PÖNIs BLOG (102): RAINER MARIA RILKE; 4 x neue hervorragende KINOFILME; Empfehlung: „MONSIEUR KILLERSTYLE“; DELLA HUMPHREY

0.) Vielen Dank fürs Mitmachen bei unserer „Triff Pöni und frag ihn aus“-Aktion anlässlich des 100. Blogs vor zwei Wochen! Wir haben zwei Gewinner ausgelost und werden uns in Kürze melden.

1.) Wenn die Alltagsunruhe nervt, greife ich gerne zu lyrischer Sprache, zu speziellen RAINER MARIA RILKE – Gedanken. „Briefe an einen jungen Dichter“ lautet eine Sammlung von Briefen von Rainer Maria Rilke (*4. Dezember 1875 – †29. Dezember 1926) und umfasst den Briefwechsel zwischen dem österreichischen Schriftsteller und Journalisten Franz Xaver Kappus und Rainer Maria Rilke aus den Jahren 1903 bis 1908; wurde 1929 im „Insel Verlag“ als Nummer 406 der „Insel-Bücherei“ veröffentlicht. ZITAT: „Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antworten hinein“. 

2.) Hauptdarsteller = HUNDE. Titel: SPACE DOGS“. Regie, Buch & Produktion: Elsa Kremser und Levin Peter. Eine Produktion Österreich/Deutschland; gedreht 2017 in Moskau. Erzählerstimme: Der bekannte russische Schauspieler ALEXEY SEREBRYAKOV („Leviathan“), der seit 2012 mit seiner Familie und mehreren ehemaligen Moskauer Straßenhunden in Kanada lebt.

Es beginnt VORGESTERN. Informiert anfangs Alexey Serebryakov. Laika lebte einst auf den Straßen von Moskau. LAIKA war das erste Lebewesen, das in den Weltraum geschossen wurde. Doch kurz darauf lag sie tot in der Kapsel. Monatelang schwebte das leblose Tier wie kosmisches Treibgut durch die Dunkelheit. Jedoch schien es, als könnte die Erde ihre tote Hündin nicht einfach dem endlosen Kosmos überlassen. Mit all ihren Kräften zog die Erde ihre Hündin immer näher an sich heran. Doch als die Raumkapsel schließlich die Atmosphäre berührte, wurde sie von so einer gewaltigen Hitze erfasst, dass Laikas Körper verglühte. Und in diesem Moment wurde aus einer Moskauer Straßenhündin ein Geist. Der seitdem durch die Straßen von Moskau streift. 

Um den Weg für den Menschen ins All zu bereiten, schoss die Sowjetunion zwischen 1951 und 1966 insgesamt mindestens 48 Moskauer Straßenhunde in den Weltraum. Für ihren packenden, aufwühlenden Dokumentarfilm haben sich die Filmemacher ELSA KREMSER aus Österreich und LEVIN PETER aus Deutschland unter die Straßenhunde im heutigen Moskau begeben, um Laikas Spuren zu folgen. Sie begleiteten eines dieser wilden Rudel auf deren Suche nach Nahrung und Schlafstellen so nah und vertraut wie man es in einem Film noch nie gesehen hat. Dabei wichtig: Die spezielle Arbeit des Schweizer Kamera-Verantwortlichen YUNUS ROY IMER (dessen erste Kameraarbeit 2019 für „Systemsprenger“ war) : „Nach langer Suche haben wir ein Stabilisierungssystem gefunden, das mir erlaubt hat, die Kamera in Augenhöhe der Hunde auf der Hüfte zu halten“. 

