PÖNIs BLOG (206): QUENTINS DEBÜT; „TAUSEND ZEILEN“; „IM WESTEN NICHTS NEUES“; sensationell: MARONA; Deutsch 1; + 2; TV-TIPP; STEALERS WHEEL

0.)   Am nächsten Dienstag, 4. Oktober 2022, steht mit „RESERVOIR DOGS – WILDE HUNDE“ der nächste BEST OF CINEMA-KLASSIKER auf dem Spielplan der Event-Reihe:  monatliches 1. Dienstag-Eintagesklassiker-KINO. Rund 300 Kinos haben sich hierzulande zusammengerauft und präsentieren jeweils für den ersten DIENSTAG-Tag im Monat Meisterwerke der Filmgeschichte auf ihren Leinwänden. Wie jetzt diesen Kult-Debüt-Streifen von QUENTIN TARANTINO aus dem Jahr 1992, der vom Magazin Empire als „größter Independentfilm aller Zeiten“ bezeichnet wurde. In dem die Hauptrollen mit HARVEY KEITEL, MICHAEL MADSEN, TIM ROTH, STEVE BUSCEMI und CHRIS PENN u. a. besetzt sind. Tarantino selbst tritt in einer Nebenrolle als „Mr. Brown“ auf. Eine Besonderheit der Filmmusik ist die Auswahl der Stücke von Tarantino, der sie als Kontrapunkt zu Gewalt und Action wertete. Die Absicht: das 1950er-Atmo-Feeling mit dem 1970er-Sound zu verbinden. Prominentestes Beispiel dafür ist eine Folterszene zur Melodie von „STUCK IN THE MIDDLE WITH YOU“ von Stealers Wheel. Meinem Diese-Woche-Lieblingssong! (s. unten).

 

1.)   KLASSE! SEHR UNTERHALTSAM! Titel = „TAUSEND ZEILEN“ von MICHAEL HERBIG (D 2019/2020; B: Hermann Florin; basierend auf dem Sachbuch „Das System Relotius und der deutsche Journalismus“/2019 des Journalisten Juan Moreno, der 2018 den Fall Claas Relotius aufdeckte; K: Torsten Breuer, M: Ralf Wengenmayr; 93 Minuten; deutscher Kino-Start: 29.9.2022). Billy Wilder brachte es auf den Punkt: „Du darfst drehen was du willst, darfst mich aber nicht ‚damit‘ langweilen“. DANKE Michael Herbig für diesen alles andere als langweiligen, im Gegenteil: großartigen Film!

MICHAEL HERBIG, 54, der komische Schauspieler, listige Regisseur, schlaue Autor und erfolgreiche Produzent ist längst erwachsen, hat also den „Bully“ beim Herbig längst entfernt. Der „Manitu“-Erfolgs-Typ mit der stimmungsvollen „Bullyparade“ wechselte Ende September 2018 endgültig vom lustigen Kinofilmstoff zur Thriller-Niveau-Leinwand-Spannung. Um mit „BALLON“ (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) ein großartiges Filmabitur zu absolvieren.

Sein neuester Hit überzeugt als Drama mit beeindruckender UND SEHR UNTERHALTSAMER Satire-Atmo. Wobei wir kurz durchatmen, um Helmut Dietls Meisterweg „SCHTONK!“ (s. Kino-KRITIK/5 PÖNIs) aus dem Filmgoldjahr 1992 gedanklich wie lächelnd zu-gemeinden. Zum Übertreiben geeignet  – „Tausend Zeilen“ tritt heuer als moderner „Schtonk“-Nachfolger-Streich in Erscheinung. Mit der passenden Mixtur Komödie-Satire-Drama-Krimi!

Tatsache: Was Der STERN 1983 bediente, film-liefert jetzt Der SPIEGEL aus dem Jahr 2018, der hier als Die CHRONIK agiert. Wo ein jungscher Spund von freier Journalist mit Titel-Artikel die Chefetage(n) im Haus begeistert. Man zeigt sich begeistert Erfolgs-besoffen. Als da diesbezüglich exzellent mitmischen: MICHAEL MAERTENS als windiger Ressortleiter sowie JÖRG HARTMANN (= bekannt als Dortmunder „Tatort“-Ermittler) als tückischer Vize-Chefredakteur.

