Liebeswüste Kritik

DIE LIEBESWÜSTE“ von und mit Lothar Lambert (B, Co-K, Schnitt+R; BRD 1985/86; 86 Minuten; Start D: 16.04.1987).

Für viele Filmemacher wäre dies ein Grund zur Resignation, zur Aufgabe, gar zur Depression. Für Lothar Lambert, den totalen Low- und No-Budget-Künstler (Autor, Kameramann, Cutter, Produzent, Regisseur, Darsteller und jetzt auch noch Selbstverleiher in einer Person), aber keineswegs. Aus der scheinbar ausweglosen Situation, dass im Kopierwerk 600 Meter seiner neuesten Arbeit versehentlich zerstört wurden, macht er einen Film. Über einen Regisseur, dem gerade vom Kopierwerk 600 Meter seines neuesten Filmes versaut wurden. Und der nun mit- seiner kleinen Crew vor dem kleinen Monitor am Schneidetisch sitzt und sich “die Reste“ ansieht. Der Witz an der Geschichte aber sind nicht diese verbliebenen Erinnerungen an ein nunmehr aus mehr oder weniger zufälligen Montagen bestehendes Werk, das zumeist auch sprachlos und nur von Musik überhitzt daherkommt, sondern sind die witzigen Kommentierungen der Dagmar Beiersdorf, Albert Heins, Ulrike S. und natürlich des traurig dreinblickenden Lothar Lambert dazu. Man nimmt gegenseitig kein Blatt vor den Mund, geht sich gegenseitig ganz schön ans Eingemachte und vermittelt so einen intimen Einblick auf die Lambert-Factory. Die ja nicht nur in Berlin mit Billig-Produktionen wie “Fucking City“, “Die Alptraumfrau“ oder “Tiergarten“ bekannt wurde und hier einmal mehr kreativen Charme und frechen Mut beweist.

Das Schmuddelmilieu ist die (Story-)Fahne, um die sich alles dreht. Dort, wo sich Stricher, Fixer, Schwule, Ausländer oder Ehekrüppel ein Stelldichein geben, ist Lambert (filmisch) zu Hause. Überall, wo die emotionale Armut ausgebrochen ist, saugt er sich mit seiner kleinen, schnellen Kamera fest, um seine Beobachtungen und Signale von einem verkrüppelten Seelendasein zu annoncieren. So auch hier. Geplant war ein moderner Reigen getreu dem Motto: “Kaputte Liebe heute“. Doch nun sind nur noch Momentaufnahmen zu erkennen. Eine Frau (Ulrike S.: “Der hat gesagt, ich soll eine Irre spielen, also hab‘ ich einfach drauflos gespielt“) bricht aus einem psychiatrischem Heim aus, nur mit einem langen Mantel über der Haut bekleidet, zieht kreuz und quer durch die Stadt auf der Suche nach Verständnis und Liebe. Die, die sie dabei kreuzt, haben meist selbst ihre eigene, Geschichte, die sich aber natürlich mit denen der Anstaltslady ähnelt.
Lambert’s Film besitzt zwangsläufig wenig rationale Zusammenhänge, aber das stört hier überhaupt nicht.
Ganz im Gegenteil. Dadurch, dass er wieder einmal seinen Plattenschrank mit großen, ohrwürmigen Titeln plünderte, gerät geraten seine/bekommen seine Bilder eine atmosphärisch aufgeladene Stimmung, andrerseits
tragikomische Stimmung um die Versuche von anonymen Stadtmenschen, inmitten großer verbreiteter Beziehungslosigkeit noch irgendwo Zärtlichkeiten oder gar Liebe auszumachen.

Nach den beiden mit zu vielen faulen Kompromissen versehenen Ausbrüchen in kommerzielle Höhen(mit “Paso Doble“ und “Der sexte Sinn“), ist er hier wieder ganz der Alte, interessiert sich nur Bauch- und wieder für seine Unterleibsgeschichten, die eben dadurch noch gewinnen, dass er sie mit seinem Team trocken-herzig kommentiert. Getreu dem Eingangsmotto, das einer hiesigen Toilettenwand entstammt: “Kein Schwanz ist so hart wie das Leben“. Mensch, Lambert…(= 4 PÖNIs).

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