Tiere und ihr Aufenthalt unter uns. Deren Anwesenheit nicht mehr „so“ einfach vorüber streift, sondern deren Existenz etwas von inniger Gefolgschaft, unerbittlicher Brutalität und schließlich von ihrem Blick auf uns Menschen handelt. Verwoben mit bislang unveröffentlichtem altem Filmmaterial „von damals“, aus der Zeit der sowjetischen Raumfahrtanfänge, bei dem sich eine magische, bizarre, empathische Erzählung über das Dasein dieser tierischen Wesen ausbreitet. Während wir hierzulande Hunde als unsere Begleiter und Mitbewohner akzeptieren, sind sie hier allein-gelassen auf sich angewiesen. Eingefangen gelten sie als Beutetiere, zur Benutzung (und Tötung) freigegeben. „Man muss sich nicht auf diesen Film einlassen, sondern er lässt einen nicht mehr los“, stand in der „Zürcher Zeitung“ nach der Vorführung auf dem Locarno-Filmfestival im Vorjahr. Während der mit einem köstlichen Knautschgesicht und pointierten flotten Sprüchen ausgestattete amerikanische Komiker BILL MURAY – gerade 70 Jahre jung geworden – schon immer wusste: „Ich misstraue Menschen, die Hunde nicht mögen. Aber ich traue jedem Hund, der Menschen nicht mag“. Gilt als D E R Kommentar zu diesem sagenhaft aufwühlenden menschlichen Tierfilm „SPACE DOGS“ (= 4 PÖNIs).

3.) SPANNEND: Titel = „PELIKANBLUT“Dass ein deutscher Film mit einem pikanten Psycho-Drama mit Horror-Geschmack unterhaltsam punktet, ist außergewöhnlich. Als Autorin und Regisseurin ist KATRIN GEBBE verantwortlich, deren Genre-Debütfilm „Tore tanzt“ hieß und 2013 in der Sektion „Un Certain Regard“ beim 66. Internationalen Cannes-Festival vorgestellt wurde.  Und durchaus an den rüden Kinder-Aufstand „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt erinnert, der vor einem Jahr sehr viel Aufmerksamkeit verbuchen konnte. Mit demselben Kameramann – Mann von „Space Dogs“ und auch hier: YUNUS ROY IMER. Thema: Was machst Du? Beziehungsweise: Wie verhätlst Du Dich RICHTIG? In folgender Situation: Du heißt Wiebke, bist 45 und lebst friedlich mit deiner 9-jährigen Adoptivtochter Nikolina auf einem idyllischen Reiterhof. Wo sie -zusammen mit Polizisten – Polizeipferde trainiert. Da Wiebke als alleinstehende Person für amtliche deutsche Adoptionsverfahren nicht in Frage kommt, ist sie bestrebt, eine weitere Auslandsadoption in Gang zu setzen. Hat mit einem bulgarischen Kinderheim diesbezüglich Kontakt aufgenommen. Um von dort die fünfjährige Raya zum – lange herbeigesehnten – Schwesterchen für Nikolina zu bitten. Anfangs herrscht zuhause eine ausgelassene, harmonische Stimmung. Doch dann wenden sich die Verhaltens-Zustände. Enorm. Raya wird immer aggressiver, vermag sich nicht „normal“ zu benehmen und stellt eine immer umfangreicher Bedrohung dar für sich und vor allem für andere und vor allem für Nikolina. Während Wiebke (NINA HOSS) gar nicht daran denkt, aufzugeben; weiterhin extrem bemüht ist, Zusammengehörigkeitslösungen zu finden. „Wir kriegen das hin!“ lautet ihr Motto. „Die hat Gefühle“, erklärt sie das immer bedrohlicher werdende Auftreten von Raya. Während der eingeschaltete Psychologe Verwahrlosung durch grenzüberschreitende Erfahrungen bei der schwer gestörten Raya attestiert von wegen – das Mädchen ist verkümmert, besitzt weder Empathie noch Ängste.

PELIKANBLUT erkundet die alptraumhafte Vision der Elternschaft. Der Titel bezieht sich auf das christliche Symbol der Pelikanmutter, die ihren toten Nachwuchs mit ihrem eigenen Blut füttert, um ihn so zurück ins Leben holt. Um ihr emotional `totes` Kind unter allen Umständen zu retten, nimmt Wiebke den beschwerlichen und bedrohlichen Kampf auf. Was als mutiges Engagement startet, entwickelt sich zu einer fragwürdigen Aufgabe und wird auf der immer umfangreicher, extremen „Maßnahme Erziehung“ immer obsessiver. Was die höfische Umwelt immer mehr bestürzt, aber Wiebke um so mehr „anfeuert“. „Zu machen“. Durchzuhalten. Obwohl sich die offensichtlich traumatisierte Raya immer fürchterlicher, grausamer entwickelt. Verhält. Gefährlich benimmt. Und dadurch Wiebke an die Grenzen ihrer Kraft gerät. Begleitet von einem ergreifenden musikalischen Rhythmus von Johannes Lehniger, der ausgestattet ist von Adagio über Andante hin zu Presto.

