Lösegeld

Die FRANZOSEN sind derzeit in Sachen „Beste Spannung auf DVD, Blueray und im Streaming“ nicht zu schlagen. Beinahe wöchentlich wird man von dort mit hervorragenden Genre-Movies bedient. Neuestes Beispiel ist eine französisch-belgische Co-Produktion aus dem Jahr 2009, die im Original „Rapt!“, also „Entführung!“, heißt, hierzulande aber unter dem Titel

LÖSEGELD“ von Lucas Belvaux (B+R; Fr/Belg 2009; K: Pierre Milon; M: Riccardo Del Fra; 125 Minuten; DVD-Veröffentlichung: 07.01.2011) herausgekommen ist.

Der 49jährige Belgier Lucas Belvaux ist sowohl als Schauspieler (z.B. in den Chabrol-Filmen „Hühnchen in Essig“; 1985/ Nominierung für den „Cesar“ als „Bester Nebendarsteller“ + „Madame Bovary“/1990) wie seit Anfang der 90er Jahre auch als Drehbuch-Autor und Regisseur tätig. Sein neues Werk „Rapt!“ wurde im Vorjahr für gleich 4 „Cesars“, den französischen „Oscars“, nominiert, darunter auch als „Bester Film“. Der mit einem Budget von 5 1/2 Millionen EURO hergestellte Streifen setzt die gute Tradition französischer Spitzen-Thriller fort. Mit, wie es im (insgesamt eher bescheidenen) Bonusmaterial präzise formuliert wird, „701 Einstellungen in 2:05 Stunden“.

„Wenn Industrie und Diplomatie an einem Strang ziehen, profitiert ganz Frankreich davon“, äußert sich der Herr Minister: Stanislas Graff (YVAN ATTAL) zählt zu den ganz Großen in der französischen Gesellschaft, sprich Oberschicht. Ist als Hauptaktionär an der Spitze eines Konzerns, der über 180.000 Mitarbeiter beschäftigt. Demzufolge wird ER natürlich umworben. Soll demnächst im Gefolge des französischen Staatspräsidenten sogar mit zu einer Dienstreise nach China. Stanislas Graff, der perfekte Monsieur. Mit noblem, erfolgreichem Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit. Teures Haus, saubere Familie, gebildete sympathische Ehefrau, 2 halbwüchsige Nett-Töchter. DER Erfolgsmensch. Doch dann wird DER entführt. Von hochprofessionellen Gangstern. Die bestens „strukturiert“ sind. Und sich keine Blöße geben. IHN genüsslich quälen und demütigen. Und gleich erst einmal einen abgeschnittenen Finger von ihm schicken: 50 Millionen EURO Lösegeld werden verlangt. „In gebrauchten Scheinen“. Was zu einem Tauziehen zwischen der Familie, vertreten durch Ehefrau und Schwiegermutter, den Konzern-Vorständen, die vor allem ihr Geld retten wollen, der hochrangigen Politik und der Polizei führt. Denn die Ehefrau will das Geld unbedingt auftreiben, was die Firma nicht zahlen kann (oder will), während zugleich die Polizei herausgehalten werden soll. Was DIE aber natürlich nicht akzeptiert. Und selber „gefährlich“ ermittelt.

Inzwischen toben sich aber auch „die Medien“ aus: Denn Stanislas Graff führte offensichtlich ein doppeltes Doppelleben. Eingeteilt in vier Kreise. Die ersten drei umfaßten dabei seine Spielleidenschaft, die Jagd und das Geschäftliche, bzw. umgekehrt; der vierte war der private, die Familie. „Dabei hat er diese nie vermischt“. Genüsslich werden Details bekannt gemacht. Ausgeschlachtet. Die Extra-Wohnung, die Geliebte(n), der regelmäßige Pokerer, der viel Geld verspielte. Futter für die verschiedenen Stammtische. Jet Set, Halbwelt, Zocker…; man beginnt von ihm…“abzurücken“. Der Imageverlust von Monsieur ist enorm. Was zur Folge hat, dass auch „sein Wert“ sinkt. 50 Millionen? Was ist mit den vielen Arbeitslosen? Was mit den eigenen Gewerkschaftsvertretern im Haus? Während sich der feine Herr teuer amüsiert hat…; die Politik gibt sich ebenfalls „angewidert/beleidigt“: „Wer ein führendes Unternehmen der französischen Industrie leitet, hat sich tadellos zu verhalten“ (Minister XY). Nur die Ehefrau kämpft vehement weiter um ihren Mann. Ihr sind die täglichen Medien-Attacken egal, sie will ihn zurück. Lebend. Um jeden Preis. Die Gangster müssen „umdisponieren“. Erweisen sich dabei als äußerst clever.
Klar ist, „Gewinner“, wie in einem herkömmlichen Krimi, kann es schließlich nicht geben. ALLE wurden irgendwie, mehr oder weniger, beschädigt, geschädigt. Sind psychisch kaputt. Bis auf die raffinierten Schurken natürlich. Dennoch – es muss ja weitergehen…, und WIE… .

„LÖSEGELD“ ist ein erstklassiger französischer Psycho-Thriller. Nichts ist hier vorhersehbar, überraschend kommen die Wendungen und Nuancen. Vor allem – hier existieren keine Superhelden, weder auf DER noch auf der ANDEREN Seite. Hier gibt es keinen „Sheriff“, der mit düsterer Mine und hartem Vorgehen für „Ordnung“ und Gerechtigkeit sorgt. Hier wird sogar das Opfer in eine „rüchige Ecke“ gestellt. Zeigt sich anfangs als eine bemitleidenswerte Figur, die dann aber auch – als reichlich arrogant, schäbig, egomanisch seziert wird: „Mein Leben gehört mir!“. Basta. „Ich muss mich nicht rechtfertigen!“ Von wegen.

Brillante Akteure wie der in Israel geborene 35jährige YVAN ATTAL, Ehemann von Charlotte Gainsbourg (der Tochter von Serge Gainsbourg + Jane Birkin), der 2006 im Steven-Spielberg-Drama „München“ mit-dabei war, und ANNE CONSIGNY, bekannt aus „Schmetterling und Taucherglocke“/2007 + „John Rabe“/2009, beherrschen als „fightendes auseinandergerissenes Ehepaar“ die Hauptfiguren-Szenerie. Die viel abbekommen, aushalten müssen. Drumherum spielt ein erstklassiges Ensemble (u.a. mit der großartig-grantigen, energischen Madame Schwiegermama FRANCOISE FABIAN/“Ein glückliches Jahr“) spannend wie verblüffend mit der Erwartungshaltung des Zuschauers. Begibt sich ständig in „aufregende Neu-Positionen“.
„LÖSEGELD“ ist ein äußerst cleverer, raffiniert zubereiteter Intelligenz-Thriller. Also ohne Ballereien, markige Sprüche, Helden-Posen. Spektakel-Szenen. Dafür mit viel wie exzellenter, fein ausgeklügelter Suspense-Dramatik. Bestes Unterhaltungsfutter also für Kopf UND Bauch. Warum sich einmal mehr das hiesige KINO solch einen Knüller hat entgehen lassen…..??? (= 4 1/2 PÖNIs).

Anbieter: „Universum Film“.

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