0.) Die ZDF-Übertragung des EM-Fußball-Matchs Deutschland – Frankreich am letzten Dienstag zählte ab 21 Uhr-Beginn durchschnittlich sagenhafte 22,55 Millionen Zuschauer. Die ZDF-Neuerung dagegen fiel „sagenhaft“ durch – die unerbittliche Co-Kommentierung durch den stolzen Ex-Aktivisten Sandro Wagner. Der gemeinsam – neben dem Kommentatoren-Chef BÉLA RÉTHY – mit vielen Worten und dümmlichen Fragen („He Béla, was sagst du?“) protzte. Unangenehm aufdringlich mischte sich Herr Wagner (zu viel) ein und lies dadurch das neue Mikrofon-Sprach-Team dauer-nervend „blühen“. Warum wir bedauernswerten Zuhörer DAS, pardon, Sandro-GEQUATSCHE, über uns ergehen lassen mussten, konnte ich nicht nachvollziehen; der Blick auf den eigentlichen Anlass, das spannende EM-Spiel, war dadurch ständig gestört. Will sagen, liebes ZDF: HÖRT SOFORT AUF MIT DIESEM VERBALEN-DOPPEL-MIST und holt wieder die Solo-Kommentierung – zum Beispiel eines kompetenten Spiel-Beobachters wie Béla Réthy – zurück in den Sprach-Ring. Auf einen „frotzelnden, lässig stichelnden und neckischen Freigeist Wagner“ („Tagesspiegel“) kann man gut und SEHR GERNE künftig verzichten.
1.) Als ich jünger war, half mir FRANCOIS TRUFFAUT (6. Februar 1932 – 21. Oktober 1984). Mit Filmen wie „Sie küßten und sie schlugen ihn“, vor allem: „Jules und Jim“ und „Fahrenheit 451“, aber auch: „Das Geheimnis der falschen Braut“ und vor allem: „Die amerikanische Nacht“ konnte er privaten Missmut „bessern“. Wenn ich aus einem Truffaut-Kino-Werk herauskam, ging es mir IMMER besser. 1959/60 spielte CHARLES AZNAVOUR die Titelfigur in dem schwarzweißen Truffaut-Meisterwerk „Schießen Sie auf den Pianisten“, der hierzulande nicht ins Lichtspielhaus kam, sondern erstmals 1966 in der ARD zu sehen war. War ER damals die faszinierende filmische Hauptfigur, ist er dies auch aktuell in dem Dokument, das für all jene ein Erlebnis und Vergnügen ist, die IHN mögen und verehren. Titel = „AZNAVOUR BY CHARLES“. Fr 2019, 83 Minuten: Ein Film von CHARLES AZNAVOUR, in der Regie des hauptsächlich als Musik- und Theater-Produzent bekannten MARC DI DOMENICO: „Wir besuchten Charles 2017 in der Provence, nicht nur aus beruflichen Gründen. Ich fing an, ihn zu filmen, einfach so. … Eines Tages zeigte er mir in einer Ecke des Hauses ein Zimmer, das voller Archivmaterial war. Da gab es auch eine Kiste voller Filmrollen. Charles sagte: ‚Sieh nur, das ist alles, was ich im Laufe meines Lebens gefilmt habe, vielleicht kannst Du damit was anfangen‘. Um das Material – Super 8, auf 16mm – ansehen zu können, digitalisierten wir es erst mal ohne großen technischen Aufwand“.
