NÄCHSTER HALT: FRUITVALE STATION

PÖNIs: (4,5/5)

„NÄCHSTER HALT: FRUITVALE STATION“ von Ryan Coogler (B + R; USA 2012; K: Rachel Morrison; M: Ludwig Göransson; 85 Minuten; deutscher Kino-Start: 01.05.2014); ein großer Film kommt (vergleichsweise) „klein“ daher. Deshalb eingangs die dringliche Aufforderung – an diesem Film nach Möglichkeit nicht vorbeizusehen. ER IST GROSSARTIG!

Normalerweise kriegen wir zu solchen, wenngleich erschütternden Meldungen keinen direkten Bezug. Wir trauern quasi „amtlich“ wie kurz. Weil wir das Opfer nicht kennen. Können. Wenn aber dieser Mensch für uns „ein Gesicht“, eine persönliche Stimme, eine lebhafte Existenz bekommt, sieht die gedankliche wie emotionale Empörungssache ganz anders aus. DAS ist wirklich passiert:

Es ist der 31. Dezember 2008. Wir befinden uns in der sonnendurchfluteten Bay Area, in der Nähe von San Francisco. Und lernen Oscar Grant (MICHAEL B. JORDAN) kennen. Einen 22-jährigen Schwarzen, der sich schwer tut, seine kriminelle Energie endlich abzuschalten, um mit seiner Freundin Sophina (MELONIE DIAZ) und ihrer gemeinsamen cleveren, sensiblen vierjährigen Tochter Tatiana (ARIANA NEAL) ein geregeltes Beziehungsleben zu führen. Als Vater, Partner und Sohn einer ihn „streng“ vergötternden Mutter. Oscar hat wegen Unzuverlässigkeit seinen Job im Supermarkt verloren. Eine Wiedereinstellungschance gibt es für ihn nicht. Dennoch „trennt“ er sich von seinen letzten Drogenvorräten. Schmeißt sie ins Meer. Will unbedingt endlich für „klar Schiff“ in seinem Leben sorgen. Offenbart sich seiner Frau. Gemeinsam besuchen sie seine Mutter, die Geburtstag hat, und begegnen einer harmonischen Sippe. Am Abend geht es in Richtung San Francisco. Mit der Freundes-Clique. Ohne Auto. Lieber mit der Bahn. Auf der Rückfahrt begegnet Oscar zufällig einem weißen Rassisten, mit dem es damals im Knast schon viel Stress gab. Es kommt zu einer Prügelei. Auf der U-Bahn Station Fruitvale Station wird der Zug angehalten. Polizisten tauchen auf. Haben auch Oscar „im Blick“. Eine angespannte, aggressive Stimmung. Die von Mitfahrenden über ihre Handy-Kameras festgehalten wird. Dann fällt ein Schuss. Aus der Pistole eines weißen Polizisten. Oscar Grant stirbt im Krankenhaus.

„Fruitvale Station“, der Debüt-Spielfilm des 26-jährigen Drehbuch-Autoren und Regisseurs RYAN COOGLER aus Oakland/Kalifornien, erweist sich als eine ungemein nahe, wahrhaft gezeichnete Menschen-Geschichte. Ohne Helden-Pathos oder blinde Wut-Kritik. Stattdessen mit einer spannenden Dichte, die packt, unter die Kopf-Haut geht. In ein schwarzes US-Milieu hineinblickt, in dem die Zukunftsaussichten wenig glorreich sind; die sich durch Armut, Ungeduld und illegale „Ausbruchsversuche“ ebenso zeigt wie durch den bestimmenden, einflussreichen Zusammenhalt innerhalb der Familie durch das human-bestimmende mütterliche Oberhaupt.

Ryan Coogler findet hierfür eine virtuose bildliche Sprache, die sehr „diskret“ glaubwürdig erscheint. Auf jede „Großkotzigkeit“ verzichtet. Sowohl in der Argumentation wie auch in der Deutung. Gleichwohl blicken wir einmal mehr auf ein rücksichtsloses Amiland mit seinem erschreckenden Rassismus. Wie die zusätzlich eingegebenen Dokumentaraufnahmen belegen. Von damals und heute. Bei der alljährlichen Erinnerung. Um den völlig sinnlosen Tod eines Menschen, dem man nie begegnet ist, den man nun aber über diesen wahrhaften Film kennengelernt hat. Die Trauer ist auch hier jetzt immens. Was auch am exzellent unangestrengten Auftreten des Oscar-Interpreten MICHAEL B. JORDAN liegt. In dessen Bewegungen sich zwiespältiger Charakter und bemühte „verbesserte“ Seele vermitteln.

„Nächster Halt: Fruitvale Station“ ging inzwischen durch die Film-Welt und fand enorm viel Zuspruch. Auf dem renommierten „Sundance-Festival“ wurde er im Januar 2013 mit dem Jury- und Publikums-Preis bedacht; beim vorjährigen Cannes-Festival wurde er als „Bestes Erstlingswerk“ ausgezeichnet. Was für ein kraftvolles, wirkungsintensives filmisches Tatsachen-Drama: UNBEDINGT EMPFEHLENSWERT (= 4 ½ PÖNIs).

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