„DAS PARFÜM“ von Tom Tykwer (D/Fr/Sp 2006; B: Andrew Birkin, K: Frank Griebe; 147 Minuten; Start D: 14.09.2006); basierend auf dem Bestseller von Patrick Süskind.
TOM TYKWER, Wuppertaler des Jahrgangs 1965, war einst mit dem Kurzfilm-Dauer-Spaß „Lola rennt“ (1998) massen-erfolgreich. Angefangen hat er mit cineastischen-grüblerischen Beziehungsmovies wie „Die tödliche Maria“ (1994), „Winterschläfer“ (1997), wurde dadurch vielbeachtet, lies dann aber nach mit eher blassen Beziehungsgeschichten wie „Der Krieger und die Kaiserin“ (2000) und zuletzt „Heaven“, dem Berlinale-Eröffnungsfilm von 2002.
Der Roman „Das Parfüm“ erschien als Vorabdruck in 52 Folgen vom 16.10. bis 15.12.1984 in der FAZ. Der Erscheinungstag des Buches war am 26.02.1985 durch den Schweizer Verleger Daniel Keel in kleiner Auflage im „Diogenes-Verlag“.
Seitdem wurde das Buch rund 10Millionenmal als Hardcover verkauft, seit 1989 gibt es ihn auch als Taschenbuch und bis Ende 2005 wurden weitere geschätzte 15 Millionen-Exemplare verkauft. Seit „Im Westen Nichts Neues“ von Erich Maria Remarque (Weltauflage = 15 Millionen) ist „Das Parfüm“ der größte deutschsprachige Literatur-Welterfolg. Das Buch ist in über 50 Ländern erschienen, in über 40 Sprachen veröffentlicht.
Der extrem öffentlichkeitsscheue Autor des Weltbestsellers wurde am 26.03.1949 als Sohn des einst sehr berühmten Schriftstellers/Journalisten/Übersetzers + Kulturkritikers Wilhelm Emanuel Süskind (der 1971 im Alter von 70 Jahren starb) in Ambach/Starnberger See geboren. Süskind hat sich lange gegen den Rechte-Verkauf für eine Verfilmung gewehrt; insgeheim soll er jedoch auf den großen STANLEY KUBRICK („Barry Lyndon“) – wenn schon, denn schon – als Verfilmer gehofft haben. Nach dessen Tod im Jahr 1999, kaufte der deutsche Produzent, Drehbuch-Autor und Regisseur Bernd Eichinger („Der Name der Rose“; „Der Untergang“) im Jahr 2001für geschätzte 10 Millionen Euro die Rechte vom Autor und Verlag. Filmemacher wie MARTIN SCORSESE, MILOS FORMAN, RIDLEY SCOTT interessierten sich mehr oder weniger für die Leinwand-Adaption. Als Darsteller des JEAN-BAPTISTE GRENOUILLE (= zu Deutsch: Frosch) waren Stars wie ORLANDO BLOOM („Der Herr der Ringe“ / „Fluch der Karibik“) und LEONARDO Di CAPRIO („Titanic“) im Gespräch, letzterer hatte sogar schon „halb“ zugesagt, zog dann aber zurück; und ebenso soll auch bei JOHNNY DEPP angefragt worden sein. Schließlich bekam der unbekannte 24jährige Brite BEN WISHAW die Hauptrolle; jener Ben Whishaw, der neulich in dem Desaster „Stoned“ (über den Rolling-Stones-Gitarristen Brian Jones) Keith Richard „unauffällig“darstellte. Für Nebenrollen wurde u.a. Prominenz wie ALAN RICKMAN (Prof. Severus Snape in den Harry-Potter-Filmen) sowie „Oscar“-Preisträger DUSTIN HOFFMAN („Rain Man“) verpflichtet. Am 12. Juli 2005 begannen die Dreharbeiten. Drehorte waren Barcelona und Umgebung, die Provence in Frankreich und München. Das Budget soll um die 50 Millionen Euro betragen haben (werbefein tönt es: Dies ist „der teuerste deutsche Film aller Zeiten“). Mit-Finanzier ist die Schweizer Mäzenin Gigi Oeri (die ansonsten den Fußballverein FC Basel mit den notwendigen Finanzmitteln versorgt).