So entstand ein ungewöhnlicher Lebens-Eindruck dieses großartigen armenisch-französischer Chansonniers, Liedtexters, Komponist und Filmschauspielers CHARLES AZNAVOURIAN, der seinen Familiennamen 1982 in AZNAVOUR änderte. Geboren am 22. Mai 1924 in Paris, gestorben am 1. Oktober 2018 in Mouriès. 1948 schenkte EDITH PIAF Charles eine Paillard-Bolex-Kamera, eine Schmalfilmkamera, die er sein Leben lang behielt. Bis 1982 drehte er unzählige Stunden von Bildmaterial als persönliches Tagebuch. Das jetzt für eine filmische Echtzeit abläuft. Und mit folgender Einleitung, gesprochen von Romain Duris, startet: Was wir im Kino sehen ist unecht und doch die einzige Realität, die wir kennen. Die in diesem Film erzählte Geschichte entstand aus Charles Aznavours Memoiren, Gesprächen mit ihm sowie seinen persönlichen Notizen. … Meine Bilder habe ich, im Gegensatz zu meinen Liedern, nie ans Licht gebracht. … Ich filmte, um mich anzunähern“. Das Presseheft tut kund von Marc di Domenico: „Als Basis für den Text dienten fünf Biografien Aznavours, und diese Arbeit wurde gleichzeitig intuitiv zur Auswahl der Bilder durchgeführt. Aber es klappte nicht. Die Cutterin Catherine Libert änderte die Chronologie des Films, stellte neun Minuten aus Afrika an den Anfang, ohne Ton und Text. Wir tauchten so direkt in seine Bilder ein, die völlig unerwartet einen unbekannten Aspekt von Charles offenbaren: Wir waren viel näher am Menschen dran als am Sänger“.
Der fast 200 Millionen Platten weltweit verkaufte. Und nun über diesen erfrischend unkonventionellen Essayfilm weniger als „Star“ in den Mittelpunkt rückt, um mehr von den Inneneinsichten des Menschen Charles zu offenbaren. Und: Am Ende haben uns 25 Lieder von Charles Aznavour durch diese Perle von Film begleitet, die Marc di Domenico verabschiedet: „Für mich ist dieser Film eine zusätzliche Emotion, die Aznavours Arbeit vervollständigt“ (= 4 PÖNIs).
2.) TIERISCH. NETT. Frankreich/Belgien 2020; Co-Drehbuch und Regie: NICOLAS VANIER; riskante Gebirgs-Kamera: Christophe Graillot; Musik: Eric Neveux; 102 Minuten; Titel = „MEIN FREUND POLY“. In „Belle & Sebastian“ war es 2013 ein Hund (s. Kino-KRITIK), in „Der Junge und die Wildgänse“ 2019 Vögel, nun ist es ein Zirkuspony, zu dem in Nicolas Vaniers neuem Film die zehnjährige Cécile (ELISA de LAMBERT) eine innige Freundschaft entwickelt. Von 1961 stammt bereits eine französische TV-Serie, die sich „damit“ befasste. Diese Neuverfilmung der „Poly“-Kinderbücher von Cécile Aubry ist familien-freundlich entwickelt. Zeichnet das Personal angenehm altmodisch-traditionell, setzt die Charaktere konventionell in mitunter stürmische Bewegung, weiß den „Schurken“, den quälerischen Zirkusdirektor, abzufedern. Um mit der tierischen Landschaftstour voranzukommen. Bei der übrigens ein auch für Uns-hier bekanntes Gesicht nebenbei auftaucht: FRANCOIS CLUZET (unvergessen 2011: „Ziemlich beste Freunde“). Die Landschaftsmotive sind betörend, und die wenig inspirierenden „Duelle“ zwischen den Parteien sind vor allem deshalb zu ertragen, weil NICOLAS VANIER einmal mehr das bezaubernde POLY-Pony in den Blick- und Mittelpunkt verfrachtet. Für das es sich lohnt, mutig aufzutreten. Eine sympathische sommerliche Filmreise, bei der nebenbei auch der respektvolle Umgang mit Natur und Bewohner mit-einfließt (= 3 PÖNIs).