Ein großartig unbequemer, grandios beunruhigender Film um scheinbar mögliche Menschrettungsfantasien. „Wir schaffen das“, schreit „Pelikanblut“ uns provozierend Merkel-haft an. Obwohl Wiebke sich längst auf dem Psycho-, auf dem Seelenweg ins Verderben befindet. Wenn Menschlichkeit sich in bösen Horror verwandelt, signalisiert der Streifen um eine schließlich authentische Hexerei. NINA HOSS, die kürzlich beim „Filmfest Hamburg“ mit dem Douglas Sirk-Preis belobigt wurde, begeistert einmal mehr mit einer provozierenden Mutterschaft, die sich unter die Haut pellt. Die kleine „gemein-gefährliche“ KATERINA LIOVSKA als Raya hält stark kräfteraubend-fantastisch mit. Der 127 Minuten-Streifen hinterlässt einen immens spannenden Denk- wie Unterhaltungseindruck als „Systemsprenger“ (s. Kino-KRITIK) auf Grusel-Art (= 4 PÖNIs).

4.) BERÜHREND: Titel = „BLACKBIRD – EINE FAMILIENGESCHICHTE“. Ist das Remake des dänischen Streifens „SILENT HEART – MEIN LEBEN GEHÖRT MIR“ von Bille August aus dem Jahr 2016 (s. Kino-KRITIK). Thema: Menschliche Intimität bei existenziellen Lebens-Fragen: Wie gut leben, wie ebenso sterben. Das heutige Remake ist eine amerikanisch-britische Co-Produktion und  stammt vom einst durch „Notting Hill“ (1999) bekannt gewordenen südafrikanischen Regisseur ROGER MICHELL. Zur prominenten Besetzung bei diesem Ensemble-Drama gehören SUSAN SARANDON, KATE WINSLET, MIA WASIKOWSKA und SAM NEILL. Eine Familie trifft sich. In einem abgelegenen Ami-Familienanwesen. Zu einem traurigen Anlass: Hausherrin Lily (Susan Sarandon) ist schwer erkrankt und beabsichtigt ihrem Leben ein Ende zu setzen. Ihr Ehemann Paul (Sam Neill), pensionierter Arzt, hat das Giftmittel bereits besorgt. Lily hat ihren Kreis informiert, will mit allen „friedlich“ Abschied nehmen. Am Abend wird vorgezogen Weihnachten-gefeiert. Doch während der Feier beginnen sich mit- bzw. untereinander Spannungen zu türmen. Die von Lily angestrebte „Sterbehilfe“ beginnt zu bröckeln, weil die Ansichten und Positionen keineswegs so einhellig sind wie angenommen.

Selbstbestimmtes Sterben, ein amerikanisches Reizthema. Die erste Stunde der 97 Filmminuten lotet der Streifen die Figuren aus, die sich, wie sich mehr und mehr herausstellt, bedeckt halten. Bevor es ans seelische und emotionale Eingemachte geht. „Oscar“-Preisträgerin SUSAN SARANDON („Dead Man Walking“/1996) führt ironisch die Gemeinschaft an („Anna, Chris, ich bin bald tot, kommt ihr runter zum Frühstück?“) und fightet vehement gegen qualvolles Siechen. Die letzte Filmstunde zielt auf die zwischenmenschlichen Details. Bei denen die Fassaden auseinanderbrechen. „Blackbird“ entwickelt sich zum Ensemble-Drama mit den „Geschichten“ zum gerade in den USA unterschiedlich diskutierten Ansichten über: Wie ist es mir gestattet zu sterben. Und wie „dürfen“ das die Familienmitglieder „gestatten“. Das Ende ist human (= 3 PÖNIs).

