist irgendwie von Sara „angetan“. Lässt sie – vergleichsweise – in Ruhe. Noch. Auf dass die junge Frau nicht weiß wie sie sich eigentlich verhalten soll. Und als sie es weiß = wie, beginnt der Horrorspuk für Hartgesottene. Der anfangs noch eigenwillig hantiert, dann präziser auf die fiese Gemeinschaft-hier blickt, um letztlich die regionale Stimmung in eine Gewalt-Rache-Blut-Orgie – mit Western-Rhythmus – umzukippen. Mittendrin: Sara. Soll sie die Polizei einschalten oder mischt sie im Finale lieber beim Vollblut-Nervenkitzel draufgängerisch mit? Ein schweißiger Genre-Mix lauert hier in Spezialkinos (= 3 PÖNIs).
5.) PACKEND. Ein WESTERN MIT THRILLER-GESCHMACK. Titel = „MORD IN YELLOWSTONE CITY“ von Richard Grey (Co-Produzent + R; USA 2021; B: Erich Belgau; K: John Garrett; M: Mel Elias; Armando Ortega; Executive Producer u.a.: Richard Dreyfuß; Veronica Ferres; 127 Minuten; deutscher Heimkino-„Capelight Pictures“-Start: 14.10.2022). Der Titel klingt banal, vermag nicht annähernd in Sachen coolem Reiz und umfangreicher Spannung etwas mitzuteilen. Dabei handelt es sich hier um einen sehr atmosphärischen und schließlich spektakulären Duell-Blei-Kanon.
Menschen. Waren einst voller Hoffnung auf großen Gold-Gewinn. Auch in Montana. Doch diese Epoche scheint vorüber zu sein. Bis einer von ihnen plötzlich zum großen Rufer wird: Es gibt GOLD. Ich habe GOLD entdeckt. Ich bin ab sofort reich. Hurra! Und lade alle ein. Also her mit dem Champagner. Im Saloon. Yellowstone City erwacht. Da ist es schon merkwürdig, dass plötzlich ein Fremder (ISAIAH MUSTAFA), der sich Cicero nennt, auftaucht. Sein Pferd abstellt, sich in den Saloon begibt und ziemlich stumm bleibt. Misstrauen und Rassismus machen die Runde: Was will „der Schwarze“ hier? Wer ist ER überhaupt? Als kurze Zeit später der erfolgreiche Schürfer umgebracht wird, ist es für Sheriff James Ambrose (GABRIEL BYRNE) sofort klar, dass der Neuling der Mörder sein muss. Während Reverend Thaddeus Murphy (THOMAS JANE) mit Gegenargumenten kein Gehör findet. Zusammen mit seiner Frau Alice (ANNA CAMP) kümmert er sich fortan um den Angeklagten. Und auch Saloon-Betreiber Edgar (RICHARD DREYFUSS) vermag in dem „Neuling“ keinen Verbrecher zu entdecken. Dessen Sprache gebildet wirkt, der sich mit Bibelversen, Shakespeare und Gottgedanken auskennt. Und keineswegs aggressiv „argumentiert“. Dagegen ist für den Sheriff und seinen Sohn Jim (NAT WOLFF) klar, beim bevorstehenden Prozess den eindeutig Schuldigen präsentieren zu können. Während in der Gemeinde die Volksseele kocht. Und ein weiterer Mord geschieht.
Ungewöhnlich, aber funktionierend. Mit den Mitteln eines Western entwickelt sich ein brisanter Thriller inmitten beeindruckender Western-Kulisse. Mit vielen Spuren. Und rätselhaften Charakteren. Und vielen Argumenten. Und einem ausführlichen Showdown. Bei dem die Kugeln dominieren. Plus einigen – überraschenden Beteiligten. „Mord in Yellowstone City“ verbreitet gut-getimte Unterhaltung. Um das ewige, althergebrachte menschliche Daueranliegen: Wer schießt zuerst, wer stirbt. Einige siegen, viele sterben. Die bekannten menschliche Auswüchse. Ich mit Waffe, du mit Loch im Körper (= 4 PÖNIs).
6.) TV-TIPPS: ARTE bietet zwei KLASSE-Filme für die kommende TV-Woche an: Erst am MITTWOCH (2.11.) ab 20.15 Uhr mit dem WOODY ALLEN-Meisterstück „MATCH POINT“ von 2005 (mit SCARLETT JOHANSSON und der entscheidenden Frage, wohin sich ein Tennisball am Netz wendet, denn DAS entscheidet hier über Sieg oder Niederlage (+ WH am Donnerstag ab 14.15 Uhr /s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIS) sowie dann am DONNERSTAG (3.11.) ab 20.15 Uhr mit dem Polit-Spaß „PRIDE“, einer britischen Sozial-Komödie vom Feinsten (s. Kino-KRITIK/ 5 PÖNIs).
7.) MUSIK: D e r musikalische Stimmungsbestseller dieser Woche stammt von ROBBIE WILLIAMS und lautet stimmungsgerecht: I LOVE MY LIFE. Trifft zu:
Wünsche eine entspannte Emotionswoche.
HERZlich: PÖNI PÖnack
email: kontakt@poenack.de