PÖNIs: (4,5/5)
„MY WEEK WITH MARILYN“ von Simon Curtis (Co-Prod. + R; GB/USA 2010/2011; B: Adrian Hodges; K: Ben Smithard; M: Conrad Pope; 89 Minuten; deutscher Kino-Start: 19.04.2012); die große Welt hätte NIE von ihm Kenntnis genommen, von seiner Existenz erfahren, wenn er nicht im Jahr 2000 mit dem Buch „The Prince, the Showgirl and Me“ in öffentliche Erscheinung getreten wäre. Das in diesen Tagen, anlässlich des Kinostarts, nun auch hierzulande unter dem Titel „Meine Woche mit Marilyn“ (im Schirmel/Mosel Verlag) erschienen ist. Die Rede ist vom britischen Schriftsteller und Filmemacher/Dokumentarfilmer COLIN CLARK (*09.10.1932 – †17.12.2002). Der damals, im Sommer von 1956, eine „unsterbliche Woche“ erlebte. Mit d e m weiblichen Super-Superstar jener, aber eben nicht nur jener, sondern Immer-Tage: MARILYN MONROE (*01.06.1926 – †05.08.1962).
Zu den Fakten: Am 13. Juli 1956 kam „DIE BLONDE der Blonden“ nach London. Sie war mit Filmen wie „Blondinen bevorzugt“, „Wie angelt man sich einen Millionär?“, „Fluß ohne Wiederkehr“, „Das verflixte 7. Jahr“ und „Bus Stop“ zum definitiven Sexy-Spitzen-Darling in Hollywood aufgestiegen. Und wollte nun filmweg von ihrer ewigen komödiantischen Bedienungs-Blondine. Wollte endlich einmal „ernsthafter“ wahrgenommen werden. „Besser“ überzeugen. Hatte deshalb das Angebot des zweifachen „Oscar“-Preisträgers Sir LAURENCE OLIVIER angenommen, unter seiner Regie und Hauptdarsteller-Mitwirkung an der Produktion „The Prince and the Showgirl“ mitzuwirken. Laurence Olivier (*22.05.1907 – †11.07.1989) ist einer der bedeutendsten englischsprachigen Bühnen- und Filmdarsteller überhaupt. Marilyn und Sir Laurence. „Die Leichte und der Hamlet“. Natürlich prallen hier zwei „Kulturen“ aufeinander. Die „simple“ Aktrice und das intellektuelle Genie. Marilyn, die mit ihrem 3. Ehemann, dem renommierten Schriftsteller Arthur Miller, sowie mit ihrem ständigen „Coach“ Paula Strasberg, nach England gekommen ist, fühlt sich von Anfang an hier unwohl. Ist unsicher. Verunsichert. Leidet unter Stimmungsschwankungen. Angstzustände wechseln mit Depressionen. Tabletten und Alkohol helfen nur bedingt. Die „nervöse“ Marilyn hält die Drehtermine nicht ein. Fällt mal „ein wenig“, dann schon mal „länger“ aus. Kriegt „das mit dem Text“ oft nur unvollständig hin. Die Nerven sind angespannt. Bei allen. Am Filmset herrscht eine „explosive“ Atmosphäre. „Filmsets sind die kältesten Orte der Welt“, versucht Marilyns ältere Kollegin Dame Sibyl Thorndike (JUDI DENCH) die Unglückliche zu beruhigen. Dann taucht ER auf. Tritt kurz, aber vehement in ihr Leben. Beziehungsweise richtiger – SIE tritt kurz und „doll“ in SEIN Leben. Tritt in seinem Leben auf. Die Schöne und der Assi: Davon erzählt dieser wunderbare Film.
„Ich lief von Zuhause weg und trat dem Zirkus bei“: Colin Clark, der 23-jährige Sohn des renommierten britischen Kunsthistorikers Sir Kenneth Clark, ist zu jener Zeit frischgebackener Oxford-Absolvent. Und denkt überhaupt nicht daran, sich „bürgerlich-familiär“ eingemeinden zu lassen. Ganz im Gegenteil. Er verschwindet aus dem Dunstkreis seiner angesehenen Familie, um „irgendwie“ beim Film „zu landen“. Heuert beharrlich als 3. Regie-Assistent, besser – als Laufbursche, bei der Produktion von „Der Prinz und die Tänzerin“ an. Und wird zur Seelen-Stütze, zum Verbündeten für die „ramponierte“ Marilyn Monroe. Deren Ehemann („Sie verschlingt mich“) zurück nach Amerika geflogen ist. Und die sich nun für diesen englischen Boy („Ich bin Niemand“) interessiert. Als Begleiter, Berührer, Zuhörer. Anbeter. „Schutz-Mann“. Weil es der Produktion „hilft“, findet Laurence Olivier (KENNETH BRANAGH) „Gefallen“ daran. „Fördert“ die Liaison insgeheim. Während die sanften Jazz-Rhythmen eines Nat King Cole flirren, erlebt dieser sensible, emotional „zersetzte“, sympathische Colin Clark in diesem Sommer von 1956 d i e Woche seines Lebens.