Auf dem Pariser Fischmarkt im Jahr 1738 türmen sich Schmutz, Matsch und Fischabfälle knöcheltief auf dem aufgeweichten Boden; dicke Fliegen umschwirren das Gemisch aus Fischköpfen + Eingeweiden, rasch verrichteter Notdurft, Spülwasser und Essensresten. Mitten in diesem unglaublich stinkenden Brei bringt eine Fischverkäuferin während der Arbeit „schnell mal“ (wie einige Male zuvor bereits auch schon) ein Kind zur Welt: Zwischen den Abfällen versucht sie es zu verstecken, doch der Neugeborene ist robuster als ihre Gören zuvor und macht schreiend auf sich aufmerksam. Er überlebt, die Mutter wird wegen versuchten Kindesmordes gehängt. Der EXTREM ausgeprägte Geruchssinn von Jean-Baptiste Grenouille sorgt fortan dafür, dass seine Nase praktisch wie quasi die Funktion von Augen/Ohren/Gehirn übernimmt. Dank seiner außergewöhnlichen Geruchsfähigkeiten durchlebt er eine Lehrzeit beim berühmten Parfümeur Baldini, um sich dabei/danach „selbständig“ zu machen, als er beschließt, d a s Parfüm der Parfüme überhaupt zu kreieren: DEN betörendsten, schönsten, berauschendsten LIEBES-DUFT aller Zeiten. Dafür wird er zum Mörder, zum Serien-Killer, denn 26 (im Roman) bzw. 13 (im Film) Jungfrauen müssen mit ihrem Leben bezahlen, damit Grenouille ihren „unschuldigen Duft“ zu einem perfekten, die Sinne total betörenden/manipulierenden Geruch entwerfen kann. Als er schließlich gefasst wird und hingerichtet werden soll, kommt es – dank SEINES Parfüms – zur Massen-Ekstase.
Sehr viel Aufwand für wenig Spannung; der Schau-Wert ist zwar enorm, aber „darunter“ geht es bedächtig-lahm-LANGWEILIG-langweilend zu. Schon beim Einstieg, aber dann auch immer wieder zwischendurch: Tykwer vermag NICHT visuell-„tief“ zu arbeiten, deshalb muss OTTO SANDER mit seiner sonoren Stimme aus dem Off das Geschehen auf der Leinwand erklären (was – wie – wo – wer…), muss Orte/Befindlichkeiten der Seele erklären, muss wie bei einem Hörspiel „helfend“ eingreifen in der Bestimmung und Deutung von Landschaft, Seele und Charaktere. Was Tykwer NICHT zu inszenieren vermag, muss Otto Sander „begreifbar“ bzw. verständlich machen. Lächerlich; ebenso übrigens die immerfort aufdringlich-sülzende sinfonische Musik (gespielt von den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle), an der Tykwer mitgearbeitet hat. DIE will uns AUCH andauernd „erklären“, was mit den NUR-Bildern im Detail eben nicht gelingt: Inhalt/Story-Fortbewegung/ Dramaturgie/Spannung/Tempo. Von Charakter-Beschreibungen ganz zu schweigen, außer der Hauptfigur bleiben die meisten anderen Beteiligten unpersönlich, sind irgendwie da (und bald danach auch schon wieder „weg“) und ziemlich uninteressant. Immer wieder präsentiert uns Tykwer in Großaufnahme die mysteriöse NASE von Grenouille, aber wir haben doch ziemlich schnell kapiert, dass DIE halt SEIN „Werkzeug“ bedeutet. UND NUN???
Die Zuschauer-Augen werden viel gefüttert, aber unter- wie innerhalb der famosen ÄUSSERLICHKEITEN ist (zu) vieles LEER, unerklärt, beliebig. Der INNERE Grenouille, im Roman als „Mehr-Tier als Mensch“-Serien-Mörder hintergründig-originell aufregend beschrieben, bleibt hier unbekannt, kommt – wie so vieles hier – eben nur ÄUSSERLICH vor. Nichts von seinen Dämonen, nichts von einem Geruchs-Messias, nichts von einem bösen Anti-Helden. (Dem bekanntlich sogar Kurt Cobain mit seinem letzten „Nirvana“ Album wütende 3 ½ Song-Minuten entgegenschleuderte). Ganz im Gegenteil: Während der Massenmörder im Roman ein hässlicher, verwachsener Mann ist, tritt er hier als junger, nicht unattraktiver Bursche auf. Einem mitleidsheischenden „Hündchen“ gleich, dessen ebenso mörderische wie vernarbte Seele Behauptung bleibt. In der Mischung aus „armer Köter“ und Abgrund.
Während die beiden ausländischen Stars drum herum, Dustin Hoffman und Alan Rickman, freundlich mit mimen, brav ihren Text aufsagen und bedeutungslos abgehen. Und das „deutsche Personal“ wie Karoline Herfurth, Jessica Schwarz und vor allem Corinna Harfouch nicht bzw. grauslich (Harfouch) auffallen. Emotions-Kino OHNE Gefühl, ohne MAGIE, als spannungsloses, braves BETROFFENHEITS-LICHTSPI EL. Auch im Schlussbild: Selten so eine so inkonsequente, unerotisch-gekünstelt-inszenierte Massen-Orgie erlebt. Nackte Leiber wälzen sich „jugendfrei“-uninspiriert durch- und miteinander. Keine besinnungslos betörende Ekstase wie behauptet, sondern die Sesamstraße-nackt. Von Atmosphäre wie Drastik keine (sinnliche) Spur. Der Film musste „ab 12“ freigegeben sein, also wird „so etwas“ Komisch-Doofes angeboten.
Also: Keineswegs DER deutsche Kinofilm des Jahres, sondern leider schwächliches Entertainment, teutonisch-schwermütig wie aufwendig-trübe. Der Film „DAS PARFUM“ bleibt jederzeit AUF DISTANZ zum Zuschauer; die Adaption eines der tollsten Romane des 20. Jahrhunderts ist ziemlich danebengelaufen bzw. misslungen (= 2 ½ PÖNls).