3.) POETISCH. CHARMANT. Titel = „FRÜHLING IN PARIS“. Fr 2019. Von und mit der 20-jährigen Drehbuch-Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin SUZANNE LINDON (die Tochter der beiden französischen Schauspieler SANDRINE KIBERLAIN/“Mit Siebzehn“ und VINCENT LINDON/“Streik“). 73 Minuten. Für Krawall-Sucher – hier bitte nicht. Keine Explosionen, keine lauten Diskussionen, keine falschen Töne. Der Titel signalisiert: Paris, Montmartre, ein warmer Frühling. Suzanne ist 16 und vermag mit Gleichaltrigen nicht viel anzufangen. Mit, besser bei ihnen ist Langeweile annonciert. In ihrem Zuhause herrscht eine friedliche Bürgerlichkeit. Der Vater – ein sympathischer Ratgeber, die Mama – ein angenehmer Rückhalt. Suzanne ist auf dem Weg, erwachsen zu werden. Innerlich mit viel Neugier und Suche ausgestattet. Aber – wonach? Nach wem? Oder was? Was soll passieren! Auf dem Weg zur Schule kommt sie jeden Tag an einem Theater vorbei. Von dort stammt der 35jährige Schauspieler Raphael (ARNAUT VALOIS). Man nähert sich „vorsichtig“ an. Verabredet sich. Man schwebt durch das Viertel. Die Ära einer Melancholie. Suzanne verspürt den schmerzhaften, liebevollen Übergang vom Abschied der Jugend und den Einstieg ins „nächste Dasein“. Raphael bindet sich mit-ein. Doch dann empfindet Suzanne „Probleme“. Stellt sich die Frage, ob sie nicht bei ihrer forschen Gefühlsart etwas „Gleichaltriges“ verpasst. Also was ist mit dem – dem normalen Leben. In ihrem Alter.
Dieses ehrliche, ermutigende und von SUZANNE LINDON hinreißend-sensibel entwickelte Poem erinnert an den einstigen frischen Start-Beginn der Nouvelle Vague. Ist dabei nicht wiederholend, sondern neuartig empathisch. Mit den provozierenden Empfindungen vom Heute. Was an dem ungemein einfühlsamen Auftreten dieses „besonderen Talents“ liegt: Ich bin, also will ich. Sanft, aber bestimmend. Ich will mich endlich kennenlernen. Mich einschätzen. Um viele weitere Neugier-Fragen kennenzulernen und unterzubringen. Vielleicht zu bewältigen. SUZANNE LINDON, Jahrgang 2000, ist ein wunderbar früher Gewinn, und sicherlich nicht nur für das französische Gefühls-Kino (= 4 PÖNIs).
4.) KINO-TV-HITS in – Na ja – TV-Fußball-Zeiten. A) SONNTAG, 20.6., 20.15 Uhr ARTE = „CAPTAIN FANTASTIC: EINMAL WILDNIS“ von Matt Ross; USA 2016; mit VIGGO MORTENSEN (s. Kino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs): Motto – Der Weg ist das Road Movie-Ziel. Ein listiger, sehr gedankenvoller Familien-Abenteuerfilm. Motto II: Der Kapitalismus und seine Individuum-Schäden. In Farce & Sinn & Spannung.
B) MONTAG, 21.6., 22.15 Uhr ZDF = „DER NEBELMANN“ von Donato Carrisi; Italien 2017; mit TONI SERVILLO, JEAN RENO (s. Heimkino-KRITIK/4 1/2 PÖNIs); Sergio Leone ist Vorbild für den Regisseur: „Ich erzähle Gruselgeschichten, aber mit der Herangehensweise eines Kindes“. Faszinierend.
C) DIENSTAG, 22.6., 23.25 Uhr 3sat = „CHALLENGER – EIN MANN KÄMPFT FÜR DIE WAHRHEIT“ von James Hawes; USA/GB 2013; mit William Hurt (s. Heimkino-KRITIK/4 PÖNIs); hervorragender Spannungsfilm um die Gründe für die Explosion der Raumfähre Challenger am 28. Januar 1986: „Dies ist eine wahre Geschichte“.
D) DONNERSTAG, 24.6., 21.40 Uhr ZDF NEO = „DER EINZIGE ZEUGE“ von Peter Weir; USA 1985; mit Harrison Ford, Kelly McGillis; ein siebenjähriger Amish-Junge ist der einzige Zeuge eines Mordes, dessen Spuren tief in ein korruptes Polizei-Netzwerk hineinführen. Der intelligente Spannungsfilm gewann zwei „Oscars“ (für Drehbuch und Schnitt) und war einer der größten Box-Office-Hits des Jahres 1985.
5.) MUSIK: CHARLES AZNAVOUR ist in dieser Woche filmisch ein Kino-Gewinn. Verständlich, dass ein Lied von ihm zu meinem Lieblings-Wochensong gekürt wird. Das Besondere – Aznavour singt auf deutsch:
Wünsche eine GESUNDE entspannte „LA BOHEME“-Woche.
HERZliche Grüße: PÖNI PÖnack
kontakt@poenack.de