Mit ihrem Namen verbindet sich, auch bald 50 Jahre nach ihrem Tod, emotionale „Elektrizität“. Mit ihrem Namen, ihrer ewig jungen Erscheinung, ist bei so ziemlich allen Weltbürgern ein Bild „vorhanden“: Marilyn Monroe. Das Interesse an ihr ist auch nach Jahrzehnten nicht erloschen. MARILYN MONROE ist, ähnlich wie James Dean, „immer“. Da. Dabei. „Vorhanden“. Jung wie attraktiv. Dass nun aber eine Mini-Affäre von ihr zum Anlass eines Spielfilms wird, überrascht schon. Vorher. Vor der Besichtigung. „Danach“ lautet die Wertung „Begeisterung“. Denn dieses neue Marilyn Monroe-Movie packt. In und mit jeder Stimmungslage. Außen wie innen. Also – in und mit „der Schminke“, über die Kostüme, mit diesem eleganten, „empfindlichen“ Set-Design, in der behutsamen, absolut stimmigen, vorsichtig-sorgfältigen Annäherung an die Befindlichkeiten. Der Charakter-Beteiligten. Und ihrer Seelen-Launen. „My Week with Marilyn“ ist spannende Atmosphäre pur. Natürlich, weil das gesamte Ensemble ebenso beeindruckt wie natürlich die drei exzellenten Hauptakteure: Der unvergleichliche, bislang 5-fach „Oscar“-nominierte 50-jährige KENNETH BRANAGH (von „Viel Lärm um Nichts“; über „Radio Rock Revolution“ bis zum neuen „Kommissar Wallander“) gibt den smarten Tyrannen-Künstler und gescheiten Melancholiker Sir Laurence Olivier ebenso „erregt“ wie verschmitzt („Man ist nie zu alt, sich für Frauen zu demütigen“). Zwischen beruflicher wie geschäftlicher Verzweiflung (es handelt sich schließlich hier auch um „seine“ Filmproduktion, die „angemessen“ fertiggestellt werden soll). Branagh karikiert sein „Sir Laurence“-Genie in keinem Moment, sondern lässt ironische Altersweisheit und „freudiges Fleischinteresse“ diskret durchschimmern. Eine geradezu vorzügliche Neben-Hauptrolle. Der unbekannte 28-jährige EDDIE REDMAYNE als stiller, entzückter, „verfallener“ Monroe-Bewunderer Colin Clark hat „nur“ die angenehme Aufgabe, „unauffällig“ mit-dabei zu sein. Um sanft-„aufgeregt“ diese hochgradigen emotionalen Ereignisse und „Erlebnisse“ erstaunt an- wie aufzunehmen. 2010 wurde Eddie Redmayne übrigens in London als „Bester Nebendarsteller“ mit dem „Laurence Olivier Award“, dem wichtigsten englischen Theaterpreis, für seine Darstellung in dem Stück „Red“ ausgezeichnet.
IHR aber gehört die ganz große Bühne. Der Olymp. Der Triumph. Die riesige Verbeugung. Sie ist hier – tatsächlich – die GÖTTIN. Denn WIE diese 30-jährige, aus Montana stammende MICHELLE WILLIAMS „total“ in ihre Marilyn Monroe schlüpft, ist sagenhaft. Sensationell. Überwältigend. Unglaublich 1:1. Porentief wie posentief. Sowohl in „Fassade“ wie in jedem Hauch. Von Regung. Bewegung. Beim Blicken. Beim Sprechen. Also mit dem gesamten erotischen Atem-Potenzial. Als körpersprachliches Marilyn Monroe-Gesamtkunstwerk. Wir haben Michelle Williams über die Independent-Produktionen „Station Agent“ von Thomas McCarthy (2003) und „Land of Plenty“ von Wim Wenders (2004) kennen- und durch ihre („Oscar“-nominierten) Mitwirkungen in „Brokeback Mountain“ (2005) und zuletzt „Blue Valentine“ (2010) schätzen gelernt. Für IHRE Marilyn Monroe bekam sie ihre 3. „Oscar“-Nominierung, und wenn nicht Meryl Streep (als „Die Eiserne Lady“) in der Konkurrenz gewesen wäre, hätte sie in diesem Jahr auch die hochkarätige Trophäe gewonnen. Denn der Michelle Williams Monroe-Auftritt ist einfach klasse authentisch-packend. Bewunderungswürdig. Spannend. Brillant. „Niveau-irre“. Faszinierend in Präzision, überwältigendem Körper-Charisma, mit diesem unwiderstehlichen Gemüts-Karma. Und natürlich auch in/mit diesem „tatsächlichen“ Marilyn-Gesang. Was für ein schauspielerischer wie klangvoller makelloser Glanz-Streich. Ab sofort „interessiert“ jeder der künftigen Film-Auftritte von MICHELLE WILLIAMS.
In dem Ensemble bewegen sich auf (sehr) feine Weise auch weitere Stars wie eben Dame JUDI DENCH, aber auch JULIA ORMOND (als Laurence Oliviers Ehefrau Vivien Leigh) und, in ihrer ersten erwachsenen Rolle nach der Harry Potter-Begleiterin Hermine Granger, EMMA WATSON. Als Garderobiere Lucy. In die sich Colin Clark „eigentlich“ verliebt. Hat. Aber auch in seiner Musikalität bietet „My Week with Marilyn“ „Spezielles“: Die dezenten Original-Klänge wurden von CONRAD POPE „ermittelt“. Die „heiße“ Komposition „Marilyn’s Theme“ stammt von ALEXANDRE DESPLAT. Das leitende Piano bediente immerhin der virtuose LANG LANG. Sozusagen: die volle Stimmung auch über den exzellenten, feinfühligen SOUNDTRACK.
Fazit: Der Kino-Erstlingsfilm des 50-jährigen britischen Produzenten und TV-Filmers SIMON CURTIS, mit einem Budget von 6,4 Millionen Pfund, also rd. 10 Millionen Dollar, hergestellt, kann sich als grandioser neuer MARILYN MONROE-Film prima sehen lassen (= 4 ½ PÖNIs).