Dabei bescheißt der hauseigene Erfolgsschreiber Lars Bogenius (Anspielung auf den ehemaligen Spiegel-Autoren Claas Relotius/von engl. „bogus“, „gefälscht“) kräftig sein „Die CHRONIK“-Heim. Motto: Der geile Betrug. Eines geiligen Schreibers (was für ein spitzer Spitzbube: JONAS NAY). Namens eben: Lars Bogenius. Thema: Der schreibt wie er vorzüglich spinnt. Was die Leser, also die Leserzahlen, in sagenhafte Kauf-, also Ertrags-, also Gewinnhöhen springen lässt. Auf dass die Chefdirigenten des Magazins immer mehr ausflippen. Stichwort: Da erwarten uns immer mehr Preise. Für unseren vorzüglichen Journalismus. Das Erwartungsfieber kocht. Money makes schließlich die Magazin-Show. ABER:

Der chaotische „Kontrolleur“ im Antikörper. Ist hellhörig geworden – Juan Romero (Namensanspielung auf den wirklichen „Spiegel“-Akteur von 2018 – Juan Moreno). Ein fleißiger, ehrlicher journalistischer Fighter (wuchtig: ELYAS M’BAREK), der sich immer mehr nicht-einkriegt von wegen Aufruhr, Empörung und Wut über die Zustände im Hause CHRONIK. Der pö a pö hinter die aalglatten, betrügerischen Machenschaften seines Kollegen Bogenius kommt. Dabei seine Familie – gestresste Gattin, vier aufgeweckte Klein-Töchter – arg vernachlässigt. Vernachlässigen muss, um die Beweislage hieb- und stichfest zu stemmen. Zu festigen. Was aber seinen Stress immer weiter hochfahren lässt. Juan Romero als Don Quichotte, der gegen Windmühlen kämpft, weil niemand ihm glaubt, glauben will; einzige Unterstützung bekommt er von seinem österreichischen „Milo“- „Schildknappen“ (bauernschlau: MICHAEL OSTROWSKI), der ihn als aufmüpfiger Fotograf begleitet und ehrlich unterstützt. Ansonsten aber gilt Juan Romero als Verlierer. Wird jedenfalls lange Zeit „so“ behandelt. Bis er das Gegenteil zu beweisen vermag.

Das Drehbuch powert. In der Mischung aus bitter-lustig und taffen Arroganz-Charme. Man wird „bullig – herbig“ eingefangen und sofort atmosphärisch-brillant mitgenommen. In Bewegung wie Sprache wie im kessen Gedankengang. Man kriegt sofort die Unterhaltungskurve. Ist bestens unterhaltsam-angetan.

Das Darsteller-Ensemble ist, bis in die kleinste Position, insgesamt brillant-wummig. Jede Minute stimmt. Ob real wie gestreut. In den piksenden Erläuterungen. Von Denen vorne, an der Filmfront, ebenso wie von Denen daneben. Und Dahinter. Die alle lautstark rufen:  GEHT ENDLICH INS KINO. ES LOHNT SICH. Endlich mal. „Tausend Zeilen“ oder – einer der besten deutschen Kinofilme 2022! Deutschland, WIR haben ab sofort einen heimischen Volltreffer in den Kinos. Wäre durchaus zur „Oscar“-Nominierung geeignet gewesen (= 4 1/2 PÖNIs).

