PÖNIs BLOG (145): 0.); MADS MIKKELSEN in „DER RAUSCH“; EICHHÖRNCHEN-DEMENZ; NORWEGISCHER HORROR; KINO-HITS im TV; BORKUM: REINHARD MEY

0.) Folgt. Vielleicht. Noch herrscht Leere. Oder habt Ihr was? Dann her damit. ………

1.) STARK. Titel = „DER RAUSCH“Von THOMAS VINTERBERG (Co-Drehbuch + R); Dänemark 2019/2020; 116 Minuten. Der reguläre Kino-Start fand in Dänemark am 24. September 2020 statt. Dort entwickelte sich der Film „Druk“ (Originaltitel), mit mehr als 800.000 Kinozuschauern, zur meist gesehenen Produktion des Filmjahres 2020. In diesem Jahr erhielt er zahlreiche internationale Filmpreise, darunter den „OSCAR“ als „Bester Internationaler Film“ sowie eine „Oscar“-Nominierung für die „Beste Regie“ sowie den „British Academy Film Award“ als „Bester nicht-englischsprachiger Film“. Wurde zudem zum „Besten Europäischen Film 2020“ gekürt. Thomas Winterberg, geboren am 19. Mai 1969 in Frederiksberg, ist Mitbegründer der Dogma-95-Bewegung und schuf filmische Werke wie „Das Fest“ (1998) und „Die Jagd“, mit Mads Mikkelsen, 2014 für den Auslands-„Oscar“ nominiert (s. Kino-KRITIK). Seine „Motivation“ für den aktuellen Film erklärt er im Presseheft und beginnt mit einem Churchill-Zitat: „Ich trinke nie vorm Frühstück“. „Andere große Denker, Künstler und Schriftsteller, darunter Tschaikowsky und Hemingway, fanden auf diese Weise Mut und Inspiration. Wir alle kennen das Gefühl nach ein paar Schlucken Alkohol, wenn die Gespräche tiefer, der Raum größer und die Probleme kleiner werden“. Um fortzufahren = „Mit diesem Film wollen wir die befreiende Wirkung untersuchen, die Alkohol auf Menschen haben kann, und uns davor verneigen. Der Film wurde von den Theorien des norwegischen Philosophen Finn Skarderud inspiriert, die davon ausgehen, dass der Mensch mit 0,5 Promille Blutalkohol zu wenig geboren wird“. Um fortzufahren = „Wir wollten dem Alkohol Tribut zollen, aber selbstverständlich auch ein nuanciertes Bild zeichnen. Eingebettet in unsere Betrachtung der Essenz von Alkohol liegt das Eingeständnis, dass Menschen durch exzessives Trinken sterben oder davon zerstört werden. Eine Existenz mit Alkohol schafft Leben, aber sie tötet auch“.

Trinken ohne zu saufen. Vier weiße mittelalterliche Typen von Sport-, Musik- und Geschichtslehrer-Art wollen sich ändern. Verändern. Sie haben ihren Lebens-„Stillstand“ „bemerkt“. Vor allem Martin (MADS MIKKELSEN). Einst war er Pädagoge aus Leidenschaft und mit viel Engagement, jetzt sind nicht nur die Schüler von seinem dürftigen Enthusiasmus gelangweilt, auch Zuhause, in der Ehe, kriselt es. Ist viel Luft raus. Seinen drei Freunden Tommy, Nikolaj und Peter geht es ähnlich. Mit und in ihrer Lebensstarre. Bei einer angeheiterten Geburtstagsrunde kommen Ideen zum Vorschein wie  – nur mit erhöhtem Alkoholgehalt im Blut ist man zu Bestleistungen fähig. Was der baldigen Überprüfung bedarf. Stichwort: Ein Selbsttest ist fällig. Motto: Während der Arbeit gilt es, einen konstanten Pegel zu halten. Mit empathischem Antrieb stürzen sich die Vier in ihr geheimes Experiment. Und tatsächlich: Die Wirkung lässt nicht lange auf sich warten. Ab sofort lautet die neue Erkenntnis: Du kannst trinken und dein Leben in Fahrt bringen. Sozusagen – Du wirst ein Sauf-Du, bis zum Punkt der Zündung trinkst du und sogar darüber hinaus. Damit bist du in der Lage, das gesamte Spektrum des Alkohols näher betrachten zu können. Und fühle dann, tatsächlich, die ersten „Test“-Ergebnisse lassen sich verbinden mit stärkerer Lebensfreude und einer erheblicher Zunahme von Selbstbewusstsein. Die Befreiung, heraus aus dem trockenen Mittelmaß, startet. Mit imponierendem Kontrollverlust. Und weiteren Folgen.