5.) VORZÜGLICHE LEBENS-KOMÖDIE: Titel = DAVID COPPERFIELD – EINMAL REICHTUM UND ZURÜCK“. Geschaffen von Armando Iannucci. Der Schotte war im Frühjahr 2018 mit einem der besten Jahresfilme ins Kino: „THE DEATH OF STALIN“ (s. Kino-KRITIK). Sein aktueller Film basiert auf dem autobiographisch geprägten Roman „David Copperfield“ von Charles Dickens aus dem Jahr 1850. Und ist eine leuchtende, lebhafte, pointiert phantasievolle und rundum bezaubernde Unterhaltungs-Offenbarung. Über das Aufwachsen eines pfiffigen jungen Burschen und seine glückliche Kindheit im viktorianischen England. Der, als seine Mutter „falsch“ heiratet, nach London gesandt wird, wo Trübsal und Ausbeutung in einer Flaschenfabrik auf ihn wartet. Als der inzwischen zum jungen Burschen gereifte David (DEV PATEL/“Lion – Der lange Weg nach Hause“; „Slumdog Millionär“; „Best Exotic Marigold Hotel“) die Nachricht vom Tod seiner Mutter erfährt, startet er bei seiner Tante Betsey Trotwood (TILDA SWINTON) und mit dem exzentrischen Mitbewohner Mr. Dick (HUGH LAURIE/“Dr. House“) ein weiteres Leben. Voller wirbeliger, mit viel Zuneigung und noch mehr Liebe gefüllter Begegnungen und Abenteuer. Wobei sich mehr und mehr der ekelhafte Uriah Heep (BEN WISHAW) als unangenehmer, tückischer Schleimer entpuppt. Der ein hinterhältiges Karriere-Spiel treibt. Und nicht nur David Copperfield mächtig zu Schaffen macht.

Wie auch schon in dem einzigartigen filmischen Leckerli besitzt Armando Iannucci großartige Pointen-Fähigkeiten in Sachen Effekte, Zeiten und exotische Räumlichkeiten. Details zu verraten wären gemein, die dürfen gesehen, bestaunt, erlebt sein. In Sachen, was dieser Charles, pardon David im Zusammenhang mit wirklich verblüffenden, amüsanten, einfallsreichen Puzzleaktionen durchlebt. Um am Ende – wie anfangs – sich „damit“ auf der Bühne zu präsentieren. Vor entzückter Gesellschaft. Die sein soziales Hin und Her, Auf und Ab, beobachtet haben. Was der Regisseur Armando Iannucci vor allem visuell prächtig zusammengefügt hat. Während Drehbuch-Autor SIMON BLACKWELL ihm den originellen Tonfall zugespielt hat. Für die 14. Adaption des bislang für Kino UND Fernsehen verwandten Stoffes aus den Jahrzehnten. Die Verbeugung vor dem großen Schriftsteller CHARLES DICKENS jedenfalls war wohl noch nie so be- und verzaubernd beziehungsweise dramatisch-fein-verblüffend wie jetzt gerade. Toll. Mitreißend. Brillant. Schön (= 4 1/2 PÖNIs).

6.) PRIMA TRASH: Titel = „MONSIEUR KILLERSTYLE“. Ich habe vor einigen Wochen – in einem BLOG  (s. BLOG Nummer 93– über den kuriosen französischen Spielfilm „Le daim“ (Originaltitel) empfehlend geschrieben. Der bei uns „Monsieur Killerstyle“ hieß. Habe soeben vernommen, dass sich dieser filmische EXOT von QUENTIN DUPIEUX (= Drehbuch, Kamera, Regie und Schnitt) nun auch hierzulande auf dem HEIMKINO-Markt befindet. Möchte dies zum Erinnerungs-Anlass nehmen. Zumal – einen Film mit dem französischen Star JEAN DUJARDIN darf man nicht übersehen.

7.)   MUSIK: Was zugleich die Musik-Sparte in Bewegung versetzt. Denn auf dem Abspann von „Monsieur Killerstyle“ ist der Titel „Don’t Make The Good Girls Go Bad“, gesungen von DELLA HUMPHREY“, zu hören. Mein Song dieser Woche:

Wünsche eine stimmige Woche. HERZlichst: PÖNI PÖnack

kontakt@poenack.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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