2.)   KRIEG – MENSCHENVERACHTEND. WIDERLICH. ENTSETZLICH. GRAUENHAFT. Titel = „IM WESTEN NICHTS NEUES“ von Edward Berger (Co-B + R; D/USA/GB 2021; Co-B: Lesley Paterson; Ian Stokell; nach dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque/1929; „Oscar“-Auszeichnung als „Bester Film“ für die Adaption von Lewis Milestone 1930; K: James Friend; M: Volker Bertelmann; 148 Minuten; deutscher Kino-Start: 29.9.2022; Netflix-Start: 28.10.2022). Frühjahr 1917. Der 17-jährige Paul Bäumer (FELIX KAMMERER) und seine Freunde können es nicht erwarten, in den Krieg zu ziehen, in Richtung Paris zu marschieren, den Sieg zu erleben. So stellen sich die Jungs das vor. So wird es ihnen von den Machthabern versprochen. Jubelnd und singend marschieren sie los, die „eiserne Jugend“, für Kaiser, Gott und Vaterland. Die Begeisterung hält nicht lange. Als sie nach tagelangem Marsch an der Westfront ankommen, regnet es in Strömen. Der Schützengraben läuft voll, ist ein einziger Morast.
Der Film erzählt die bewegende Geschichte eines jungen deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg. Paul und seine Kameraden erleben am eigenen Leib , wie sich die anfängliche Kriegseuphorie in Schrecken, Leid und Angst wandelt, während sie in den Schützengräben verzweifelt um ihr Leben kämpfen.
Dem Autoren-Regisseur Edward Berger war es wichtig, nun erstmals die deutsche Perspektive einzunehmen: „Ein Gefühl wird uns ein Leben lang begleiten: Das Gefühl des Erbes von zwei Kriegen. Unser Blick auf den Krieg ist geprägt von Gram und Scham, von Verwüstung und Schuld. Da bleibt nichts Positives, kein Funken Heldenhaftigkeit zurück. Unsere Geschichte, unseren Hintergrund und unsere Einstellung zum Krieg zur Triebfeder eines Films zu machen, empfand ich als eine große Herausforderung. Und ich dachte mir, dass diese sehr spezifische, deutsche Perspektive womöglich auch interessant für Menschen in anderen Ländern sein könnte. GERADE JETZT“. „Im Westen nichts Neues“ wurde als deutscher Kandidat für die „Oscars 2023“ ausgewählt (= 5 PÖNIs).

3.)   HEIMKINO-ANIMATIONS-HIT. Titel = „DIE FABELHAFTE REISE DER MARONA“ von Anca Damian (B + R; Fr/Belgien/Rumänien 2019; Grafisches Konzept und Charakter-Design: Brecht Evens; Backround-Artists: Gina Thorstensen; Sarah Mazzetti; M: Pablo Pico; 88 Minuten; deutscher HEIMKINO-„good!movies“-Start: 30.9.2022). „MARONA“, das behaupte ich einfach mal, zählt zu d e n Entdeckungen, ist ein Juwel in diesem Filmjahr. Wurde u.a. als  „Bester Europäischer Kinderfilm“ prämiert und enthält DVD-Extras wie u.a. ein Interview mit der Autoren-Regisseurin ANCA DAMIAN (05:33 Minuten) sowie eine Videoanalyse des Films (04:33 Minuten). „L’extraordinaire voyage de marona“, so der Originaltitel dieses deutsch synchronisierten Films, beginnt mit einem passenden Spruch: „Glück ist ein kleines Ding, fast nichts, ein Näpfchen Milch, eine große nasse Zunge, ein Nickerchen, ein Platz, an dem man seinen Knochen verbuddeln kann, eine Hand, ein Lächeln…“. Im Mittelpunkt: Eine kleine Mischlingshündin mit einer großen schwarzen herzförmigen Nase (deutsche Stimme: Lisa Mies). Als wir sie erstmals treffen, verabschiedet sie sich zugleich von uns. Währenddessen beginnt ihre Lebensgeschichte als Welpe Nummer 9, die von einem Haushalt zum nächsten wandelt und uns dabei auf eine liebenswerte, reizvolle Reise durchs Leben mitnimmt. Diese ergreifende Geschichte ist von überwältigender visueller Schönheit, ist ein wundervolles Abenteuer an Originalität und Berührung. Die Heldin, die schnell  innige Freundin wird, ist ein Halbblut-Labrador, die tiefe Spuren in den Leben der Menschen hinterlässt, denen sie begegnet. Dabei vereinen sich die Poesie der Sprache, die grandiose Fantasie und der unaufdringliche Humor zu einem wunderbar-eigenwilligen Meisterwerk, bei dem alle Sinne angeregt und die widersprüchliche Schönheit des Lebens hofiert werden. Dank Maronas unermüdlichem Einfühlungsvermögens wird ihre Existenz zu einer Lektion der Humanität und Liebe. Was die Autoren-Regisseurin zu bestätigen weiß: „Wir leben die Gegenwart nicht so, wie es die Hunde tun“ (= 5 PÖNIs).   P.S.: Die Autoren-Regisseurin war die erste Filmemacherin, die 2016 den von  Eurimages ausgeschriebenen Audentia-Preis erhielt, mit dem Frauen, die den Mut haben, Regisseurin zu werden, gewürdigt werden, so dass ihre Arbeiten eine größere Sichtbarkeit erlangen und andere Frauen so wiederum inspiriert werden, in ihre Fußstapfen zu treten.