Der exzessive Film. Mit sich ausbreitendem Seminar-Trinken. Motto: Wir wollen prüfen. Wissen. Was wie wann …passiert. Wirkt. Ohne moralinsaures Verhaltensgetue. Der Rausch als neuer täglicher Bestandteil. Des Existierens. Wie fühlt sich das an. Wie weit vermag ich „aufpassend“-gehen. „Druk“ bedeutet so viel wie „Noch ’ne Runde“. Trinken als phänomenale Massenlust. Mit dem Wissen-Wollen, was geschieht, wenn Alkohol in uns dauer-fließt. „Der Maximale Promillewert“ ist Teil 3 des Films übertitelt. Während MADS MIKKELSEN, der inzwischen internationale Star (2006/“007 – Casino Royale“/s. Kino-KRITIK), versichert, dass während der Dreharbeiten kein Tropfen Alkohol vertrunken wurde. Sonst wäre er auch sicherlich nicht in der schauspielerischen, darstellerischen Lage gewesen, bei dieser tragisch-derben Komödie eine solch faszinierend-körperliche, eine solch aufsehenerregende Seelen-Glanzleistung vorzuzeigen. Wie er zirzensisch am Ende „fliegt“, ist sensationeller Jazz-Dance im Hafen. Auf ganz starkem, mitreißendem Ausdruck-, also Bewegungsniveau. Betrachte: Du trinkst; du trinkst dich in oder aus deinem Leben. Das Ich als Ernüchterung. Oder Zerstörung. Was für eine erstaunlich-zupackende dänische Orgie (= 4 1/2 PÖNIs).

2.) ERSTAUNLICH LISTIG UNTERHALTEND. Titel = „DIE VERGESSLICHKEIT DER EICHHÖRNCHEN“Von NADINE HEINZE und MARC DIETSCHREIT. D 2020; 109 Minuten. Lief im Januar 2021 auf dem Filmfestival Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken. Um Geld für ihre Familie daheim in der Ukraine zu verdienen, kommt Marija (EMILIA SCHÜLE) nach Deutschland. In seiner alten Villa soll sie sich rund um die Uhr um den an Demenz erkrankten Curt (GÜNTHER MARIA HALMER) kümmern. Landet aber im zwischenmenschlichen Minenfeld einer deutschen Familie, deren fragile Dynamik sie nun, weitgehend unfreiwillig, gehörig durcheinander bringt. Curts Tochter Almut (ANNA STIEBLICH), die in den letzten Jahren für ihn gesorgt hat, fühlt sich von ihrem Vater nicht genügend wertgeschätzt, ihr Kontrollwahn  hält sie aber davon ab loszulassen. Curt wiederum beginnt, Marija für seine früh verstorbene Frau Marianne zu halten, und wähnt sich zunehmend in längst vergangenen Zeiten. Marija ihrerseits lässt sich auf das skurrile Spiel ein und wird mehr und mehr zu Marianne. Zurückversetzt in das Lebensgefühl der 70er Jahre entwickelt der alte Herr eine ganz neue, ungeahnte Lebensfreude. Als dann auch noch Almuts Bruder Philipp (FABIAN HINRICHS) defizitär auftaucht, als profitgeiler, krankhaft-eifersüchtiger Porsche-Fahrer herum-tönt und sich der hübschen Marija nähert, beginnen die Dinge rasant wie komplett aus dem Ruder zu laufen. Das soziale Spannungsfeld bekommt mehr und mehr kriminalistische Züge.

Mit „Die Vergesslichkeit der Eichhörnchen“ haben Nadine Heinze und Marc Dietschreit ein empathisches Familiendrama mit reichlich hintergründigem, doppelbödigem Humor geschaffen. Nichts ist klar, nicht einmal die eigenen Vorurteile, und wer wie wer-war und wirklich ist, ist eben nicht auf den ersten Blick deutbar. Und wenn sich Wahrheiten offenbaren, die bislang nicht ausgesprochen wurden, wenn Brüche und Verletzungen zu Tage treten, die bislang unter der Oberfläche versteckt wurden, dann mischen sich nun – je nach Stimmungs- und Deutungslage – Trauer, Rührung und reichlich Wut. Mit formidabel piksenden Zwischentönen. Zudem: „Das Paar“ EMILIA SCHÜLE und GÜNTHER MARIA HALMER vermag stark zu punkten zwischen herber Schroffheit und liebenswürdig-subversivem Schalk. Endlich einmal ein deutscher Spielfilm, der interessant gut zu unterhalten weiß (= 3 1/2 PÖNIs).

3.) GRUSEL. Titel = „HAUNTED CHILD“Es ist der erste Spielfilm von CARL CHRISTIAN RAABE. Norwegen 2017, 82 Minuten. Jetzt im hiesigen HEIMKINO. Sie ist groß, bildschön und ein Aas: Topmodel SYNNOVE MACODY LUND, bekannt zum Beispiel aus „Headhunters“ (s. Kino-KRITIK), für den Carl Christian Raabe die Standfotos gemacht hat, und aus der Netflix-Serie „Ragnarök“. In „Spuk-Kind“ mimt sie die erfolgreiche verheiratete Journalistin Cathrine. Deren Vater ist gestorben, und sie möchte so schnell wie möglich ihre Erbe – ein altes Haus auf dem Land –  verkaufen. Mitten im norwegischen Winter fährt sie in das Dorf, in dem sie ihre halbe Kindheit verbracht hat. Doch kaum angekommen, machen Nachbarn ihres Vaters kryptische Aussagen über ein tödliches Geheimnis, dessen Schatten über dem Haus schwebt: Dabei geht es um das mysteriöse Verschwinden einer nahen Verwandten vor vielen Jahren und einen Mord im engsten Familienkreis. Und die Vergangenheit holt Cathrine ein, ihre Psyche gerät zunehmend aus der Sicherheit, auch durch ein kleines Mädchen aus der Nachbarschaft, Daisy, verursacht. Das sich immer enger in die eigenartigen Geschehnisse einmischt.

Mit dem „feudalen“ norwegischen Winter als atmosphärische Kulisse nutzen der Debüt-Regisseur und sein Kameramann PHILIP OGAARD sowohl die schneeweiße Umgebung wie die düstere Stimmung des Anwesens für eine eigenwillige Tiefenstimmung, bei der man nie ganz sicher ist, ob gerade Unschuld oder Attacke annonciert ist. Jedenfalls – wenn sich aus schlimmer Vergangenheit ein geheimnisvolles Heute entwickelt. So dass auf meinem Zettel von reichlich atmosphärischen Wirrwarr-Motiven die Mitteilung ist: SIE wird hysterisch böse; SIE hat / kriegt einen Hau; SIE kriegt Alp-Erinnerungen; wer oder was ist eigentlich gefährlich – und warum? Am Ende gilt die Aufforderung: Tauche bloß schnell ab. Von hier. Von diesem raffinierten Nervenkitzel. Mit seinen seltsamen Geräuschen (= 3 PÖÖNIs).

4.) TV mit KINO-HITS: Das ARD-SommerKino steigt in die Vollen. Mit „Großem Lichtspiel“ am MONTAG, 26. Juli ab 20.15 Uhr. Titel = „THE MULE“„Oscar“-Preisträger CLINT EASTWOOD führte im stolzen Alter von 88 Jahren nicht nur wie gewohnt souverän Regie, sondern schlüpfte 2018 auch lässig in die Rolle des Titelhelden: als betagter Drogen-Kurier, der unauffällig Kokain für ein mexikanisches Kartell durch die USA transportiert. Das Drehbuch basiert auf einer wahren Geschichte, die Nick Schenk der selbstironischen Schauspielerlegende auf den Leib geschrieben hat. Eastwood versammelt in seinem handverlesenen Cast unter anderem die Hollywoodstars Bradley Cooper und Andy Garcia sowie Dianne Wiest und seine Tochter Alison Eastwood (s. Kino-KRITIK).

Einen Tag später, am Dienstag, 27. Juli ab 23 Uhr, folgt im Ersten mit „PARASITE“ die Filmsensation vergangener Jahre. Der südkoreanische Überflieger gewann weltweit nicht nur über 200 Festival- und Filmpreise, sondern räumte auch in Hollywood mit vier „Oscars“ ab und schaffte ein Novum in der Academy Awards-Geschichte: Erstmals siegte der beste fremdsprachige Film auch in der Kategorie „Bester Film“. Das raffiniert aufgebaute Meisterwerk verbindet Elemente aus Drama, Horror, Thriller, Ganovenfilm und Tragikomödie zu einer bitterbösen Gesellschaftssatire (s. Kino-KRITIK).

5.) MUSIK: Seit 1983 fahre ich regelmäßig, einmal/zweimal im Jahr, zu meinem ostfriesischen Nordsee-Lieblings-Urlaubsort = B O R K U M. Dort fühle ich mich inzwischen heimisch. Bis auf eine dortige Unart: Es wird andauernd, also viel zu oft viel-gemäht. Mit immer lautstarkem Geräusche-Pegel. Entsetzlich. Den Rasen mal eine Weile länger einfach wachsen zu lassen, das gibt es dort nicht. Ich habe diesbezüglich themenmäßig MUSIK gesucht. Und gefunden. REINHARD MEY hat mal prächtiges Liedgut mit dem schönen Titel kreiert: „IRGENDEIN DEPP MÄHT IRGENDWO IMMER“. Was jetzt als mein  LIEBLINGSLIED DER WOCHE herhalten muss. Wünsche viel Spaß, Vergnügen und Sinn-Tollheit:

Wünsche eine Mäh-Freie GESUNDE Woche.

HERZlichst:  PÖNI PÖnack

kontakt@poenack.de

 

 

 

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