4.)   IN DEN JAHREN. Titel = „DA KOMMT NOCH WAS“ von Mareille Klein (B + R; D/Schweiz 2021; K: Patrick Orth; 98 Minuten; deutscher Kino-Start: 29.9.2022). Helga, 60-plus, lebt in einem eleganten Bungalow und bricht ab, also …ein. Durch ein Heizluftgitter. Im Wohnzimmer. Lernt dadurch den näher-alten polnischen  Arbeiter Ryszard kennen, der nicht deutsch, sondern nur englisch spricht und – in Vertretung – ihren Haushalt putzt. (Helgas Putzfrau ist in Urlaub). Es dauert, aber die Beiden lernen sich näher kennen. Was Helgas trübe Freundin Brigitte (die ehemalige „Polizeiruf 110“-Ermittlerin IMOGEN KOGGE als fiese Vorurteils-Möpp) auf die gemeine Falle bringt. In den Hauptparts imponieren ULRIKE WILLENBACHER (davor feste Größe als langjähriges Ensemblemitglied des Münchners Residenztheaters) und der dreifach mit dem polnischen Filmpreis ausgezeichnete Film- und Theaterstar ZBIGNIEW ZAMACHOWSKI („Lauf Junge lauf“). Passt eigentlich mehr ins Abendfernsehen (= 3 PÖNIs).

5.)   QUATSCH. Titel = „WIR KÖNNTEN GENAUSO GUT TOT SEIN“ von Natalia Sinelnikova (Co-B + R; D/Rumänien 2021; Co-B: Viktor Gallandi; K: Jan Mayntz; M: Maxi Menot; Michael Kondaurow; 96 Minuten; deutscher Kino-Start: 29.9.2022). System mit Lücken: Da das Haus sich nicht schützen kann, schützen WIR das Haus: Am Waldrand steht ein Hochhaus. Das ist mit privilegierten Menschen gefüllt. Wird seit sechs Jahren von Anna (IOANA IACOB) als Sicherheitsbeauftragte verwaltet. Weil „Gefahr“ besteht. Aufgerufen durch misstrauische Bewohner. Die „drinnen“ wie „draußen“ Unheil wittern. Gegen diese offene, multikulturelle Gemeinschaft wettern. Deshalb wird überall streng aufgepasst. Überwacht. Besonders Anna. Deren jugendliche Tochter bei ihr solo im Bad lebt. Der Film ist gedanklich zu verstehen, wirkt aber Story-mäßig absurd-albern. Als ein Hund verschwunden ist, stößt Hysterie in diese bescheuerte Gemeinde. Szenerie. JÖRG SCHÜTTAUF mimt auch mit. Motto: Wenn Panik & Co. lächerlich durchatmen (= 1 PÖNI).

6.)   TV-TIPP =  passend zum Feiertag am Montag: Heute, am Samstag-Abend, 1.10., läuft ab 20.15 Uhr im WDR-Fernsehen eine schön-bitter-komische Ost-Ost-Persiflage von 2017. Als vortrefflicher politischer Kalauer. Getreu der berühmten DDR-Losung: „VORWÄRTS IMMER! Rückwärts nimmer“. Von und mit: Erich Honecker. Und weiteren bekannten Akteuren. Wie JÖRG SCHÜTTAUF als „Hauptmann Erich“. DER ist eine Masken-starke Sprach- und Bewegungswucht. Einzelheiten und überhaupt  –  s. Kino-KRITIK/4 PÖNIs. Unter „VORWÄRTS IMMER!“. Von der Partei befohlen: BRD-Pflicht-Fernsehen! Jawohl!

7.)   MUSIK: Details …  siehe ganz oben. Beim BLOG-Start. Die Empfehlung gilt  –  für einen ganz speziellen Lieblingswochen-Hit! Von wegen  – „STUCK IN THE MIDDLE WITH YOU“ von und mit STEALERS WHEEL. Lohnt sich! 

Wünsche eine freie Woche.

HERZlich:   PÖNI PÖnack

email:   kontakt@poenack.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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